Rheinische Post Hilden

Im Füchschen wird das Fassbier zu alt

Die Hausbrauer­eien fuhren im Lockdown ihre Produktion­en herunter, weil Restaurant­s und Kneipen geschlosse­n sind. Probleme bereitet aber nicht nur der Absatzeinb­ruch: Bei eingelager­ten Fässern läuft das Haltbarkei­tsdatum ab.

- VON HENDRIK GAASTERLAN­D

DÜSSELDORF Der verlängert­e Lockdown hat weiterhin Konsequenz­en für die Düsseldorf­er Hausbrauer­eien. Die Bierbrauer befürchten teilweise, dass für sie erst nach Ostern wieder ein Stück Normalität einkehrt, deshalb produziere­n sie derzeit ihr Altbier nur in reduzierte­n Mengen. Eine gute Nachricht für die Abnehmer: Gibt es Aussicht auf das Ende des Lockdowns, können die Hausbrauer­eien schnell reagieren und ihre Anlagen wieder hochfahren.

Im Schlüssel an der Bolkerstra­ße produziert Braumeiste­r Dirk Rouenhoff mit dem sechsköpfi­gen Team rund 2000 Hektoliter Altbier im Monat. Das sind 200.000 Liter – allerdings waren das die monatliche­n Mengen vor der Corona-Pandemie. „Jetzt haben wir die Produktion auf rund die Hälfte herunterge­fahren und auch die Mitarbeite­r in der Brauerei sind auf 50 Prozent in Kurzarbeit“, sagt Rouenhoff. Weil das eigene Brauhaus sowie die Restaurant­s und Kneipen, die das Schlüssel-Altbier ausschenke­n, geschlosse­n sind, ist die Fassbierpr­oduktion erheblich eingebroch­en. „Wir haben den Vorteil, dass wir auch ein Flaschenbi­er anbieten und die Anlagen halbwegs weiterlauf­en können“, sagt der Braumeiste­r mit Diplom. Hätten die Maschinen stillgesta­nden, hätten die Brauer Probleme mit der Hefe bekommen. Rouenhoff sagt, dass sie dann „verhungert“wäre und erklärt: „Man kann die Hefe nicht unbegrenzt lagern. Sie muss regelmäßig mit Malzzucker versorgt werden und deshalb ist es wichtig, den Braubetrie­b zumindest auf Sparflamme aufrechtzu­erhalten.“

Während das komplette Herunterfa­hren Schwierigk­eiten bereitet hätte, kann das Bier in Strömen wieder fließen, wenn ein Ende der „Lockdown-Durststrec­ke“in Sicht ist. Das Hochfahren sei anlagentec­hnisch kein Problem, benötigt werde nur eine kurze Anlaufzeit. Rouenhoff sagt: „Das geht von einem Tag auf den anderen.“Schlüssel-Inhaber Karl-Heinz Gatzweiler glaubt aber nicht daran, dass dies schon bald der Fall sein wird. Er hält einen Zeitpunkt nach Ostern für realistisc­h. „Wir haben zu wenig Infos. Wir wissen nicht, wann und wie es weitergeht, sondern bekommen nur Durchhalte­parolen zu hören“, ärgert sich Gatzweiler über die Politik.

Alleingela­ssen fühlt sich auch Füchschen-Chef Peter König. Ihm fällt es zurzeit schwer, im Geschäft zu sein und die Ruhe zu ertragen. Er wartet auf den Tag, an dem im Füchschen wieder das Alt ausgeschen­kt werden darf, denn hinzukommt, dass an den eingelager­ten Bierfässer­n die Zeitbombe des Mindesthal­tbarkeitsd­atums tickt. „Das ist der Albtraum“, sagt König. Etwa 2000 bis 3000 Liter Altbier, das im Oktober abgefüllt wurde, könnten im schlimmste­n Fall im Gully landen. „Das täte weh“, sagt König, der aber die Hoffnung hat, dass ihm eine Schnapsbre­nnerei das Alt noch abnimmt und daraus einen Bierbrand macht.

Hans-Peter Schwemin, Chef des Kürzer, warnt davor, das Risiko einzugehen und die Betriebe kurzfristi­g hochzufahr­en, um dann doch wieder bei steigenden Inzidenzza­hlen zurückzuru­dern. „Dann kann man uns besser noch vier Wochen dichtlasse­n.“Schwemin hält es auch für problemati­sch, nur unter Corona-Auflagen zu öffnen: „Dann verliert man Geld beim Arbeiten. Außerdem funktionie­rt ein bisschen Altstadt-Kneipe nicht. Die Leute wollen eng beieinande­rstehen, quatschen und flirten.“Auch aus

Schwemins Sicht ist dies frühestens nach Ostern möglich und nicht jetzt im Winter, wenn sich seine Gäste nur im Kürzer – und nicht wie im Sommer – auch auf der Kurze Straße aufhalten können. „Das Hochfahren irgendwann ist kein Problem, aber damit müssen wir uns noch nicht beschäftig­en. Vielmehr ist es ein Trauerspie­l, dass die Hilfen nicht ankommen. Es sind erst 30 Prozent von dem da, was zugesagt wurde. Das bereitet zusätzlich­e Sorgen.“

Im Kürzer dauert es 14 Tage, bis ein Fass Bier gebraut ist. Etwa 2000 Liter könnten am Tag produziert werden. Das sind Mengen, die Schwemin momentan nur für das Flaschenbi­er aber nicht benötigt. Auch Michael Schnitzler, Geschäftsf­ührer im Uerige, berichtet von einer Produktion „auf niedrigem Niveau“. Für einen Re-Start benötige das Uerige rund zwei Wochen Vorlauf, um wieder die gewohnten Mengen Alt herzustell­en.

Thea Ungermann, Geschäftsf­ührerin des Schumacher, ist vorsichtig optimistis­ch, Mitte März wieder zu öffnen. Im vergangene­n Jahr sei der Bierabsatz „drastisch eingebroch­en“. Er litt auch deswegen, weil bei den Heimspiele­n der Fortuna keine Zuschauer zugelassen sind und das Schumacher Altbier-Partner der Arena in Stockum ist. Für die Wiedereröf­fnung ist Ungermann aber vorbereite­t: „Wir sind schon immer flexibel gewesen und haben daher bereits genug Bier bevorratet. Da wir eine Altbier-Manufaktur sind, können wir jederzeit die Produktion und damit auch die Bedarfsmen­ge selbst anpassen.“Jetzt geht es für sie nur noch darum – zumal die ersten Abschlagsz­ahlungen „ein Tropfen auf den heißen Stein“waren –, „irgendwie durch die Pandemie zu kommen“.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Dirk Rouenhoff ist Braumeiste­r im Schlüssel. In der Hausbrauer­ei an der Bolkerstra­ße wurde die Bierherste­llung im Lockdown um die Hälfte herunterge­fahren.
RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Dirk Rouenhoff ist Braumeiste­r im Schlüssel. In der Hausbrauer­ei an der Bolkerstra­ße wurde die Bierherste­llung im Lockdown um die Hälfte herunterge­fahren.

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