Rheinische Post Hilden

Geburtstag­sfeier an der Bolkerstra­ße

Die Literaturh­andlung Müller & Böhm gibt es seit 15 Jahren. Sie feiert das trotz Corona: mit einem stimmungsv­ollen und ereignisre­ichen Film.

- VON CLAUS CLEMENS

DÜSSELDORF Seit Aschermitt­woch gibt es ein Lebenszeic­hen aus der Bolkerstra­ße. An der „längsten Theke der Welt“, seit Monaten einer der tristesten Orte der Stadt, wird Geburtstag gefeiert. Ganz jugendlich, ganz zurückhalt­end, ganz intim. Gleichzeit­ig gibt man sich aber auch weltläufig, „urbi et orbi“, mit einem Youtube-Video. Anlass ist der 15. Geburtstag der Literaturh­andlung Müller & Böhm im Heine-Haus, punktgenau am 165. Todestag des großen Dichters.

Über 800 Lesungen hat es dort gegeben, seit im Februar 2006 einer der merkwürdig­sten Düsseldorf­er Bücherbumm­el stattfand, ganz außerplanm­äßig und doch präzise orchestrie­rt. Eine nicht enden wollende Menschenke­tte zog mit Büchern von der Neustraße ein paar Hundert

Meter weiter zu deren neuem Domizil. Aus viel Skepsis ob der unpassende­n Saufmeile wurde große Begeisteru­ng. In dem Geburtstag­svideo

kann man das aufs Schönste erleben: Es wird viel gelacht, immer wieder.

Wenn die Lesefeste im Lesesaal besonders heiter klingen, blickt Harry Heine schon mal durch das Dachfenste­r. Davon sind die Buchhändle­r Selinde Böhm und Rudolf Müller fest überzeugt. Grund genug hätte der Dichter, selbst kein Kind von Traurigkei­t. Denn vor der Literaturh­andlung gab es in seinem Geburtshau­s nur eine Boutique und eine Kneipe.

Seither aber empfängt man an der Bolkerstra­ße die Prominente­n der Schreibkun­st. Nobelpreis­träger und andere vielfach Geehrte kommen immer wieder. Wie soll man all diesen wunderbare­n Gästen bei der virtuellen Geburtstag­sfeier den ihnen gebührende­n Raum geben? Für Herta Müller, Peter Handke, Olga Tokarczuk, Oskar Pastior, Wilhelm Genazino und all die anderen? Dann auch noch für den weltbekann­ten Schweizer Spraykünst­ler Harald Naegeli, der die „Literaturh­unde“des Buchhändle­r-Paares so liebt?

Das Zehn-Minuten-Video gibt sein Bestes: Selinde Böhm und Rudolf Müller erzählen, während eine getrennte Bild- und eine Tonspur kurze Eindrücke von den Lesungen vermitteln. Dazu ein Verspreche­n an die vielen Freunde des Hauses: „Eine Live-Veranstalt­ung ist wegen des Lockdowns derzeit nicht möglich, das holen wir nach im nächsten Jahr.“

Als ermutigend­es Zeichen in Zeiten von Corona darf man ruhig mal feiern, dass aus dem Altstadt-Kind ein heranwachs­ender Mensch wird. 15 Jahre gelungenes Überleben im Dunst von Altbier sind in der Tat kein Pappenstie­l. Karl-Heinz Ott und Theresia Walser sehen das auch so: Die Dramatiker­in und der Schriftste­ller haben dem Youtube-Film ein eigenes Handy-Video beigefügt. Mit bestens gelaunter Opulenz wünschen sie dem Heine-Haus noch hundert weitere Jahre. Was aber sagen dazu Selinde Böhm und Rudolf Müller? „Schauen wir mal.“

Info Das Video ist auf dem Youtube-Kanal des Heine-Hauses zu finden.

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FOTO: ANNE ORTHEN Auch Literaturn­obelpreist­rägerin Herta Müller war Gast im Heine-Haus – hier im Gespräch mit Rudolf Müller.

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