„Omas gegen rechts ist eine Haltung“
Barbara Görner engagiert sich bei der Initiative gegen Rassismus. Ihr Aktivismus speist sich auch aus der Geschichte ihrer Familie.
DÜSSELDORF Vor Kurzem hat sie wieder Stolpersteine geputzt, so lange, bis sie wieder glänzten, und weiße Rosen niedergelegt für die Opfer der Nationalsozialisten, die aus ihren Häusern in Düsseldorf vertrieben, deportiert und ermordet wurden. Für Barbara Görner ist das eine Herzensangelegenheit, nicht nur zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar. Deshalb engagiert sich die 65-Jährige bei den „Omas gegen rechts“. Die Initiative wurde vor vier Jahren in Wien gegründet. Heute gibt es allein in Nordrhein-Westfalen mehr als zehn Ortsgruppen. „Gegen Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsvergessenheit, für Frieden, Freiheit und unsere kostbare demokratische Zivilgesellschaft“, beschreibt Görner ihr Engagement.
Früher hat sie als Diplom-Pädagogin und Rhetorikdozentin gearbeitet, hat zudem Atem- und Kunsttherapie angeboten. Seit einigen Jahren schon ist sie im Ruhestand, auch, weil sie eine schwere Krebserkrankung überstanden hat. Zwischendurch arbeitete sie als Stadtführerin, Görner ist gerne unterwegs, gerne unter Leuten. Zur Ruhe kommt sie eigentlich selten, erst recht nicht, wenn sie etwas so begeistert wie die „Omas gegen rechts“.
Vor zwei Jahren entdeckte sie die Initiative bei Facebook, „wegen meiner Kommentare bot mir die Initiatiorin Anna Ohnweiler an, die Administration der Düsseldorfer Gruppe zu übernehmen“, erzählt Görner.
Bis heute sind sie in Kontakt, „eine beeindruckende Persönlichkeit“. Die Düsseldorfer Omas vernetzen sich vor allem über Facebook, treffen sich normalerweise aber auch zum Stammtisch im Café du Kräh in Flingern. Wichtig ist Görner und ihren Mitstreiterinnen auch, in der Öffentlichkeit Präsenz zu zeigen – zum Beispiel bei der Gegen-Demo zu den Querdenker-Protesten im vergangenen Dezember. „Da waren bestimmt 20 bis 30 Omas, nicht nur aus Düsseldorf“, sagt sie stolz.
Die Initiative ist auch in der Stadtgesellschaft vernetzt: Regelmäßig folgen die Omas den Aufrufen des Bündnisses Düsseldorf stellt sich quer. Auch mit Michael Rubinstein von der jüdischen Gemeinde sei man in Kontakt, zudem sei eine Zusammenarbeit mit dem interkulturellen Verein Mosaik und der Lobby für Demokratie vorstellbar. „Düsseldorf ist eine tolerante Stadt“, sagt
Görner, „trotzdem gibt es Alltagsrassismus“. Wenn das vorkomme, könne sie einfach nicht danebensitzen und nichts sagen, „da ist mit mir zu rechnen“. Mit dieser Überzeugung fühlt sie sich bei den „Omas gegen rechts“gut aufgehoben. Die Initiative plant auch eigene Aktionen – für die Zeit nach der Pandemie. Corona hat sie ausgebremst. „Durch Aktionen wie das Putzen der Stolpersteine möchten wir aber zeigen: Jeder für sich kann etwas tun.“
Am Holocaust-Gedenktag legten Görner und ihre Mitstreiterinnen außerdem weiße Rosen an der Gedenkstätte für die deportierten Juden in Derendorf und am Gedenkstein an der LVR-Klinik nieder. Dieser erinnert an die im Zuge der Euthanasie-Politik der Nationalsozialisten ermordeten Behinderten und psychisch Kranken in der damaligen Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Grafenberg. Für Barbara Görner war das – wie ihr ganzes Engagement – auch ein persönliches Anliegen. „Ich habe lange in dem Glauben gelebt, dass ich zwar zu einem Volk von Tätern gehöre, es in meiner Familie aber weder Täter noch Opfer gab“, sagt Görner. „Aber das stimmte nicht.“
Anfang der 2000er Jahre habe sie davon erfahren, bei einem Kaffeekränzchen im Wohnzimmer des Vaters in Erkrath. Man habe sich über die NS-Zeit unterhalten, erzählt sie, „und ganz nonchalant erwähnte mein Vater auf einmal, dass eine Schwester meiner Großmutter auch zu den Opfern gehört hätte“.
Sie sei wie vom Donner gerührt gewesen und habe auf Nachfrage nur wenige Details erfahren. Sidonie Schmidt habe als Epileptikerin in einem Heim gelebt und sei irgendwann abtransportiert worden. Görner forschte ihr nach – doch wann, wo und wie sie starb, ist nicht zu ermitteln.
„Aber sie war sofort in meinem Herzen“, sagt die 65-Jährige. „Außerdem werden Kranksein und Schwäche immer noch nicht akzeptiert in der Gesellschaft, werden ausgeblendet und tabuisiert – wer sagt mir, dass das nicht noch einmal passieren kann?“Das Schicksal ihrer Großtante erschüttert sie bis heute. Doch daraus zieht sie auch Kraft, sagt sie, um dafür zu kämpfen, dass so etwas nie wieder geschehen kann. Das ist jetzt ihre Aufgabe, davon ist sie überzeugt.
Was Görner übrigens nicht ist, ist Oma – zumindest noch nicht, im Mai wird ihr Sohn zum ersten Mal Vater. „Aber darum geht es bei unserer Initiative auch gar nicht“, sagt sie. Es sei jeder willkommen, Omas genauso wie Opas und auch ältere Menschen ohne Enkelkinder. Zu den Aktivistinnen gehört auch Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke (SPD). Dem Verein beitreten sei indes keine Pflicht, es gehe ums Engagement. „Und um Lebenserfahrung, Weisheit, Wärme“, sagt Görner. „Omas gegen rechts ist eine Haltung.“
Info Für mehr Infos über die Omas: omasgegenrechts.dus@gmx.de