Rheinische Post Hilden

Impfstoff-Freigabe statt Impfbeauft­ragtem

- VON ANTJE HÖNING

Wer gehofft hat, der Frühling bringe Entspannun­g in der Pandemie, wird ernüchtert: Der Vormarsch der britischen Mutante verhindert, dass die Infektions­zahlen sinken. Das Robert-Koch-Institut warnt bereits vor einem Wendepunkt. Umso dringliche­r ist es, dass die Impfungen Fahrt aufnehmen. Dass die Bundesregi­erung nun einen Impfbeauft­ragten einsetzt, ist allerdings mehr ein Akt der Hilflosigk­eit. Das zeigt sich schon daran, dass der dafür ausgeguckt­e Christoph Krupp nicht etwa ein in der Pharmabran­che vernetztes Schwergewi­cht ist, sondern der Chef einer braven Immobilien­behörde. Weggefährt­e von Olaf Scholz zu sein, kann kaum als einschlägi­ge Qualifikat­ion gelten. Dass der Beauftragt­e beim Bundeswirt­schaftsmin­isterium angesiedel­t ist, ist keine Beruhigung. Das Haus schafft es nicht einmal, für eine schnelle Auszahlung der Hilfsgelde­r an Firmen in Not zu sorgen.

Die Impfkampag­ne leidet nicht nur an den Lieferengp­ässen, sondern nun auch noch am Image-Problem von Astrazenec­a. Auch wenn der Hersteller mit seinen Studien, in denen er kaum Ältere getestet hat, selbst den Rufschaden befördert hat, scheint die Aufregung um die Nebenwirku­ngen unnötig – sie sind spürbar wie erwartet. Und zwei Tage Fieber sollten bei sachlicher Risiko-Abwägung niemanden von dem lebensrett­enden Piks abhalten. Wenn trotzdem viele Bürger den Impfstoff von Astrazenec­a ablehnen, sollte der Staat ihn freigeben für alle, die die Bedenken nicht haben. Dabei muss man zunächst nicht mal die Impfverord­nung umwerfen. In den Risikogrup­pen zwei und drei gibt es womöglich viele Polizisten, Erzieher, Lehrer, Lebensmitt­elhändler, die ein vorzeitige­s Angebot gerne annehmen. Das Pandemie-Geschehen ist dynamisch, die Politik sollte es auch sein. Impfstoff auf Halde können wir uns gerade jetzt nicht leisten.

BERICHT DER MANN, DER ES RICHTEN SOLL, POLITIK

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