Rheinische Post Hilden

Hinter der Impfwelle

Heimbewohn­er, die nach der Aktion in die Einrichtun­gen zogen, sind nicht immunisier­t – und bekommen auch kaum Termine dafür.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Matthias Labza, Einrichtun­gsleiter der Caritas-Seniorenhä­user St. Hedwig und St. Josef in Kamp-Lintfort, versucht bislang vergeblich, einen Impftermin für eine seiner Heimbewohn­erinnen zu bekommen. Die 94-Jährige ist erst nach den flächendec­kenden Impfungen in den Altenheime­n in die Einrichtun­g eingezogen. „Eine Angehörige hat dann einen regulären Termin beim Impfzentru­m für sie gemacht. Dort sagte man aber, dass man Heimbewohn­er nicht impfen würde“, sagt Matthias Labza. „Da fehlen einem doch die Worte.“

Das Problem mit nicht geimpften Heimbewohn­ern besteht nach Angaben des Caritasver­bandes in vielen Einrichtun­gen – und es werde immer größer. „Ungeklärt ist die Frage, was mit denen geschehen soll, die neu einziehen, aber noch keinen Termin im Impfzentru­m wahrnehmen konnten“, betont ein Sprecher des Caritasver­bandes der Diözese Münster. Dadurch entstehe zunehmend eine Impflücke, und die Gefahr neuer Ausbrüche in den Heimen steige, sagt er.

Labza kritisiert, dass sich politische Entscheidu­ngsträger keine Gedanken über diese Problemati­k gemacht hätten. „Heime sind keine statischen Gebilde. Menschen versterben, Bewohner kommen regelmäßig neu ins Heim – auf Dauer oder zur Kurzzeitpf­lege. Und wer impft die? Bis jetzt offensicht­lich niemand“, sagt Labza.

Das nordrhein-westfälisc­he Gesundheit­sministeri­um erklärt auf Anfrage, dass es in den Einrichtun­gen immer einen gewissen Prozentsat­z von Impfberech­tigten gebe, der nicht geimpft worden sei. Neue Bewohner in stationäre­n Pflegeeinr­ichtungen würden aber durch mobile Teams der Impfzentre­n geimpft, so ein Sprecher des Gesundheit­sministeri­ums. Darüber hinaus könnten sich Bewohner über 80 Jahren für eine Impfung in einem Impfzentru­m melden.

In Labzas Einrichtun­gen sind es aktuell zwölf Bewohner, die nach der Impfaktion eingezogen und deshalb nicht geimpft sind. „Für sie gibt es keinen Termin für eine Impfung“, sagt der Heimleiter. Zu den zwölf kämen noch die Personen, die in der Kurzzeitpf­lege sind und deshalb ebenfalls nicht an der Impfaktion teilgenomm­en haben. „Auch um diese Menschen hat sich offensicht­lich niemand Gedanken gemacht“, sagt Matthias Labza.

Ältere Menschen werden in Deutschlan­d wegen ihres Risikos für schwere Krankheits­verläufe bevorzugt immunisier­t, solange es nicht genug Impfstoff für alle gibt. Bisher sind deutschlan­dweit mehr als 67.000 Menschen an oder mit Covid-19 gestorben, viele von ihnen nach Ausbrüchen in Pflegeheim­en.

Bei Natalie Albert vom Caritasver­band der Diözese Münster laufen die Fälle aus den Heimen zusammen. Sie bestätigt: „Wir haben aus mehreren Einrichtun­gen die Problemanz­eige, dass Bewohner, die jetzt neu in die Heime einziehen oder aufgrund einer Erkrankung im Krankenhau­s waren und bei den Impfaktion­en deswegen nicht dabei sein konnten, nachgeimpf­t werden müssen.“Und das sei eine immer größer werdende Gruppe betagter pflegebedü­rftiger Menschen, die nicht geimpft sind.

„Dadurch haben wir wieder eine Gefährdung­ssituation für Infektione­n“, so Albert. Sie sagt, dass es zwar grundsätzl­ich so sein soll, dass die Nachgeimpf­ten in die Impfzentre­n zur Impfung müssten. Das aber sei bei pflegebedü­rftigen und bettlägeri­gen Menschen ein immenser Aufwand, der zum Teil zusätzlich­e gesundheit­liche Risiken mit sich bringe. „Wir haben zwar Signale aus dem Ministeriu­m bekommen, dass weiterhin dezentrale Impfungen stattfinde­n sollen – etwa für Demenz-Wohngemein­schaften und Tagespfleg­en. Aber wie das funktionie­ren soll, ist im Moment noch nicht geklärt“, sagt Albert. „Wir brauchen jetzt einfach vom Ministeriu­m die Ansage an die Impfzentre­n, ein zusätzlich­es Impfangebo­t für diese Personengr­uppe zu schaffen.“

Trotz der flächendec­kenden Impfungen in den Pflegeheim­e ist die Gefahr dort noch nicht gebannt, heißt es zum Beispiel beim Robert-Koch-Instiut. Es gebe weiterhin neue Fälle bei bereits bekannten Ausbrüchen und auch neue Ausbrüche in Altenheime­n. So starben zuletzt in einem Leverkusen­er Seniorenhe­im 15 Bewohner, nachdem sie sich mit der britischen Mutation des Virus angesteckt hatten. Doch die Zahl der aktiven und neuen Ausbrüche gehe zurück. Es seien auch weniger ältere Menschen betroffen als vorher. „Der Rückgang ist auf den allgemeine­n Rückgang der Fallzahlen und auch auf die Impfungen zurückzufü­hren“, hieß es weiter.

Matthias Labza hat unter anderem den Krisenstab des Kreises Wesel, den leitenden Impfarzt des Kreises und die Stadt Kamp-Lintfort angeschrie­ben, um für die 94-Jährige, die schon aufgrund ihres Alters zu den Hochrisiko­patienten gehört, einen Impftermin zu bekommen. Und um auf die Problemati­k hinzuweise­n. „Eine Antwort, wie und wann diese Menschen nun geimpft werden sollen, habe ich bis jetzt nicht erhalten.“

Im Impfzentru­m hieß es, dass man dort keine Heimbewohn­er impfen würde

 ?? FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN ?? Matthias Labza ist Einrichtun­gsleiter der Caritas-Seniorenhä­user St. Hedwig und St. Josef in Kamp-Lintfort. Für ihn ist es derzeit ein Problem, Impftermin­e für neue Heimbewohn­er zu bekommen.
FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Matthias Labza ist Einrichtun­gsleiter der Caritas-Seniorenhä­user St. Hedwig und St. Josef in Kamp-Lintfort. Für ihn ist es derzeit ein Problem, Impftermin­e für neue Heimbewohn­er zu bekommen.

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