Transatlantisches Comeback
US-Präsident Joe Biden reist virtuell zur Münchner Sicherheitskonferenz und reicht den Europäern die Hand zu einer neuen Zusammenarbeit. Dabei wird wenig so bleiben, wie es einmal war.
BERLIN „Amerika ist zurück. Das transatlantische Bündnis ist zurück.“Vor allem: „Wir schauen nicht zurück.“Joe Biden ist sofort im Spiel. Die Europäer sollen wissen: Die USA sind wieder da. Sie wollen die Zusammenarbeit mit den Europäern, in der Nato, mit der EU. Biden hat dieses Comeback versprochen, sinnigerweise sogar auf dieser Bühne der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar vor zwei Jahren, ganz so, als besäße er eine große Weltglaskugel. Da dachten nicht wenige im Saal: Wenn es doch nur schon so weit wäre! Die Europäer hatten sich an jenem Februar-Tag 2019 erst die Rede von US-Vizepräsident Mike Pence anhören müssen, nach der die Temperatur im Saal gefühlt gefallen war. Dann steht Biden am Rednerpult der Konferenz und macht Mut: „Die Vereinigten Staaten werden niemals ihre Bündnispartner aufgeben. Wir brauchen sie. Ich hoffe, Sie brauchen auch uns.“Aufatmen im Saal. Die Trump-Zeit dauere nicht ewig: „Ich verspreche Ihnen, auch das geht vorbei. Wir kommen zurück“, sagt der US-Demokrat
noch.
Versprochen, gehalten. An diesem Februar-Freitag zwei Jahre später ist es so weit. Biden ist gewissermaßen zu seiner ersten Auslandsreise als US-Präsident aufgebrochen, wenn auch nur virtuell. Seit 1980 ist der frühere Senator aus Delaware Stammgast der Sicherheitskonferenz. Nun ist er als 46. US-Präsident zugeschaltet nach München. Ja, die vergangenen vier Jahre seien hart gewesen, spielt Biden auf die Amtszeit von Präsident Nummer 45, Donald Trump, an. Aber jetzt und hier könne er versichern: „Die USA sind fest entschlossen, fest entschlossen, sich wieder mit Europa gemeinsam zu engagieren.“Er betont es tatsächlich gleich zwei Mal: „fest entschlossen“. Europa und auch der Rest der Welt sollen wissen, dass die Weltmacht USA unter Bidens Führung wieder einen engen Schulterschluss mit den alten Buddys aus Europa sucht. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird später gewohnt nüchtern sagen: „Es gibt sehr viel zu tun. Deutschland steht für ein neues Kapitel der transatlantischen Partnerschaft bereit.“
Biden verspricht „100 Prozent“Engagement in der Nato, er bekennt sich zur Beistandsverpflichtung nach Artikel fünf des Nordatlantik-Vertrages: einer für alle, alle für einen. So wie einst nach dem Terrorangriff auf die USA im September 2001. Aber jetzt, fast 20 Jahre später, wolle man diesen Krieg in Afghanistan „zu Ende bringen“. Merkel reicht ihm auch hier die Hand. Deutschland sei bereit, auch länger in Afghanistan zu bleiben, wenn es dem Erfolg der Mission diene, so die deutsche Regierungschefin. Ein Abzug dürfe nicht dazu führen, dass „die falschen Kräfte“wieder an die Macht kämen.
Ebenfalls vor zwei Jahren hatte Merkel in München an Alexander von Humboldt erinnert – zu dessen 250. Geburtstag. Universalgelehrter, Genie, Weltenversteher, Weltenerklärer. Humboldt habe die Welt als Ganzes verstehen wollen. Jetzt ist Merkel wieder bei Humboldt, weil dieser darauf hingewiesen habe: „Alles ist Wechselwirkung.“Es sei gewissermaßen das, was wir heute Multilateralismus nennen. Gerade in den vergangenen Jahren, auch im Kampf gegen die Pandemie, habe sich gezeigt, dass die Staaten der Welt zusammenarbeiten müssten. In Bündnissen. In multilateralen
Koalitionen. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, gleichfalls nach München zugeschaltet, mahnt einen „nützlichen Multilateralismus“an – zum Schutz von Klima, Demokratie, Meinungsfreiheit.
Biden hatte zuvor gesagt, dass man auf dieser Welt womöglich „an einem Scheideweg“stehe. Denn: „Es gibt Personen, die sagen, dass Autokratien der beste Weg in die Zukunft sind.“Aber die freie Welt müsse zeigen, „dass die Demokratie immer noch liefern kann für die Menschen“. Der Westen müsse zusammenarbeiten – in einem harten Wettstreit mit China. „Wir können dieses Rennen gewinnen.“Auch im Kampf gegen russische Desinformation und den Versuch des Kreml, wo immer möglich Nato und EU zu schwächen. Es gebe große Herausforderungen: Covid, Klima. Regionale Konflikte: Syrien, Libyen. „Die USA müssen wieder erneuern.“Man müsse wieder mit Demokratie und in Bündnissen führen. „Das hat die Welt sicher gemacht.“
Schließlich ist Biden bei so viel Multilateralismus gar auf dem Mars. Soeben sei der Nasa-Roboter „Perseverance“auf dem roten Planeten gelandet. „Wir können es schaffen, zum Mars und zurück zu reisen. Dann können wir doch nicht sagen, dass wir andere Herausforderungen nicht schaffen“, beschwört der US-Präsident neue Gemeinsamkeiten. Vielleicht gebe es eines Tages sogar eine gemeinsame Mission von nordamerikanischer und europäischer Raumfahrt. „Also an die Arbeit“, sagt Biden noch.
Europa, bitte kommen!