Die Demokratie gerät ins Wanken
Indiens Bauern protestieren vor den Toren der Hauptstadt gegen eine Landwirtschaftsreform. Die Regierung antwortet mit Gewalt und Unterdrückung. Unter Premierminister Modi zeigen sich immer stärker autoritäre Tendenzen.
NEU-DELHI Mit ihrem fröhlichen Lächeln ist die 22-jährige Disha Ravi ein ungewöhnliches Gesicht des indischen Bauernprotests. Die Klima-Aktivistin lebt noch bei ihren Eltern im südindischen Bangalore und hat Betriebswirtschaft am angesehenen Mount Carmel College studiert. Bislang kannte kaum jemand die junge Frau, die die indische „Fridays for Future“-Bewegung leitet. Jetzt wurde Ravi verhaftet und Hunderte Kilometer von ihrem Wohnort entfernt in der Hauptstadt Neu-Delhi einem Richter vorgeführt. Der Vorwurf gegen sie lautet auf Volksverhetzung und Verschwörung.
Ihr jugendliches Alter schütze sie nicht vor der Untersuchungshaft, sagt die Polizei. „Das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen einer 22-Jährigen und einer 50-Jährigen“, argumentiert Delhis Polizeichef Sachidanand Shrivastava. Politiker der Regierungspartei vergleichen die junge Frau gar mit Terroristen, die Anschläge verübt haben.
Die Vorwürfe gegen Ravi drehen sich um ein Dokument, das die Aktivistin im Internet verfügbar gemacht hat, eine Sammlung von Tipps, die den indischen Bauern bei ihrem Protest gegen die Landwirtschaftsreform der indischen Regierung helfen sollte und die ursprünglich von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg stammen. „Es ging darum, einen wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und regionalen Krieg gegen Indien zu führen“, begründete die Polizei die Verhaftung von Ravi.
Seit Monaten protestieren Indiens Bauern vor den Toren der indischen Hauptstadt für eine Rücknahme von drei Gesetzen der Regierung, mit denen der Landwirtschaftssektor für Privatinvestoren geöffnet werden soll. Der Protest ist die bislang größte Herausforderung für die Regierung von Premierminister Narendra Modi, die seit über sechs Jahren im Amt ist. Indiens Regierung argumentiert, die Öffnung des stark regulierten Landwirtschaftssektors für große Supermarktketten und andere private Unternehmen komme vor allem Indiens 150 Millionen Bauern und ihren Familien zugute. Statt ihre Ernte über Mittelsmänner auf den Markt zu bringen, könnten die Landwirte nun direkt mit den großen Firmen Preise aushandeln. Die Bauern verweisen hingegen auf das Beispiel im Bundesstaat Bihar,