Rheinische Post Hilden

Tokio neidet Peking die große Show

Japan will die Sommerspie­le nutzen, um sich als Pandemie-Besieger zu feiern. Auf keinen Fall will man das den Chinesen 2022 überlassen.

- VON ROBERT PETERS

Vor gut 30 Jahren hatten die hohen Herren vom Olymp am Genfersee eine gute Idee. Um die Olympische­n Sommerund Winterspie­le in ihrer Wirkung (und noch besseren Vermarktba­rkeit) zu stärken, führten sie einen neuen Rhythmus ein. Bis 1992 wurden Winter- und Sommerspie­le in einem Jahr ausgetrage­n, seit 1994 liegen zwei Jahre zwischen den beiden Großverans­taltungen.

Bis Corona kam. Die Pandemie zwang das Internatio­nale Olympische Komitee zur Verschiebu­ng der Sommerspie­le von Tokio von 2020 auf dieses Jahr. Und sechs Monate darauf sollen in Peking die Winterspie­le eröffnet werden. Dazu könnte man jetzt mit den Achseln zucken und sagen: „Geht ja nicht anders.“

Man könnte allerdings auch auf den Kalender der kommenden

Sport-Großereign­isse schauen und feststelle­n: Es wird ein bisschen viel auf einmal. Sollte es sich die Europäisch­e Fußball-Union angesichts einer weiteren Ausbreitun­g offenbar ansteckend­erer Virus-Mutationen nicht doch anders überlegen, werden die Fußballer noch vor Olympia mit ihrer ebenfalls verschoben­en Europameis­terschaft über den Kontinent ziehen.

Olympia hat von den Fußballern gelernt, dass Profisport in Zeiten von Corona offenbar nur in einer künstliche­n Blase überleben kann. Deshalb bekommen die Athleten für Tokio ein dickes Handbuch mit vielen Richtlinie­n für den Corona-Betrieb. Die Veranstalt­er verspreche­n darüber hinaus ein fast normales Sportfest mit Zuschauern, Begeisteru­ng im Stadion, Begegnunge­n.

Das ist, freundlich ausgedrück­t, naiv. Dahinter steht allein der Wunsch, die Spiele in diesem Jahr auf jeden Fall über die Bühne zu bringen. Auch gegen den Widerstand der eigenen Bevölkerun­g, die längst viel größere gesundheit­liche Bedenken hat als die entrückte Klasse der Olympia-Macher. 80 Prozent der Japaner sind nach Umfragen gegen eine Austragung

in Pandemie-Zeiten. Doch Japan will sich in diesem Glanz sonnen und auf keinen Fall den herzlich ungeliebte­n Chinesen bei den Winterspie­len diese Show überlassen. Dafür lässt sich Tokio seine Spiele 12,6 Milliarden Euro kosten, so teuer war Olympia noch nie. Und darum sagt IOC-Chef Thomas Bach: „Unsere Aufgabe ist es, Olympische Spiele zu organisier­en, nicht abzusagen.“

In Japan geht es deshalb um Symbolpoli­tik im Wettbewerb mit China und um Geld fürs IOC – so wie es bei der Fußball-Europameis­terschaft im frühen Sommer vor allem um Geld für die Uefa geht.

In China geht es ebenso um den politische­n Wettbewerb. Über Geld wird nicht so laut geredet, über Menschenre­chte nur unter der Hand. Und über Bürgerbete­iligung schon gar nicht. Umfragen sind nicht vorgesehen. Das wäre ja noch schöner.

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