Tokio neidet Peking die große Show
Japan will die Sommerspiele nutzen, um sich als Pandemie-Besieger zu feiern. Auf keinen Fall will man das den Chinesen 2022 überlassen.
Vor gut 30 Jahren hatten die hohen Herren vom Olymp am Genfersee eine gute Idee. Um die Olympischen Sommerund Winterspiele in ihrer Wirkung (und noch besseren Vermarktbarkeit) zu stärken, führten sie einen neuen Rhythmus ein. Bis 1992 wurden Winter- und Sommerspiele in einem Jahr ausgetragen, seit 1994 liegen zwei Jahre zwischen den beiden Großveranstaltungen.
Bis Corona kam. Die Pandemie zwang das Internationale Olympische Komitee zur Verschiebung der Sommerspiele von Tokio von 2020 auf dieses Jahr. Und sechs Monate darauf sollen in Peking die Winterspiele eröffnet werden. Dazu könnte man jetzt mit den Achseln zucken und sagen: „Geht ja nicht anders.“
Man könnte allerdings auch auf den Kalender der kommenden
Sport-Großereignisse schauen und feststellen: Es wird ein bisschen viel auf einmal. Sollte es sich die Europäische Fußball-Union angesichts einer weiteren Ausbreitung offenbar ansteckenderer Virus-Mutationen nicht doch anders überlegen, werden die Fußballer noch vor Olympia mit ihrer ebenfalls verschobenen Europameisterschaft über den Kontinent ziehen.
Olympia hat von den Fußballern gelernt, dass Profisport in Zeiten von Corona offenbar nur in einer künstlichen Blase überleben kann. Deshalb bekommen die Athleten für Tokio ein dickes Handbuch mit vielen Richtlinien für den Corona-Betrieb. Die Veranstalter versprechen darüber hinaus ein fast normales Sportfest mit Zuschauern, Begeisterung im Stadion, Begegnungen.
Das ist, freundlich ausgedrückt, naiv. Dahinter steht allein der Wunsch, die Spiele in diesem Jahr auf jeden Fall über die Bühne zu bringen. Auch gegen den Widerstand der eigenen Bevölkerung, die längst viel größere gesundheitliche Bedenken hat als die entrückte Klasse der Olympia-Macher. 80 Prozent der Japaner sind nach Umfragen gegen eine Austragung
in Pandemie-Zeiten. Doch Japan will sich in diesem Glanz sonnen und auf keinen Fall den herzlich ungeliebten Chinesen bei den Winterspielen diese Show überlassen. Dafür lässt sich Tokio seine Spiele 12,6 Milliarden Euro kosten, so teuer war Olympia noch nie. Und darum sagt IOC-Chef Thomas Bach: „Unsere Aufgabe ist es, Olympische Spiele zu organisieren, nicht abzusagen.“
In Japan geht es deshalb um Symbolpolitik im Wettbewerb mit China und um Geld fürs IOC – so wie es bei der Fußball-Europameisterschaft im frühen Sommer vor allem um Geld für die Uefa geht.
In China geht es ebenso um den politischen Wettbewerb. Über Geld wird nicht so laut geredet, über Menschenrechte nur unter der Hand. Und über Bürgerbeteiligung schon gar nicht. Umfragen sind nicht vorgesehen. Das wäre ja noch schöner.