Todesdrohungen gegen den Kuttenträger
Ausgerechnet im fernen Deutschland wittern Serbiens Machthaber eine neue Gefahr: Für Kritiker des allgewaltigen Präsidenten Aleksandar Vucic ist der serbisch-orthodoxe Diaspora-Bischof Grigorije Duric ein Hoffnungsträger, für regierungsnahe Medien das ne
in den eigenen Reihen liquidieren – als erstes die Hure und den Kriminellen Grigorije.“
Mit Sicherheit ist der 1963 im bosnischen Vares als Mladen Duric geborene Bischof einer der auffälligsten Kuttenträger der serbisch-orthodoxen Kirche. Schon äußerlich hebt sich der weltgewandte Kirchenmann von seinen meist deutlich älteren Bischofskollegen im Heiligen Synod ab. Statt eines langen Rauschebarts trägt er seinen grauen Vollbart modisch gestutzt. Der Würdenträger lässt sich keineswegs nur in prächtigen Soutanen und Chorgewändern, sondern auch in Zivilkleidung ablichten: Gerne trägt der Bischof helles Leinen.
Sehr unorthodox gibt sich der orthodoxe Kirchenmann auch beim Umgang mit der Presse. Im Trainingsanzug kletterte er im vergangenen Jahr aufs Gerüst, um während eines TV-Interviews beim Tünchen der Sveti-Sava-Kirche in Düsseldorf zu helfen. Doch vor allem seine Botschaften sind es, die in Serbien regelmäßig für medialen Wellenschlag sorgen. Unverblümt kritisiert der relativ liberale Kirchenmann die gegenwärtigen Zustände in dem von dem autoritär gestrickten Staatschef Aleksandar Vucic mit harter Hand geführten Balkanstaat.
Ob er in Autorenbeiträgen und Interviews Serbiens Partei- und Vetternwirtschaft oder die „Flucht“seiner Landesleute in die Emigration beklagt, vermehrte Investitionen in Krankenhäuser statt staatlicher Zuschüsse für Kirchenbauten fordert, die Gewaltexzesse der Polizei gegen Regierungsgegner geißelt oder das Ende der „kriminellen Autokratie“auf den Balkan ankündigt: Aus seinem Missfallen über Serbiens irdisches Jammertal macht er in der Öffentlichkeit keinen Hehl.
Mit seiner strikten Ablehnung der Unabhängigkeit des Kosovo segelt der Bischof zwar auf dem vertrauten Kirchenkurs. Doch schon als Student demonstrierte er Anfang der 1990er-Jahre gegen das Regime des damaligen Autokraten Slobodan Milosevic. Viele der heutigen Machthaber standen damals auf der anderen Seite. Präsident Vucic diente Milosevic als Informationsminister, der heutige Parlamentsvorsitzende Ivica Dacic war dessen Sprecher, und Innenminister Aleksandar Vulin einer der führenden Köpfe in der JUL-Partei der Milosevic-Gattin Mirjana Markovic.
Doch es sind weniger grundsätzliche Animositäten als ein Interview, das Serbiens Machthaber ausgerechnet im fernen Düsseldorf neue Gefahr wittern lässt. Es müsse ein System geschaffen werden, in dem nicht mehr alles von einer Person abhänge, antwortete der Bischof am orthodoxen Heiligabend am 6. Januar gegenüber dem TV-Magazin „Newsmax Adria“auf die Frage, ob er selbst der „Retter“der Nation sein könne . Sein „Plan“sei es, 30 bis 300 junge, gut ausgebildete und „tapfere“Leute zu sammeln, die bereit seien, sich „für Serbien zu opfern und ein rechtsstaatliches System aufzubauen“.
Obwohl der Bischof Fragen nach einer etwaigen Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr stets verneint hat, trifft ihn der Ingrimm des Systems nun mit voller Wucht. Auch die bevorstehende Kür des neuen Patriarchen scheint in Belgrad die Nervosität zu schüren: Traditionell pflegen Staat und Kirche in Serbien sehr enge Bande.
Zwar scheint der missliebige Gottesdiener weder selbst in den Politikring steigen zu wollen, noch gilt der relativ junge Bischof als chancenreicher Anwärter bei der Patriarchen-Kür. Doch bei den nun im Internet laut gewordenen Todesdrohungen gegen den charismatischen Kuttenträger fühlen sich seine Anhänger bereits ungut an den 2003 ermordeten Reformpremier Zoran Djindjic oder an den 2018 erschossenen liberalen Kosovo-Politiker Oliver Ivanovic erinnert: Beiden Attentaten gingen mediale Hetzkampagnen voraus.
Selbst schweigt der Gottesmann wegen der 40-tägigen Trauer über
„ Selbst wenn andere uns angreifen und mit Steinen, Schlamm oder Müll werfen – Gott wird alles auf sich nehmen“
Bischof Grigorije Duric Leiter der Eparchie von Düsseldorf
den Tod seiner im Januar verstorbenen Mutter zu den über ihn verbreiteten Vorwürfen – und reagiert mit demonstrativem Gottesvertrauen. Bei Verleumdungen und „bösen Worten“gebe es keinen anderen Ausweg, als diese Last auf das „Meer der Gnade Gottes zu legen“, so der Bischof in seiner jüngsten Sonntagspredigt in Düsseldorf: „Deshalb haben wir als Christen keine Angst vor dem Leben. Selbst wenn andere uns angreifen und mit Steinen, Schlamm oder Müll werfen. Gott wird alles auf sich nehmen.“