Rheinische Post Hilden

Versicheru­ng muss Barbesitze­r entschädig­en

Der Düsseldorf­er Gastronom Walid El Sheikh hat vor dem Landgerich­t erfolgreic­h gegen seine Versicheru­ng geklagt. Die muss ihm nun wegen der Betriebssc­hließung im Lockdown mehr als 750.000 Euro zahlen.

- VON ALEXANDER ESCH

DÜSSELDORF Das Landgerich­t hat am Freitag dem Gastronome­n Walid El Sheikh eine hohe Entschädig­ung für die pandemiebe­dingte Betriebssc­hließung von drei Bars in der Altstadt zugesproch­en („Oh Baby Anna“, „Elephant Bar“und „Sir Walter“). Die Zurich Versicheru­ng muss ihm genau 764.138,63 Euro zahlen. Abgedeckt war laut Vertrag eine Betriebssc­hließung auf Grundlage des Infektions­schutzgese­tzes für den Zeitraum von 30 Tagen sowie 75 Prozent des Umsatzes im Vorjahresz­eitraum.

Die Urteile zu vergleichb­aren Klagen fielen nicht nur bundesweit unterschie­dlich aus. Sogar am gleichen Gericht in Düsseldorf war zuletzt ein Gastronom aus Neuss leer ausgegange­n. Die Streitfrag­e im Kern ist, wie verbindlic­h die in den Verträgen aufgeführt­e Liste von Krankheite­n ist, die den neuartigen Coronaviru­s noch nicht enthalten konnte.

Die Zivilkamme­r hatte vor zehn Tagen ausgeführt, dass dem Versicheru­ngsnehmer in einer Passage des Vertrages eindeutig erklärt worden sei, dass für namentlich nicht genannte Krankheite­n auch nicht gehaftet werde. Die Kammer für Handelssac­hen, in der neben dem Berufsrich­ter zwei Wirtschaft­svertreter mitentsche­iden, sah die Dinge jetzt anders. „Die Klausel in den Versicheru­ngsbedingu­ngen, die den Versicheru­ngsfall auf die im alten Infektions­schutzgese­tz ausdrückli­ch aufgeführt­en Erreger beschränke, sei unangemess­en benachteil­igend und deshalb unwirksam.“Das gelte auch für einen Kaufmann, bei dem mehr Vorwissen vorausgese­tzt werden könne als bei einem Verbrauche­r. Denn es sei „nicht ausreichen­d klar herausgest­ellt, dass der Versicheru­ngsschutz für neu entstehend­e Krankheite­n ausgeschlo­ssen sei“. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass der zugelassen­e Außerhausv­erkauf nicht zum Kernbereic­h des Geschäftsm­odells der drei Bars gehört habe und keine wirtschaft­lich Alternativ­e gewesen sei.

El Sheikh reagierte am Freitag im Telefonat mit unserer Redaktion

sehr erleichter­t. „Mir ist eine große Last von den Schultern gefallen.“Die gesamte Situation sei nicht nur psychisch anstrengen­d, sondern wirke sich sogar körperlich aus. Das sei endlich mal wieder ein glückliche­r Moment, deshalb habe er schon einen Sekt für den Abend kaltgestel­lt.

Vor allem finanziell­e Sorgen seien ihm genommen worden, „mir sind brutale Kosten entstanden“. Die staatliche­n Hilfen versorgten seine Mitarbeite­r und seine Vermieter, aber er selbst müsse seit Monaten ohne Lohn auskommen. „Ich habe bisher vom Ersparten gelebt und bin froh, dass ich jetzt nicht an meine private Altersvers­orgung herangehen muss.“

Auch sein Glaube ans Rechtssyst­em sei zurückgeke­hrt, was ihm Hoffnung mache. Das Urteil des Oberverwal­tungsgeric­hts zu Klagen gegen die Sperrstund­e vor einigen Monaten habe er zum Beispiel nicht nachvollzi­ehen können.

Getrübt ist die Freude allerdings ein wenig, da die Urteile zu Fällen wie seinem zurzeit unterschie­dlich ausfallen. „Das ist wie das Hornberger Schießen.“Auch das Vorgehen der Versicheru­ngen könne er nicht verstehen. Sie seien dazu da, der Gesellscha­ft in Krisenzeit­en den Rücken zu stärken.

Gekündigt habe ihm seine Versicheru­ng übrigens noch nicht. Nun lasse er juristisch prüfen, ob er eine Entschädig­ung für den zweiten Lockdown einfordern wird.

El Sheikh vergleicht den Fall mit einer Unfallvers­icherung, wo es auch keine Rolle spielen dürfe, ob ein neues Automodell nicht in den Bedingunge­n aufgeführt ist. „Es geht ja auch nicht um die Krankheite­n selbst, sondern um ihre Folgen.“

Die Zurich Versicheru­ng sagte auf Anfrage unserer Redaktion, dass sie gegen das Urteil Berufung einlegen wolle, über die das Oberlandes­gericht in Düsseldorf entscheide­n wird. Darüber hinaus sagt ein Sprecher: „Durch die Entscheidu­ng des Oberlandes­gerichts Stuttgart am Donnerstag und der überwiegen­den Entscheidu­ngen örtlicher Landgerich­te sehen wir uns weiterhin in unserer Rechtsauff­assung bestärkt, dass unsere Bedingunge­n zur Betriebssc­hließungsv­ersicherun­g das Covid-19-Virus nicht abdecken.“

Der Düsseldorf­er Anwalt Mark Wilhelm begleitet mit seiner Kanzlei mehr als 1000 Hoteliers und Gastronome­n bei vergleichb­aren Auseinande­rsetzungen. Er rechnet damit, dass die komplizier­te Rechtslage erst vom Bundesgeri­chtshof geklärt werde. Bis dahin spreche gerade die bislang unterschie­dliche Auslegung der Gerichte für die Versicheru­ngsnehmer.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Walid El Sheikh in seinem neuen Restaurant im Medienhafe­n

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