Versicherung muss Barbesitzer entschädigen
Der Düsseldorfer Gastronom Walid El Sheikh hat vor dem Landgericht erfolgreich gegen seine Versicherung geklagt. Die muss ihm nun wegen der Betriebsschließung im Lockdown mehr als 750.000 Euro zahlen.
DÜSSELDORF Das Landgericht hat am Freitag dem Gastronomen Walid El Sheikh eine hohe Entschädigung für die pandemiebedingte Betriebsschließung von drei Bars in der Altstadt zugesprochen („Oh Baby Anna“, „Elephant Bar“und „Sir Walter“). Die Zurich Versicherung muss ihm genau 764.138,63 Euro zahlen. Abgedeckt war laut Vertrag eine Betriebsschließung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes für den Zeitraum von 30 Tagen sowie 75 Prozent des Umsatzes im Vorjahreszeitraum.
Die Urteile zu vergleichbaren Klagen fielen nicht nur bundesweit unterschiedlich aus. Sogar am gleichen Gericht in Düsseldorf war zuletzt ein Gastronom aus Neuss leer ausgegangen. Die Streitfrage im Kern ist, wie verbindlich die in den Verträgen aufgeführte Liste von Krankheiten ist, die den neuartigen Coronavirus noch nicht enthalten konnte.
Die Zivilkammer hatte vor zehn Tagen ausgeführt, dass dem Versicherungsnehmer in einer Passage des Vertrages eindeutig erklärt worden sei, dass für namentlich nicht genannte Krankheiten auch nicht gehaftet werde. Die Kammer für Handelssachen, in der neben dem Berufsrichter zwei Wirtschaftsvertreter mitentscheiden, sah die Dinge jetzt anders. „Die Klausel in den Versicherungsbedingungen, die den Versicherungsfall auf die im alten Infektionsschutzgesetz ausdrücklich aufgeführten Erreger beschränke, sei unangemessen benachteiligend und deshalb unwirksam.“Das gelte auch für einen Kaufmann, bei dem mehr Vorwissen vorausgesetzt werden könne als bei einem Verbraucher. Denn es sei „nicht ausreichend klar herausgestellt, dass der Versicherungsschutz für neu entstehende Krankheiten ausgeschlossen sei“. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass der zugelassene Außerhausverkauf nicht zum Kernbereich des Geschäftsmodells der drei Bars gehört habe und keine wirtschaftlich Alternative gewesen sei.
El Sheikh reagierte am Freitag im Telefonat mit unserer Redaktion
sehr erleichtert. „Mir ist eine große Last von den Schultern gefallen.“Die gesamte Situation sei nicht nur psychisch anstrengend, sondern wirke sich sogar körperlich aus. Das sei endlich mal wieder ein glücklicher Moment, deshalb habe er schon einen Sekt für den Abend kaltgestellt.
Vor allem finanzielle Sorgen seien ihm genommen worden, „mir sind brutale Kosten entstanden“. Die staatlichen Hilfen versorgten seine Mitarbeiter und seine Vermieter, aber er selbst müsse seit Monaten ohne Lohn auskommen. „Ich habe bisher vom Ersparten gelebt und bin froh, dass ich jetzt nicht an meine private Altersversorgung herangehen muss.“
Auch sein Glaube ans Rechtssystem sei zurückgekehrt, was ihm Hoffnung mache. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zu Klagen gegen die Sperrstunde vor einigen Monaten habe er zum Beispiel nicht nachvollziehen können.
Getrübt ist die Freude allerdings ein wenig, da die Urteile zu Fällen wie seinem zurzeit unterschiedlich ausfallen. „Das ist wie das Hornberger Schießen.“Auch das Vorgehen der Versicherungen könne er nicht verstehen. Sie seien dazu da, der Gesellschaft in Krisenzeiten den Rücken zu stärken.
Gekündigt habe ihm seine Versicherung übrigens noch nicht. Nun lasse er juristisch prüfen, ob er eine Entschädigung für den zweiten Lockdown einfordern wird.
El Sheikh vergleicht den Fall mit einer Unfallversicherung, wo es auch keine Rolle spielen dürfe, ob ein neues Automodell nicht in den Bedingungen aufgeführt ist. „Es geht ja auch nicht um die Krankheiten selbst, sondern um ihre Folgen.“
Die Zurich Versicherung sagte auf Anfrage unserer Redaktion, dass sie gegen das Urteil Berufung einlegen wolle, über die das Oberlandesgericht in Düsseldorf entscheiden wird. Darüber hinaus sagt ein Sprecher: „Durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart am Donnerstag und der überwiegenden Entscheidungen örtlicher Landgerichte sehen wir uns weiterhin in unserer Rechtsauffassung bestärkt, dass unsere Bedingungen zur Betriebsschließungsversicherung das Covid-19-Virus nicht abdecken.“
Der Düsseldorfer Anwalt Mark Wilhelm begleitet mit seiner Kanzlei mehr als 1000 Hoteliers und Gastronomen bei vergleichbaren Auseinandersetzungen. Er rechnet damit, dass die komplizierte Rechtslage erst vom Bundesgerichtshof geklärt werde. Bis dahin spreche gerade die bislang unterschiedliche Auslegung der Gerichte für die Versicherungsnehmer.