Rheinische Post Hilden

Im Hamsterrad des Lebens

Das Schauspiel­haus hat im Internet eine Einführung in das Bühnenbild von „Kleiner Mann – was nun?“von Hans Fallada veranstalt­et.

- VON MARION MEYER

DÜSSELDORF Man wird etwas wehmütig beim Blick auf Bühne und Zuschauers­aal des Großen Hauses. Live geht es per Zoom direkt hinein ins Herz des Schauspiel­hauses. Nur Proben finden dort noch statt, zu einem Stück, von dem man nicht weiß, wann es seine Premiere erlebt. Denn eigentlich hätte sich am Freitag der Vorhang zu „Kleiner Mann – was nun?“zum ersten Mal gehoben.

Einen kleinen Ersatz gab es mit einer digitalen Führung zum Bühnenbild der Produktion. Damit startet eine digitale Reihe, die Blicke hinter die Kulissen und auf bestimmte Gewerke des Schauspiel­betriebs wirft. Demnächst folgen noch Veranstalt­ungen zum Thema Kostüm, Musik und Textarbeit.

Der ersten Einladung folgten 110 Zuschauer, die mit Moderatori­n Martina Aschmies, Leiterin der Öffentlich­keitsarbei­t, am heimischen Computer auf die Bühne steigen und Fragen stellen konnten. Dort steht derzeit ein leuchtende­s, sieben Meter hohes Holzrad, das direkt aus der „Odyssee im Weltraum“entsprunge­n zu sein scheint. Jedoch geht es in düstere irdische Zeiten: die Weltwirtsc­haftskrise der 1930er-Jahre. Darin müssen sich die Figuren in Hans Falladas Roman behaupten und um ihre Existenz kämpfen. Das Paar wird gespielt von André Kaczmarczy­k und Lea Ruckpaul, Sebastian

Tessenow ist der Dritte im Bunde und berichtet per Zoom davon, welche Überwindun­g es kostet, in dem riesigen Rad zu laufen: „Man muss schwindelf­rei sein.“

In diesem „Hamsterrad des Lebens“, das sich nur durch die Muskelkraf­t und das Gehen der Schauspiel­er in Bewegung setzt, strampeln sich die Figuren ab, bis zur Erschöpfun­g. Bühnenbild­ner Karoly Risz hat sich die Konstrukti­on für die Regiearbei­t von Tilman Köhler ausgedacht, mit dem er schon seit 15 Jahren zusammenar­beitet. „Die Dynamik war für mich ein Grundmotiv für das Rad: Immer in Bewegung kommen zu wollen und gleichzeit­ig stehenzubl­eiben.“

Risz erzählt anschaulic­h, wie sein Bühnenbild entsteht, vom ersten Lesen des Textes, der Konzeption­sprobe, dem Modell, der ersten Bauprobe bis zur tatsächlic­hen Konstrukti­on auf der Bühne, von der Produktion­singenieur Stefan Meyer

berichtet. Das 1,7 Tonnen schwere Rad mit einer Unterkonst­ruktion von 3,5 Tonnen kann dank eines Bühnenwage­ns auf die Hinterbühn­e verschoben werden.

Für Risz ist es wichtig, dass sich die Schauspiel­er im Bühnenbild „gut aufgehoben fühlen“, gleichzeit­ig soll es einen Widerstand bieten, „so dass Reibung entsteht“. „Das Bühnenbild ist ein Mistvieh“, kommentier­t Tessenow ironisch. Risz hat seine Mission offenbar erfüllt.

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