Sieben Aktionen, die uns in der Pandemie bewegt haben
Wohnzimmerkonzerte des Pianisten Igor Levit an, mit denen er im ersten Lockdown jeden Abend um sieben Uhr Zehntausende Zuhörer fand. Levit spielt normalerweise eher in der Elbphilharmonie oder in der Royal Albert Hall; seine virtuellen Auftritte bei Twitter waren anrührend intime Momente: Der Virtuose im Hoodie und auf Socken in seinem Wohnzimmer, ein Stündchen Musik gegen die Einsamkeit, gefilmt mit dem Handy. Zur Einleitung gab’s immer ein paar Worte auf Deutsch und auf Englisch, die Musikauswahl oft verbunden mit einer tieferen Wahrheit. Wie an dem Abend, als er Rzewski spielte, Variationen des Freiheitslieds „The People United Will Never Be Defeated“: für die Menschen da draußen, die unbesiegbar sind, wenn sie nur zusammenhalten.
4. Die Story von Captain Tom
Heldengeschichten gab es einige im ersten Corona-Jahr, aber die von Tom Moore war besonders ungewöhnlich: In einer Pandemie, die vor allem für Ältere gefährlich ist, wurde in Großbritannien ausgerechnet ein 100-Jähriger zur Lichtgestalt. Mit einem Spendenlauf am Rollator durch seinen Garten wollte der Kriegsveteran eigentlich 1000 Pfund für den staatlichen britischen Gesundheitsdienst NHS einsammeln. Am Ende wurden es 33 Millionen Pfund (etwa 37 Millionen Euro), die höchste Summe, die jemals durch so eine Aktion erlöst wurde. Die Queen schlug „Captain Tom“zum Ritter, die britische Post ehrte ihn mit einem Sonderstempel, und mit einer eigenen Version der Fußballhymne „You’ll never walk alone“schaffte es Tom Moore auch noch in die Musikcharts. Anfang Februar 2021 schließlich starb der britische
Corona-Held – ausgerechnet an einer Covid-19-Infektion.
5. Regenbogen am Fenster
Vor allem im ersten Lockdown gehörten Regenbogen an Fensterscheiben zum Straßenbild vieler Städte. Als Kitas und Schulen schlossen wurden, setzten viele Familien ein farbenfrohes Zeichen: Ihre Kinder malten Regenbogenbilder und zeigten sie. Draußen sollten vor allem kleinere Kinder durch die Aktion sehen und verstehen, dass auch die anderen zu Hause bleiben müssen; obendrein konnten sie beim Spazierengehen die Regenbogen in der Nachbarschaft zählen. „Alles wird gut“stand oft über den Fensterkunstwerken – und mancher Spaziergänger hatte beim Betrachten einen Kloß im Hals.
6. Das Lichtlein am Ende des Tunnels
Eigentlich ist es ein ganz banaler Piks, und doch wird am 8. Dezember 2020 in der Uniklinik Coventry Geschichte geschrieben: Margaret Keenan, 90 Jahre alt, wird als erster Mensch überhaupt mit einem zugelassenen Vakzin gegen das Coronavirus geimpft.
Keenan lächelt, als sie die Spritze bekommt; man sieht es am Strahlen ihrer Augen über der OP-Maske. Das Blitzlicht der Fotografen flackert, und dann ist die Impfung schon vorbei. Ganz normal halt. Und doch ein riesiger Schritt im Kampf gegen die Pandemie.
7. Nate Evans und sein „Wellerman“
„Soon may the Wellerman come / to bring us sugar and tea und rum”: So geht der Ohrwurm des Corona-Winters 2020/21, und Schuld ist der schottische Postbote Nate Evans. Auf der Videoplattform Tiktok veröffentlichte der 26-Jährige seine Interpretation des alten Walfängerlieds „Wellerman“und traf damit einen Nerv: Shantys wie dieses dienten einst als Durchhaltelieder auf See; und so wie die Besatzung der „Billy of Tea“im 19. Jahrhundert aufs Versorgungsschiff wartete, warten wir auf bessere Zeiten. Zahlreiche andere Tiktok-Nutzer stimmten nach und nach in den Song ein, mit Bass, Bariton oder Sopran, und plötzlich schien die ganze Welt gemeinsam das Ende der Pandemie herbeizusingen: „One day when the tonguin’ is done / we’ll take out leave and go”.