Wir Jazzer sind Improvisation gewohnt
Der Schlagzeuger Peter Weiss ist auch künstlerischer Leiter der Jazz-Schmiede. Sein „Blick in die Zukunft“fällt positiv aus.
Es war ein Freitag, der 13., es war im März 2020 – und es war der Abend, an dem das bislang letzte reguläre Konzert in der Jazz-Schmiede stattfand. Danach kam der Lockdown.
Sogleich haben wir uns damit beholfen zu „streamen“. Insgesamt gab es bis jetzt 20 Aufzeichnungen mit über 13.000 Besuchern. Eine Maßnahme, die ein Konzerterlebnis nicht annähernd widerspiegelt, aber den Musikern Arbeit gibt und Jüngeren eine erste Plattform bietet. Gerade Künstler, die nicht durch Unterrichten ein Zubrot haben, sind jetzt in einer prekären Lage. Die Hilfen von Land und anderen Unterstützern sind hier eher als kleinste Nothilfe zu sehen.
Nun lebt besonders der Jazz von der spontanen Kommunikation unter den Musikern, weswegen das Manko des fehlenden Live-Erlebnisses besonders eklatant ist. Der große Jazzsaxofonist Wayne Shorter sagte einmal: „You can’t rehearse the unexpected“(Man kann das Unerwartete nicht proben) und trifft damit genau den Punkt. Wie soll man spontan sich entwickelnde Kreativität proben: die direkte Kommunikation, das musikalische Miteinander als schnelle Reaktion auf die Kollegen? Ein wirkliches Dilemma, denn Jazz ist vorwiegend ein gruppendynamischer Prozess, und auch ein Zoom-Treffen hilft da nicht wirklich. Die Lebendigkeit der direkten Reaktion fehlt, bei Streams entfällt die unschätzbar wichtige Publikumsatmosphäre als Resonanz.
Nun zählt die Jazz-Schmiede zu den sichersten Räumen hinsichtlich
einer Covid-19-Ansteckungsgefahr. Erstklassiges Hygienekonzept, eine permanente Dauerlüftung und eine hohe Decke sind ein großes Glück, das wir leider im Augenblick nicht nutzen können. Hingegen nutzen wir die Zeit, um Renovierungen durchzuführen. Nach 25 Veranstaltungsjahren und Tausenden von Konzerten ist einiges an Mobiliar und Technik überholungsbedürftig. Unser Jubiläumsfest, das wir gerne gefeiert hätten, konnte natürlich leider nicht stattfinden. Trotzdem haben uns die Förderer weiter unterstützt, halten uns die Treue und sorgen für den Fortbestand des Clubs. Das ist eine unschätzbare Hilfe.
Es wird dringend Zeit, die Konzepte der Pandemiebeschränkungen
an die neuesten Erkenntnisse anzupassen. Ein Besuch im Konzertraum oder Museum ist nach den jüngsten Untersuchungen nicht gefährlicher als der Besuch des Supermarktes und für die Psyche der Menschen sicher ein genauso entbehrtes Lebensmittel.
Mir persönlich war nach 50 Jahren Bühne eine erste Auszeit willkommen, nun zieht es sich allerdings sehr unangenehm hin, eine ganze Reihe von Konzerten musste abgesagt werden, die ich schon aufgrund der Örtlichkeiten (etwa in Lissabon) wirklich sehr gerne gespielt hätte. Ansonsten geht es mir wie vielen anderen. Es wird viel aufgeräumt (das war auch nötig), zu viele Fernsehserien strömen und streamen an einem vorüber, und man muss aufpassen, dass man den Weinkeller nicht zu sehr entlastet, hingegen die Waage belastet.
Aber gleichzeitig wird nun geplant, wie es weitergeht und weitergehen soll. Da derzeit immer noch vollkommen unklar ist, wann und wie selbst eine beschränkte Öffnung möglich ist, sind wir vorbereitet, um eventuell wieder kurzfristig zu öffnen
Spannend bleibt auch die Frage, wie und wo die diesjährigen Jazz- und Weltmusikkonzerte im Sommer stattfinden. Hier sind verschiedene Möglichkeiten im Gespräch, etwa eine Kooperation mit dem Schauspielhaus am Gründgens-Platz, aber noch ist nichts entschieden, und wir sind ja Improvisation gewohnt. Üben wir uns also weiter in Optimismus und stoischer Gelassenheit, getreu dem Rheinischen Zen-Buddhismus: „Et hätt noch immer joot jejange.“