Es müssen nicht die Älteren sein
Bei der Impfreihenfolge ist Diskussionsbedarf. Denn das Immunsystem altert mit.
Seit Dezember stehen Impfstoffe zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie zur Verfügung, bisher jedoch nur in begrenzter Menge. Während in den vergangenen Wochen weltweit die Impfprogramme starteten, variiert die Impfreihenfolge von Land zu Land. In Deutschland wird die Bevölkerung entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) in vier Impfgruppen eingeteilt, die Einteilung erfolgt hier vorrangig über das Lebensalter. Dadurch soll die Anzahl schwerer Krankheitsverläufe, die insbesondere Menschen ab 80 Jahren betreffen, reduziert werden. Über die Impfreihenfolge ist bisher wenig diskutiert worden. Dabei sprechen gerade ältere Menschen oft schlecht auf Impfungen an.
Impfungen dienen der Aktivierung unseres Immunsystems, das uns vor Krankheitserregern wie eindringenden Viren dauerhaft schützen soll. Bei Impfungen werden drei wichtige Prozesse in Gang gesetzt. Vorrangig produzieren als B-Zellen bezeichnete Immunzellen Antikörper. Diese umhüllen das Viruspartikel, so dass es nicht in Körperzellen eindringen kann. Weiterhin erkennen spezialisierte T-Zellen, auch Killerzellen genannt, mit Viren infizierte Körperzellen und töten diese ab. Für den langanhaltenden Schutz gibt es die Gedächtniszellen, die sich sowohl aus B-Zellen als auch aus T-Zellen bilden können. Sie fallen in einen Dornröschenschlaf, manchmal für Jahrzehnte, und wachen auf, wenn uns ein bereits bekanntes Virus erneut befällt.
All diese Mechanismen der Immunisierung funktionieren bei älteren Menschen meist nicht mehr richtig. Denn wie alle Organe und Gewebe unseres Körpers altert auch unser Immunsystem. Im schlimmsten Fall müssen ältere Menschen wiederholt in kurzen Abständen geimpft werden, um sie dauerhaft vor einer Infektion zu bewahren. Im Kampf gegen Covid-19 ist momentan jedoch nur eine beschränkte Anzahl an Impfdosen vorhanden, um unsere Gesellschaft als Ganzes gesund und funktionsfähig zu halten. Eine Impfpriorität nach Lebensalter ist vor diesem Hintergrund zumindest diskutabel.
Unsere Autorin ist Professorin für Infektionsbiologie an der RWTH Aachen. Sie wechselt sich hier mit Maria-Sibylla Lotter ab.