Im Dienst der Firma
Der Milliardär Heinz Hermann Thiele ist tot. Aus Knorr-Bremse machte er einen Weltmarktführer. Kürzlich erregte er als Großaktionär der Lufthansa Aufsehen. Der Patriarch Thiele mischte sich bis zum Schluss kräftig ein.
FRANKFURT Heinz Hermann Thiele galt als eine der großen Unternehmerpersönlichkeiten Deutschlands. Am Dienstag ist er überraschend kurz vor seinem 80. Geburtstag gestorben. Thiele war Mehrheitseigentümer des Münchner Bremsenherstellers Knorr-Bremse. Eine größere öffentliche Bekanntheit erlangte er durch den Einstieg bei der Deutschen Lufthansa im Frühjahr 2020.
Bei Knorr-Bremse, dem damals noch mittelständischen Hersteller von Bremsen für schwere Nutzfahrzeuge und Eisenbahnen, hatte der gebürtige Mainzer nach einem Jurastudium 1969 als Sachbearbeiter in der Patentabteilung angefangen. Zehn Jahre später wurde er Vertriebschef, 1985 übernahm er das Unternehmen, als es in einer tiefen Krise steckte. Er habe etwas Großes schaffen wollen, erklärte er einmal in einem Gespräch mit der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft der
Deutschen Bank. Er habe den Erfolg gesucht, ums Geld sei es ihm nicht gegangen. Das besaß er zu der Zeit auch kaum; nach dem Krieg sei er in „äußerst bescheidenden finanziellen Verhältnissen“aufgewachsen, heißt es im Nachruf des Unternehmens. Die Übernahme von Knorr-Bremse finanzierte Thiele auf Kredit. Das Risiko rentierte sich.
Denn aus dem kriselnden Mittelständler formte der Jurist mit einem globalen Expansionskurs einen Weltmarktführer für Bremssysteme mit zuletzt etwa sieben Milliarden Euro Umsatz und fast 30.000 Beschäftigten. Knorr-Bremse sei ein „deutsches Leuchtturmunternehmen“, sagt Stefan Schöppner, Analyst der Commerzbank. Im Juli 2018 brachte Thiele, dessen Vermögen auf etwa 17 Milliarden Dollar geschätzt wird, Knorr-Bremse an die Börse, blieb aber Mehrheitsaktionär. Er wolle sein Erbe regeln, hieß es.
Thiele, der „sein ganzes Leben in den Dienst der Firma“gestellt habe, wie es im Nachruf von Knorr Bremse heißt, übergab 2007 zwar das operative Geschäft an externe Manager. Doch er mischte sich als Aufsichtsratschef immer noch stark ein. So gab 2019 Klaus Deller, zur Zeit des Börsengangs noch Chef, den Vorstandsvorsitz auf, 2020 musste dann Bernd Eulitz gehen, nachdem Thiele sich nach längerer Pause im Sommer 2020 wieder in den Aufsichtsrat hatte wählen lassen, dem er bis zu seinem Tod angehörte. „Das Management muss sich von dem alten Patriarchen freischwimmen, auch wenn wir in letzter Zeit viele Management-Wechsel gesehen haben“, sagt Analyst Schöppner.
Knorr-Bremse war nicht das einzige Unternehmen, in dem Thiele mitregierte. So kaufte er sich beim Bahntechnikhersteller Vossloh ein. Und auch am Bremsenhersteller Haldex beteiligte er sich 2016 – zum Ärger von ZF Friedrichshafen, das damals die Bieterschlacht verloren hatte. Immer noch hält das Münchner
Unternehmen knapp zehn Prozent an Haldex, das zwischenzeitlich versucht hatte, den Konkurrenten durch eine Beschwerde bei den EU-Wettbewerbshütern zum Rückzug zu zwingen. Das Argument: Dass einer der größten Wettbewerber zugleich der größte Aktionär sei, behindere Haldex am Markt und bei Investoren. Auch in seinem Unternehmen führte Thiele ein hartes Regime, davon wissen Gewerkschaften zu berichten, für Mitarbeiter gilt die 42-Stunden-Woche.
Der breiteren Öffentlichkeit aber ist der Patriarch wohl erst seit dem vergangenen Frühjahr bekannt, als er den Aktienkursverfall der Deutschen Lufthansa nutzte, um sich einzukaufen. Fast hätte er den Einstieg des Staats bei der Kranichlinie verhindert, schwenkte aber im letzten Moment noch ein. Im Sommer besaß er gut 15 Prozent der Aktien, inzwischen liegt der Anteil bei 12,42 Prozent. Damit war Thiele nach dem Staat größter Aktionär.