Streit ums traute Heim
Den einen ist es heilig, den anderen ein Übel – die gegensätzlichen Ideologien um das Einfamilienhaus werden zur Trennlinie zwischen Grünen und Union. Dabei ist die Eigentumsquote in Deutschland eher niedrig.
Den früheren NRW-Umweltminister und Grünen-Politiker Johannes Remmel hat eine böse Ahnung beschlichen. Die Union könnte den Streit um das Einfamilienhaus zum zentralen Thema im aufkommenden Bundestagswahlkampf machen. Dabei gehe diese „Scheindebatte“, so Remmel, „am zentralen Problem der großen Wohnungsknappheit in unseren Städten“vorbei. Doch mit der Ahnung dürfte er nicht ganz falsch liegen. Denn die Art, wie der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, in einem „Spiegel“-Interview auf die schlechte Öko- und Sozialbilanz der Einfamilienhäuser eindrosch, war eine Steilvorlage für die Union zu einem ihrer Lieblingsthemen.
Für NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) ist die Sache klar: „Der Traum vieler Familien ist ein Einfamilienhaus. Damit dieser Traum für möglichst viele Familien auch Realität wird, unterstützen wir mit unseren Förder-Initiativen gerne dabei.“Andere wie der thüringische CDU-Landeschef Christian Hirte werfen den Grünen ein gestörtes Verhältnis zum Eigentum vor. Und der wohnungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Fabian Schrumpf, findet: „Jeder soll selbst entscheiden, wie und wo er wohnt.“
Längst ist ein Glaubenskrieg um das alleinstehende Häuschen mit Garten und Balkon ausgebrochen. Für viele Grüne ist es Symbol für Spießertum, Flächenverbrauch und Energieverschwendung. Für die Union ist es die perfekte Umgebung für die intakte Familie, die hart arbeitet, Steuern zahlt und das stabile Fundament der Gesellschaft bildet. Ähnlich wie beim Streit um Billigfleisch und Veggie Day, um Urlaubsreisen nach Mallorca und Flugscham kommen beim Einfamilienhaus wie unter dem Brennglas
die unterschiedlichen Weltbilder zwischen konservativen und linken Bürgerlichen zum Vorschein. Es gibt eben doch noch eine große Scheidelinie zwischen Christdemokraten und Grünen, allen Annäherungen der beiden nunmehr wichtigsten Parteien der Bundesrepublik zum Trotz.
Insbesondere konservative Teile der CDU haben ein neues Thema entdeckt. Das vom Lebenstraum vieler Familien, im eigenen Haus im Grünen – abseits vom Lärm und Getriebe der Großstadt, aber doch in erreichbarer Entfernung? 2019 wurden 103.000 Ein- und Zweifamilienhäuser in Deutschland errichtet, allein 17.000 in NRW.
Der Flächenverbrauch ist in der Tat immens. Von allen Wohngebäuden stehen die Einfamilienhäuser für 31 Prozent der Unterkünfte, aber für 41 Prozent der bebauten Fläche. Selbst der Immobilienexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Voigtländer, sieht darin ein Problem. Denn angesichts der fortschreitenden Versiegelung von Landschaftsgebieten durch Bauten und Verkehr hat sich die große Koalition im Bund darauf verständigt, den jährlichen Flächenverbrauch von derzeit 56 Hektar täglich bis 2030 auf 30 zu reduzieren. Voigtländer: „Es wird mit der jetzigen Baupolitik sehr schwierig, dieses 30-Hektar-Ziel zu erreichen.“
Es ist eine Ironie in der Geschichte der eher CDU-dominierten Bundesrepublik, dass die Eigentumsquote in Deutschland gar nicht so hoch ist. „Sie ist im Vergleich zu anderen Ländern wie etwa Italien oder Spanien sogar deutlich geringer“, sagt Ex-Minister Remmel. In einer von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Studie von vier Ökonomen stellt das Autorenteam fest, dass Deutschland beim Anteil an Wohneigentum mit 45 Prozent im Vergleich der OECD-Industrieländer den vorletzten Platz einnimmt. Die Forscher
„Der Traum vieler Familien ist ein Einfamilienhaus“
Ina Scharrenbach NRW-Bauministerin