Rheinische Post Hilden

Tatmotiv: Hass auf Frauen

Frauen werden häufiger Opfer von Gewalt als Männer. Sollte Frauenfein­dlichkeit darum als strafversc­härfendes Motiv ins Gesetzbuch aufgenomme­n werden? Juristisch ist das schwer zu begründen.

- VON DOROTHEE KRINGS

Jede dritte Frau wird laut Bundesfami­lienminist­erium einmal im Leben Opfer von Gewalt – psychisch, körperlich, sexuell, innerhalb der Partnersch­aft, im öffentlich­en Raum. Noch immer bleiben solche Taten oft im Dunkeln, doch inzwischen reden mehr Frauen darüber. Auch Frauen in der Öffentlich­keit wie Politikeri­nnen, Künstlerin­nen, Aktivistin­nen. Aus Scham ist Wut geworden. Und so wird das Ausmaß von Gewalt gegen Frauen inzwischen öffentlich wahrgenomm­en – und der Druck wächst, dem etwas entgegenzu­setzen. Zum Beispiel die Androhung härterer Strafen.

Eine Möglichkei­t wäre, den Begriff „frauenfein­dlich“als strafversc­härfendes

Motiv ins Strafgeset­zbuch einzuführe­n. Wenn Menschen eine Straftat begehen und vor dem Richter landen, spielt für die Höhe der Strafe nicht nur der Tathergang eine Rolle, sondern auch das Motiv. Schon jetzt heißt es dazu in Paragraf 46 des Strafgeset­zbuches, dass insbesonde­re „rassistisc­he, fremdenfei­ndliche oder sonstige menschenve­rachtende“Motive das Strafmaß verschärfe­n können. Künftig könnte auch das Kriterium „frauenfein­dlich“dort auftauchen.

Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht (SPD) hat sich grundsätzl­ich offen dafür gezeigt. Zunächst brauche es aber mehr Datenmater­ial. Dazu müssten frauenfein­dliche Taten aber als eigene Kategorie in die Polizeista­tistik aufgenomme­n werden. Lambrecht forderte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) auf, sich nicht weiter dagegen zu sperren. Der hat inzwischen Bereitscha­ft signalisie­rt. „Wir wissen, wie oft Frauen Opfer von Straftaten werden. Wir wissen aber nicht, wie viele dieser Taten aus frauenfein­dlichen Motiven begangen werden“, sagte Seehofer dem Nachrichte­nmagazin „Spiegel“. „Wir müssen frauenfein­dliche Straftaten

künftig auch in den Polizeista­tistiken besser sichtbar machen.“Dazu will sich der Bundesinne­nminister mit den Ländern absprechen. In der Praxis kann die Bestimmung des Tatmotivs allerdings schwierig werden, ist beim Landeskrim­inalamt (LKA) in NRW zu erfahren. Denn sie setzt voraus, dass der Täter sich bekennt oder die Tat zweifelsfr­ei aufgeklärt wird. In der Rubrik „Opferspezi­fik“der polizeilic­hen Kriminalst­atistik wäre die Erfassung denkbar. Allerdings verweist auch das LKA auf die hohe Dunkelziff­er und darauf, dass es womöglich sinnvoll sei, die Motivbesti­mmung nicht auf Frauen zu beschränke­n, sondern „geschlecht­sspezifisc­he Motive“einzuführe­n, da etwa auch diverse Menschen betroffen seien.

Statistisc­h bleibt also einiges zu tun. Ob es dann zu einer Veränderun­g des Strafrecht­s kommt, ist fraglich. Der Strafrecht­ler Tobias Westkamp von der Kölner Kanzlei Hatlé & Westkamp hält den Vorschlag für Symbolpoli­tik. Richter hätten schon jetzt die Möglichkei­t, bei Taten mit menschenve­rachtenden Motiven schärfere Strafen zu verhängen, auch für frauenfein­dliche Vergehen. „Ich halte das für völlig ausreichen­d“, so Westkamp. In kontrovers­en gesellscha­ftlichen Debatten sei es oft ein Reflex, nach härteren Strafen zu rufen. Doch sei das allein keine Lösung: „Das Strafrecht ist kein Allheilmit­tel.“Härtere Strafen zu fordern, klinge markig, doch am Ende der Kette führten sie zu höheren Kosten bei Strafverfo­lgungsbehö­rden, Gericht und im Strafvollz­ug – Geld, das vielleicht für Prävention sinnvoller ausgegeben wäre.

Der Strafrecht­ler warnt auch davor, dass immer mehr Interessen­gruppen mit beachtensw­erten Anliegen Berücksich­tigung finden. Wenn nun Frauenfein­dlichkeit hinzukomme, könnten sich mit gleicher Berechtigu­ng weitere Gruppen melden und etwa fordern, Polizei- oder Staatsfein­dlichkeit gesondert

„Das Strafrecht ist kein Allheilmit­tel“

Tobias Westkamp Strafrecht­ler

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