Tatmotiv: Hass auf Frauen
Frauen werden häufiger Opfer von Gewalt als Männer. Sollte Frauenfeindlichkeit darum als strafverschärfendes Motiv ins Gesetzbuch aufgenommen werden? Juristisch ist das schwer zu begründen.
Jede dritte Frau wird laut Bundesfamilienministerium einmal im Leben Opfer von Gewalt – psychisch, körperlich, sexuell, innerhalb der Partnerschaft, im öffentlichen Raum. Noch immer bleiben solche Taten oft im Dunkeln, doch inzwischen reden mehr Frauen darüber. Auch Frauen in der Öffentlichkeit wie Politikerinnen, Künstlerinnen, Aktivistinnen. Aus Scham ist Wut geworden. Und so wird das Ausmaß von Gewalt gegen Frauen inzwischen öffentlich wahrgenommen – und der Druck wächst, dem etwas entgegenzusetzen. Zum Beispiel die Androhung härterer Strafen.
Eine Möglichkeit wäre, den Begriff „frauenfeindlich“als strafverschärfendes
Motiv ins Strafgesetzbuch einzuführen. Wenn Menschen eine Straftat begehen und vor dem Richter landen, spielt für die Höhe der Strafe nicht nur der Tathergang eine Rolle, sondern auch das Motiv. Schon jetzt heißt es dazu in Paragraf 46 des Strafgesetzbuches, dass insbesondere „rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“Motive das Strafmaß verschärfen können. Künftig könnte auch das Kriterium „frauenfeindlich“dort auftauchen.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat sich grundsätzlich offen dafür gezeigt. Zunächst brauche es aber mehr Datenmaterial. Dazu müssten frauenfeindliche Taten aber als eigene Kategorie in die Polizeistatistik aufgenommen werden. Lambrecht forderte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf, sich nicht weiter dagegen zu sperren. Der hat inzwischen Bereitschaft signalisiert. „Wir wissen, wie oft Frauen Opfer von Straftaten werden. Wir wissen aber nicht, wie viele dieser Taten aus frauenfeindlichen Motiven begangen werden“, sagte Seehofer dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“. „Wir müssen frauenfeindliche Straftaten
künftig auch in den Polizeistatistiken besser sichtbar machen.“Dazu will sich der Bundesinnenminister mit den Ländern absprechen. In der Praxis kann die Bestimmung des Tatmotivs allerdings schwierig werden, ist beim Landeskriminalamt (LKA) in NRW zu erfahren. Denn sie setzt voraus, dass der Täter sich bekennt oder die Tat zweifelsfrei aufgeklärt wird. In der Rubrik „Opferspezifik“der polizeilichen Kriminalstatistik wäre die Erfassung denkbar. Allerdings verweist auch das LKA auf die hohe Dunkelziffer und darauf, dass es womöglich sinnvoll sei, die Motivbestimmung nicht auf Frauen zu beschränken, sondern „geschlechtsspezifische Motive“einzuführen, da etwa auch diverse Menschen betroffen seien.
Statistisch bleibt also einiges zu tun. Ob es dann zu einer Veränderung des Strafrechts kommt, ist fraglich. Der Strafrechtler Tobias Westkamp von der Kölner Kanzlei Hatlé & Westkamp hält den Vorschlag für Symbolpolitik. Richter hätten schon jetzt die Möglichkeit, bei Taten mit menschenverachtenden Motiven schärfere Strafen zu verhängen, auch für frauenfeindliche Vergehen. „Ich halte das für völlig ausreichend“, so Westkamp. In kontroversen gesellschaftlichen Debatten sei es oft ein Reflex, nach härteren Strafen zu rufen. Doch sei das allein keine Lösung: „Das Strafrecht ist kein Allheilmittel.“Härtere Strafen zu fordern, klinge markig, doch am Ende der Kette führten sie zu höheren Kosten bei Strafverfolgungsbehörden, Gericht und im Strafvollzug – Geld, das vielleicht für Prävention sinnvoller ausgegeben wäre.
Der Strafrechtler warnt auch davor, dass immer mehr Interessengruppen mit beachtenswerten Anliegen Berücksichtigung finden. Wenn nun Frauenfeindlichkeit hinzukomme, könnten sich mit gleicher Berechtigung weitere Gruppen melden und etwa fordern, Polizei- oder Staatsfeindlichkeit gesondert
„Das Strafrecht ist kein Allheilmittel“
Tobias Westkamp Strafrechtler