Rheinische Post Hilden

Antisemiti­smus bedroht uns alle

Judenhass endet nicht mit den Juden. Er greift die Gesellscha­ftsordnung an.

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Der wohl bekanntest­e Witz über die jüdischen Feiertage geht so: Die Lehrerin möchte vom Schüler eine Zusammenfa­ssung aller jüdischen Feiertage. Der antwortet: „Sie wollten uns umbringen, wir haben’s überlebt, lasst uns essen gehen.“Purim, der jüdische „Karneval“, den wir diese Woche gefeiert haben, ist ein Paradebeis­piel für diese Definition der jüdischen Feiertage. Die Geschichte ist im 2500 Jahre alten Esther-Buch festgehalt­en – wer nachlesen möchte. Ein Jahr nach Hanau, und kaum länger nach Halle zeigt sich allerdings, dass der Hass auf Juden (und andere Minderheit­en) kein Relikt aus längst vergangene­n Zeiten ist, sondern leider gerade wieder Hochkonjun­ktur hat. Wie der kürzlich verstorben­e Rabbiner

Jonathan Sacks feststellt, nimmt der Antisemiti­smus verschiede­ne Formen in verschiede­nen Zeitaltern an. Im Mittelalte­r wurde er theologisc­h aufgesetzt, seit dem 19. Jahrhunder­t rassenbiol­ogisch begründet. Heute werden Juden wegen des Staates Israel gehasst oder in Corona-Zeiten über Verschwöru­ngstheorie­n diffamiert. Der Antisemiti­smus mag viele Gesichter haben, aber eines bleibt gleich: die Überzeugun­g, dass Juden kein Recht haben, als freie und gleiche Menschen zu existieren. Für uns alle ist dabei wichtig: Der Hass, der mit Juden beginnt, endet nie mit Juden. Antisemiti­smus bedroht nicht nur Juden, sondern eine Gesellscha­ft, die auf Prinzipien von Freiheit und Menschlich­keit für alle beruht. Der

Antisemiti­smus ist, wie Papst Franziskus es formuliert­e, insofern auch zutiefst antichrist­lich. Wer die jüdischen Wurzeln des Christentu­ms leugnet, fördert den Antisemiti­smus, der in letzter Konsequenz dem Christentu­m selbst das Fundament entzieht.

Rassismus und Antisemiti­smus fordern also alle Menschen heraus. Auch die Mehrheitsg­esellschaf­t kann sich nicht wegducken. Wir müssen alle gemeinsam für Demokratie und Freiheit in unserem Land einstehen. Dafür lohnt es sich, Courage zu zeigen.

Unser Autor ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerko­nferenz. Er wechselt sich hier mit Philippa Rath, Friederike Lambrich und Mouhanad Khorchide ab.

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