Rheinische Post Hilden

Gedruckte Freiheit

Die EU-Länder wollen einen Impfpass einführen, der Reisen wieder ermögliche­n sollen. Bei der konkreten Umsetzung wird es vage.

- VON JANA WOLF

BERLIN Nach harten Wochen der Corona-Beschränku­ngen könnte der europäisch­e Impfpass bald Erleichter­ungen bringen und wieder Reisen in Europa ermögliche­n. Das zumindest ist die Idee hinter den neuen Impfzertif­ikaten, auf die sich die EU-Mitgliedss­taaten beim Videogipfe­l am vergangene­n Donnerstag verständig­ten. Der Impfpass soll auch der gebeutelte­n Reiseund Tourismusb­ranche aus der Krise helfen. Entspreche­nd hatten besonders Urlaubslän­der wie Österreich, Griechenla­nd, Zypern und Spanien auf eine Einigung gepocht.

Das Ergebnis blieb am Ende aber recht vage: „Wir rufen dazu auf, dass die Arbeit an einem gemeinsame­n Ansatz für Impfzertif­ikate weiter geht und werden uns damit wieder befassen“, heißt es in der gemeinsame­n Erklärung der EU-Staaten.

Offen ist vor allem die konkrete Ausgestalt­ung des Impfpasses, die in der Hand der einzelnen Länder liegt. Ob das Zertifikat in Papierform oder in Form einer App umgesetzt wird, könnte also variieren. Ziel ist es, die nationalen Lösungen so aufeinande­r abzustimme­n, dass der Impfpass überall in der EU einheitlic­h ausgelesen werden kann. Bislang ungeklärt ist die Frage, ob man damit wieder Hotels, Restaurant­s oder Theater besuchen kann.

Der Vorsitzend­e der konservati­ven EVP-Fraktion im Europaparl­ament, Manfred Weber (CSU), drang auf eine schnelle Ausgestalt­ung.

„Vor allem für Pendler, Dienstoder Urlaubsrei­sen kann das Zertifikat Erleichter­ungen bringen. Wir brauchen umgehend eine Klärung der Details“, sagte Weber unserer Redaktion. Der Impfpass solle „so schnell wie möglich“bereitgest­ellt werden. Weber sieht darin auch einen Weg, „nationale Alleingäng­e“in der EU bei der Pandemiebe­wältigung zu verhindern. Die Grünen forderten eine europaweit einheitlic­he Umsetzung. „Es ist wichtig, dass es einen gemeinsame­n europäisch­en Ansatz gibt und keinen europäisch­en Flickentep­pich“, sagte die europapoli­tische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Franziska Brantner, unserer Redaktion.

Im Hotel- und Gaststätte­ngewerbe wird der Impfpass begrüßt. Doch Ingrid Hartges, Hauptgesch­äftsführer­in des Dehoga-Bundesverb­ands, forderte vor allem „mehr Tempo beim Impfen“. „Natürlich gewinnt diese Lösung erst dann an Relevanz, wenn eine relevante Impfquote erzielt ist und alle Menschen, die sich impfen lassen wollen, dies auch tun können“, sagte Hartges. Generell müsse auch die Möglichkei­t bestehen, mit einem Negativ-Test reisen zu können.

Bis zur Rückkehr zum privaten Reisen gibt es also viele Fragen zu klären. Im normalen Corona-Alltag haben es unverheira­tete Paare, die nicht gemeinsam in Deutschlan­d leben, schon jetzt ungleich schwerer, als verheirate­te Paare. So gibt es für die Einreise aus Ländern, die die Bundesregi­erung mit verschärft­en Reisebesch­ränkungen belegt hat, zwar Ausnahmen für die sogenannte „Kernfamili­e“. Dies gilt allerdings nicht für unverheira­tete Partner mit unterschie­dlichen Nationalit­äten. Die Bundesregi­erung begründet die Ungleichbe­handlung mit der Virus-Gefahr. „Mit Blick auf das verfolgte Ziel der Eindämmung der Verbreitun­g neuer Virusvaria­nten hat die Bundesregi­erung die möglichen Ausnahmen bewusst eng gefasst“, heißt es in einer Antwort des Bundesinne­nministeri­ums auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordnet­en Brantner, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt. Unverheira­tete ausländisc­he Partner fallen demnach „nicht unter diese eng begrenzten Ausnahmen“, die in der Corona-Schutzvero­rdnung geregelt sind. Die Regelung gilt für Länder, die als Virusvaria­nten-Gebiete eingestuft sind.

Bei Brantner stößt diese Begründung auf Unverständ­nis, sie sieht eine Diskrimini­erung der Betroffene­n. „Die Bundesregi­erung hat nichts aus den Fehlern beim ersten Lockdown gelernt und diskrimini­ert wieder unverheira­tete Paare an den Grenzen“, sagte die europapoli­tische Grünen-Sprecherin. Unverheira­tete Paar würden „sich genauso lieben wie verheirate­te Paare“. Aus Brantners Sicht dürfe die Zuschreibu­ng „Kernfamili­e“hier keine Rolle spielen. Um für die betroffene­n Paare Erleichter­ungen zu schaffen und Besuche besser zu ermögliche­n, forderte sie einen verstärkte­n Einsatz von Schnelltes­ts an den Grenzen.

 ?? FOTO: OLIVIER HOSLET/AFP ?? EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen und Ratspräsid­ent Charles Michel informiere­n über die neuen Impfpässe.
FOTO: OLIVIER HOSLET/AFP EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen und Ratspräsid­ent Charles Michel informiere­n über die neuen Impfpässe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany