Jeder vierte Textilhändler will klagen
Wegen der Corona-Zwangsschließungen bahnt sich eine Klagewelle an, und das in diversen Branchen. Gleichzeitig unterbreitet der Handel Vorschläge für Ladenöffnungen, unter anderem Einkaufen mit Terminvereinbarung.
DÜSSELDORF Nimmt man die bisherigen juristischen Erfolge als Maßstab, dann sind die Aussichten für Deutschlands Textilhändler, über die Gerichte eine Öffnung zu erzwingen, nicht überbordend aussichtsreich. Jüngst scheiterte die Textilkette Breuninger vor dem Verwaltungsgericht Mannheim mit einem ihrer Eilanträge, die sie auch in Hessen, NRW, Thüringen und Sachsen eingereicht hat. Das Gericht verwies unter anderem darauf, dass Abholstellen und Lieferdienste erlaubt seien, 30 Prozent des Umsatzes aus dem Online-Geschäft stammten und der Umsatz unter 750 Millionen Euro liege, womit Breuninger Anspruch auf die Überbrückungshilfe III habe. Es liege kein Eingriff in das Eigentumsgrundrecht vor. Am Freitag scheiterte auch in Bayern der Eilantrag eines Modehändlers.
Das alles verstärkt den Groll der Textilketten noch. Sie geben aber auch nach juristischen Niederlagen noch nicht auf. Nach einer Umfrage des Handesverbands Deutschland (HDE) will jedes vierte Unternehmen aus der Branche klagen. Das würde bedeuten: Tausende versuchten über Eilanträge, die Öffnung zu erzwingen.
Manche garnieren ihr Vorgehen mit drastischen Formulierungen. „Der zwangsgeschlossene Handel und seine Millionen von Mitarbeitern werden zum Schafott geführt“, sagte der Chef des Textilhändlers Ernsting’s Family, Timm Homann. Andere Branchen haben sich längst angeschlossen, darunter Buchhändler und Baumarkbetreiber. Obi beispielsweise beruft sich auf Untersuchungen des Max-Planck-Instituts und der Technischen Universität Berlin. Eine der Kernaussagen: „Die Infektionswahrscheinlichkeit in einem Baumarkt tendiert gegen null.“
Das hat aber bisher alles nichts gebracht. Und nun rollt eine Klagewelle
durch die Republik. Dabei sind Eilanträge das einzig probate Mittel, um Klarheit zu bekommen. Für ein langwieriges juristisches Verfahren fehlt vielen Unternehmen die Zeit ebenso wie das Geld. Bis da eine Entscheidung gefallen wäre, wären manche Textilunternehmen längst insolvent. Ohnehin fürchtet die Branche, dass Tausende Anbieter in die Pleite rutschen. Manche hoffen in der Situation auf Prozessfinanzierer, die die Kosten eines Verfahrens bei entsprechenden Erfolgsaussichten übernehmen könnten, dafür bei Erfolg aber ein Stück vom Kuchen abhaben wollen.
Längst haben sich viele schon mit dem Gedanken an ein „Personal Shopping“angefreundet, also an eine Variante, bei der Kunden sozusagen nach Termin im Textilhandel einkaufen könnten. „Das würde den Unternehmen viel Flexibilität abverlangen, aber es wäre zumindest für die Kleinen eine Möglichkeit, wenigstens wieder ein bisschen Geschäft zu machen“, sagt Rolf Pangels, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes BTE. Er spricht von einem möglichen „Marketinginstrument“. Unabhängig davon hofft der Verbandsgeschäftsführer auf jeden Fall auf schnelle Entscheidungen der Gerichte in Sachen Ladenöffnung, „damit wir Rechtssicherheit bekommen“.
Die Shopping-Idee taucht auch in einem Öffnungskonzept auf, das der HDE einem Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel beigefügt hat. In diesem Konzept ist unter anderem die Rede von einer „Vergabe von Terminen für Kunden (da, wo möglich) beziehungsweise Etablierung einer App zur Sicherstellung, dass nur die erlaubte Anzahl von Kunden zur gleichen Zeit sich im Unternehmen befindet“. Und davon, dass Fachärzte und andere Experten die ergriffenen Maßnahmen in den Läden begutachten könnten. Ladenöffnung mit medizinischem Segen sozusagen.