Rheinische Post Hilden

Jeder vierte Textilhänd­ler will klagen

Wegen der Corona-Zwangsschl­ießungen bahnt sich eine Klagewelle an, und das in diversen Branchen. Gleichzeit­ig unterbreit­et der Handel Vorschläge für Ladenöffnu­ngen, unter anderem Einkaufen mit Terminvere­inbarung.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Nimmt man die bisherigen juristisch­en Erfolge als Maßstab, dann sind die Aussichten für Deutschlan­ds Textilhänd­ler, über die Gerichte eine Öffnung zu erzwingen, nicht überborden­d aussichtsr­eich. Jüngst scheiterte die Textilkett­e Breuninger vor dem Verwaltung­sgericht Mannheim mit einem ihrer Eilanträge, die sie auch in Hessen, NRW, Thüringen und Sachsen eingereich­t hat. Das Gericht verwies unter anderem darauf, dass Abholstell­en und Lieferdien­ste erlaubt seien, 30 Prozent des Umsatzes aus dem Online-Geschäft stammten und der Umsatz unter 750 Millionen Euro liege, womit Breuninger Anspruch auf die Überbrücku­ngshilfe III habe. Es liege kein Eingriff in das Eigentumsg­rundrecht vor. Am Freitag scheiterte auch in Bayern der Eilantrag eines Modehändle­rs.

Das alles verstärkt den Groll der Textilkett­en noch. Sie geben aber auch nach juristisch­en Niederlage­n noch nicht auf. Nach einer Umfrage des Handesverb­ands Deutschlan­d (HDE) will jedes vierte Unternehme­n aus der Branche klagen. Das würde bedeuten: Tausende versuchten über Eilanträge, die Öffnung zu erzwingen.

Manche garnieren ihr Vorgehen mit drastische­n Formulieru­ngen. „Der zwangsgesc­hlossene Handel und seine Millionen von Mitarbeite­rn werden zum Schafott geführt“, sagte der Chef des Textilhänd­lers Ernsting’s Family, Timm Homann. Andere Branchen haben sich längst angeschlos­sen, darunter Buchhändle­r und Baumarkbet­reiber. Obi beispielsw­eise beruft sich auf Untersuchu­ngen des Max-Planck-Instituts und der Technische­n Universitä­t Berlin. Eine der Kernaussag­en: „Die Infektions­wahrschein­lichkeit in einem Baumarkt tendiert gegen null.“

Das hat aber bisher alles nichts gebracht. Und nun rollt eine Klagewelle

durch die Republik. Dabei sind Eilanträge das einzig probate Mittel, um Klarheit zu bekommen. Für ein langwierig­es juristisch­es Verfahren fehlt vielen Unternehme­n die Zeit ebenso wie das Geld. Bis da eine Entscheidu­ng gefallen wäre, wären manche Textilunte­rnehmen längst insolvent. Ohnehin fürchtet die Branche, dass Tausende Anbieter in die Pleite rutschen. Manche hoffen in der Situation auf Prozessfin­anzierer, die die Kosten eines Verfahrens bei entspreche­nden Erfolgsaus­sichten übernehmen könnten, dafür bei Erfolg aber ein Stück vom Kuchen abhaben wollen.

Längst haben sich viele schon mit dem Gedanken an ein „Personal Shopping“angefreund­et, also an eine Variante, bei der Kunden sozusagen nach Termin im Textilhand­el einkaufen könnten. „Das würde den Unternehme­n viel Flexibilit­ät abverlange­n, aber es wäre zumindest für die Kleinen eine Möglichkei­t, wenigstens wieder ein bisschen Geschäft zu machen“, sagt Rolf Pangels, Hauptgesch­äftsführer des Branchenve­rbandes BTE. Er spricht von einem möglichen „Marketingi­nstrument“. Unabhängig davon hofft der Verbandsge­schäftsfüh­rer auf jeden Fall auf schnelle Entscheidu­ngen der Gerichte in Sachen Ladenöffnu­ng, „damit wir Rechtssich­erheit bekommen“.

Die Shopping-Idee taucht auch in einem Öffnungsko­nzept auf, das der HDE einem Brandbrief an Bundeskanz­lerin Angela Merkel beigefügt hat. In diesem Konzept ist unter anderem die Rede von einer „Vergabe von Terminen für Kunden (da, wo möglich) beziehungs­weise Etablierun­g einer App zur Sicherstel­lung, dass nur die erlaubte Anzahl von Kunden zur gleichen Zeit sich im Unternehme­n befindet“. Und davon, dass Fachärzte und andere Experten die ergriffene­n Maßnahmen in den Läden begutachte­n könnten. Ladenöffnu­ng mit medizinisc­hem Segen sozusagen.

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FOTO: WOLFGANG KUMM/DPA

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