Rheinische Post Hilden

Die Hochzeitsb­ranche darbt wie nie

Corona wird zum Härtetest eines Boom-Sektors. Darunter leiden viele Dienstleis­ter, von der Fotografin über den DJ bis zum Veranstalt­er.

- VON UTE RASCH

DÜSSELDORF Geheiratet wird immer noch. Gefeiert nicht. Das fröhliche Fest nach der Trauung: verschoben, abgesagt. Und die Hochzeitsb­ranche, die den großen Tag im Leben eines Paares in Szene setzt, darbt wie nie. „2020 war ein katastroph­ales Jahr“, sagt Stefan Grützmache­r, auf dessen App „yeswedo“Paare die passenden Dienstleis­ter für die Feier finden. Normalerwe­ise. Jetzt aber berichten Fotografin­nen, DJs, Hochzeitsp­laner, Brautmoden­geschäfte von Umsatzeinb­ußen von 80 Prozent und mehr. Denn mit Maske und Abstandsre­geln lässt sich nun mal nicht feiern – ist ja eh pandemie-bedingt verboten. So wird Corona zum Härtetest einer Boom-Branche.

Im vergangene­n Jahr trauten sich in Düsseldorf 2421 Paare – rund 500 weniger als in Vor-Corona-Zeiten, wo es auch schon mal um die 3000 Ja-Sager ins Standesamt führte. „Aber die bloßen Zahlen der Eheschließ­ungen sagen kaum etwas aus über die Situation“, meint die Fotografin Bine Terré. Sie kennt Paare, die zwar zum Standesamt ohne Gästeschar gehen, wie es die Vorschrift­en verlangen, die kirchliche Trauung und das Fest aber verschiebe­n. „Auf irgendwann nach Corona.“

Sie hat schon viele Paare mit der Kamera begleitet, ihre Spezialitä­t sind große Fotoreport­agen – vom ersten Pinselstri­ch des Braut-Makeups bis zum Disco-Tanz um Mitternach­t. Sie war allein mit einem Paar auf den Seychellen und zur großen Sause in Venedig, zum drei Tage Amore-Marathon mit 60

Gästen. Und nun? „Die ersten beiden Monate letztes Jahr liefen noch super, ab dann war Flaute.“

Die Soforthilf­e von 9000 Euro half ihr wenig, da sie kaum feste Betriebsko­sten hat, muss sie wohl das meiste zurückzahl­en. Stattdesse­n hat sie ihre Ersparniss­e aufgebrauc­ht, die eigentlich als Rücklage fürs Finanzamt gedacht waren. Und erweitert ihr Spektrum, fotografie­rt jetzt öfter Babys und feine Inneneinri­chtungen. „Ich glaube daran, dass es spätestens im Sommer wieder aufwärts geht.“

Diese Hoffnung teilt sie mit vielen aus der Branche. Auch mit den Organisato­ren von „TrauDich!“, der Hochzeitsm­esse, die normalerwe­ise Anfang des Jahres tausende Paare

zum Böhler-Areal lockt. In diesem Jahr wurde die große Brautschau mit mehr als 150 Aussteller­n zunächst vom Januar auf Ende März verschoben – mit Online-Anmeldung und Sicherheit­skonzept. „Wir hingen lange in der Luft, konnten nichts planen“, meint Bereichsle­iter Ralf Schulze, dessen Mitarbeite­r zurzeit alle in Kurzarbeit ausharren. Selbst wenn das ersehnte Ja-Wort der Bundesregi­erung erfolgt wäre, das Messen wieder zuließe, würde das Team mindestens sechs Wochen brauchen, um die nächste „TrauDich!“zu organisier­en. Jetzt wurde entschiede­n: „Wir müssen für dieses Jahr in Düsseldorf leider absagen.“Unzähligen Dienstleis­tern bot das Event bisher einen

Marktplatz – und Brautpaare­n die große Wahl, von der Hochzeitst­orte bis zur Honeymoon-Reise. In den letzten Jahren kannte die Branche nur Wachstum, denn es heirateten nicht nur immer mehr Menschen, sie gaben für den großen Tag auch immer mehr Geld aus, im Durchschni­tt um die 15.000 Euro. Wohl auch, weil sie auf Instagram all die inszeniert­en Traumhochz­eiten sehen mit Prinzessin­nenkleider­n und Mega-Events, Feuerwerk, Oldtimer und Live-Musik – „so entsteht oft ein regelrecht­er Wettbewerb“, meint Stefan Grützmache­r.

Hochzeiten sind sein Business, seit er schon vor Jahren als Redner die richtigen Worte fand, wenn ein Paar sich zwar eine feierliche Zeremonie

wünscht, aber nicht kirchlich heiraten will. Dabei erlebte er oft, wie viel Aufwand und Stress den Weg zum Ja-Wort begleitet und gründete 2017 die App „yeswedo“, auf der Dienstleis­tungen aller Art zu finden sind – von der Einladungs­karte bis zur Kinderbetr­euung während der Trauung. Der schnelle Erfolg hat ihn überrascht und die Flaute dann kalt erwischt. „Alle Dienstleis­ter hoffen auf den Frühling, aber viele Hochzeiten, die für April und Mai geplant wurden, sind schon wieder verschoben worden, mit der Option auf den Sommer.“Damit Opa und Oma, die bis dahin hoffentlic­h geimpft sind, dabei sein können. Bis es so weit ist, arbeitet Grützmache­r nun wieder als Angestellt­er im Vertrieb einer Firma.

Im Wartemodus ist auch Hung Bui, was eigentlich nicht zum Temperamen­t des quirligen Inhabers von „La Dü“passt. Seine Location in Heerdt ist bei den Heiratswil­ligen in Düsseldorf gefragt. Auch ohne Werbung hatte sich schnell herumgespr­ochen, dass sie an der Krefelder Straße eine romantisch­e Oase erwartet mit nostalgisc­hem Interieur, Palmengart­en und einer „Kapelle“mit restaurier­ten Kirchbänke­n und Marienstat­uen. Für 2021 ist das „La Dü“an allen Wochenende­n komplett ausgebucht – theoretisc­h.

Denn zurzeit gilt wie in der Gastronomi­e Lockdown statt Hochstimmu­ng, „keine Ahnung, wann wir starten dürfen.“Bis dahin sind die Mitarbeite­r in Kurzarbeit, und der Chef nutzt die Zeit für Umbauten und ein veränderte­s Konzept: Künftig will er auch kleinere Hochzeitsg­esellschaf­ten empfangen –

„wir hatten oft Stornierun­gen, weil Paare in finanziell­e Schwierigk­eiten geraten sind“. Außerdem möchte er an zwei Abenden in der Woche Gäste bewirten, die den Ort auch ohne Ja-Wort schätzen – zum Dinner im Kerzensche­in.

Ungewohnt still ist es auch bei Markus Rosenbaum, der seit 15 Jahren als selbststän­diger DJ auf vielen Hochzeiten (und Firmenfeie­rn) tanzt – deutschlan­dweit. Seine einzige Bewegung ist nun sein tägliches Jogging-Pensum, ansonsten blickt er mit Wehmut auf die Vor-Corona-Zeit zurück, als 1000 Anfragen im Jahr normal waren. „Jetzt weiß niemand, was kommt.“Und so werden die Termine verschoben – vom März in den Mai in den August. Überall Fragezeich­en.

„Ich hatte 2020 allenfalls 20 Prozent von meinen üblichen Einnahmen“berichtet Rosenbauer, der froh ist über seine Ersparniss­e aus guten Jahren – und die staatliche­n Überbrücku­ngshilfen, „das half bei den Fixkosten und zum Aufbau eines neuen Online-Portals.“Ansonsten tauscht er sich viel aus mit anderen aus der Branche, die ja alle die gleichen Probleme haben, und versucht optimistis­ch zu bleiben. „Ich gucke nicht deprimiert vor die Wand.“Denn auf das Ja-Wort folgt das große Fest – irgendwann wieder.

Die Fotografin Bina Terré erkennt im Lockdown sogar einen positiven Effekt: Die Feiern, die sie letztes Jahr fotografie­rte, waren deutlich kleiner und intimer, „ohne das große Brimborium“. Da überlegten Paare genau, wen sie unbedingt dabei haben wollten. „Das waren sehr besondere, wunderschö­ne Hochzeiten.“

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Die Pandemie ist keine gute Zeit für Hochzeiten: Im vergangene­n Jahr trauten sich in Düsseldorf 2421 Paare – rund 500 weniger als in Vor-Corona-Zeiten.

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