Wenn das Zuhause ein Hotspot ist
Maria Beck spricht für eine Bürger-Allianz, die die Lebenskultur in der Stadt steigern will und keine Lust mehr hat auf Autotuner, Ruhestörer und Wildpinkler entlang der Rheinuferpromenade. Das Wochenende wird spannend.
ALTSTADT Die Sprechtrainerin Maria Beck (62) lebt seit fünf Jahren wieder in der Stadt, in der sie geboren wurde. An unbeschwerte Zeiten kann sie sich erinnern, an Jahrzehnte, die selbst in der Düsseldorfer Altstadt verhältnismäßig gesittet abliefen. Doch seit gut drei Jahren ist es damit vorbei, wie sie bei einem Spaziergang am Rheinufer berichtet. „Früher war die Rheinuferpromenade unser aller Terrasse“, sagt sie. „Doch die macht schon lange keinen Spaß mehr, besonders bei schönem Wetter wie jetzt in den vergangenen Tagen.“
Die angenehme und gelassene Boule-Szene sei verschwunden – Altstädter und andere Düsseldorfer warfen mal entlang der Rheinuferpromenade auf dem Sandweg unter den Bäumen zwischen Fußgängerund Radweg die Kugeln. Eine gewisse Unbeschwertheit sei längst der Angst gewichen. Ihr schlimmstes Erlebnis liegt noch gar nicht so lange zurück: „Da bat ich Jugendliche, mit dem Krawall vor meiner Haustüre in der Carlstadt aufzuhören. Die beschimpften und bedrohten mich. Das war schockierend.“
Schockierend ist für die Ur-Düsseldorferin, die als Tochter eines Bäckers in der Landeshauptstadt aufwuchs, auch die jüngste Entwicklung. Mit Entsetzen reagierte sie im Namen der Initiative Lebenskultur Düsseldorf auf die Menschenmassen an der Rheinuferpromenade am vergangenen Wochenende – die Bürger-Allianz will eine Stimme sein, für alle engagierten Bürger in der Stadt. Von einem „verheerenden Geschehen“spricht Beck. Erst kürzlich gab es ein richtungsweisendes Gespräch zwischen ihr und führenden Bezirksvertretern. „Ich habe alle Hotspots mit ihren individuellen und übergeordneten Themen bewusst gemacht.“
Die Probleme sind schon länger bekannt, richtig hoch kochte es im vergangenen Sommer durch die Corona-Krise
und die geschlossenen Clubs. Durch den zweiten Lockdown und das schlechte Wetter gab es für die Anwohner nahe dem Altstadt-Rheinufer eine kurze Auszeit von den Problemen. Doch nun sind die Herausforderungen wieder da und scheinen dringlicher denn je. Aggressives Verhalten, Drogenhandel, Sex auf der Straße, Krach durch portable Musikboxen, Wildpinkler – diese Themen liegen der Initiative am Herzen. Laut offiziellen Stellen kommen gut 70 Prozent der Besucher, die dafür verantwortlich sind, aus dem Umland. Dass es dabei nicht corona-konform zugeht, ist ein weiteres Problem.
Bei einem kleinen Rundgang macht Beck das Anliegen der Initiative griffig. „Wir wünschen uns nette Geselligkeit, dass wir uns alle mit Respekt behandeln.“Aber das, was stattfindet in der City, das ginge so eben nicht weiter. Längst hat sich die Initiative sortiert in Organisationsteams, wie Beck beschreibt. Der Horionplatz ist ein Hotspot, der Stiftsplatz und die Lambertusstraße auch, die Mühlenstraße und der Bereich um die Reuterkaserne, das Mannesmannufer und das Areal Fürstenwall und Fürstenplatz. Auch die grüne Insel an der Poststraße neben dem Park des Stadtmuseums habe sich mittlerweile zu einem Hotspot entwickelt. Sie und ihre Mitstreiter in der Bürger-Allianz haben insgesamt für Düsseldorf einen Bereich im Blick, der an der Oberkasseler Brücke beginnt und bis zum Fürstenwall reicht. Frank Hermsen von der Altstadtgemeinschaft ist ebenfalls in der Initiative aktiv.
Viele Themen würden derzeit diskutiert: Videoüberwachung für Orte wie den Stiftsplatz, Lichtkonzepte,
Messerverbotszone, Flaschenverbot, Sperrstunde. „Wir hoffen nicht, dass es zur Sperrzone kommt, aber vielleicht wäre das eine sinnvolle Lösung, auch wenn es sicher keine Ideallösung für die Gastronomie ist“, sagt Beck. „Zufahrtsbeschränkungen an allen Hotspots sind eine Idee, um die Auto-Poser-Szene in den Griff zu bekommen.“Mit der Polizei und dem Ordnungsamt ist die Bürgerinitiative laut Beck in einem sehr guten Dialog – für sie wünscht sie sich eine Aufstockung des Personals. Es gibt noch weitere Anregungen: „Sozialarbeiter sollten eingesetzt werden, um Gespräche mit den zumeist jungen Menschen an der Rheinuferpromenade zu führen. In Mannheim war außerdem die Etablierung eines Nachtbürgermeisters, der sich um die Partyszene der Stadt kümmert, sehr erfolgreich.“Mehr Pissoirs müssten aufgestellt werden, und zwar kostenfreie.
Am Donnerstag leitete Beck an ihre Mitstreiter eine Pressemitteilung der Stadt zu den aktuellen Maßnahmen weiter, die seit Freitagnachmittag und noch bis Sonntagnacht gelten. Unter anderem wird die Zufahrt zum Mannesmannufer gesperrt. Zudem gibt es ein Verweilverbot an der Rheinuferpromenade – dieses betrachtet Beck mit gemischten Gefühlen. Als kurzfristige Maßnahme mag das in ihren Augen sinnvoll sein – besonders in Corona-Zeiten. „Aber wir wollen ja der Gastronomie nicht schaden.“Ihr und ihren Mitstreitern gehe es vor allem um die Idee der Lebenskultur, „von der alle profitieren und die allen am Herzen liegt“. Den Mitgliedern der Bürgerinitiative wünschte sie für das Wochenende noch das: „Starke Nerven.“