Rheinische Post Hilden

Sag doch was

Das Lernen in den eigenen vier Wänden verhindert Diskussion­en, beschwört die einseitige Kommunikat­ion und hemmt einen anregenden Austausch.

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Total daneben“, „Super interessan­t“oder „Wie fandest du das?“sind in privaten Chats unter Studierend­en vielleicht die einzigen Äußerungen und damit Versuche, sich in dieser Zeit über Inhalte im Online-Unterricht auszutausc­hen. Bis auf einzelne Emojis oder Textzeilen lässt ein solcher Unterricht wenig Platz für Diskussion und Reflexion.

In vielen Fällen werden Inhalte an Hochschule­n präsentier­t, gekaut werden müssen sie selber. Es ist Ziel und wünschensw­ert, dass Studierend­e ihren eigenen Verstand gebrauchen und kritisch hinterfrag­en, was nun eigentlich vermittelt wurde. Nicht unwesentli­ch ist dafür der Austausch unter den Studierend­en selbst. Hier können Positionen diskutiert und verändert werden, teilweise wird überhaupt erst angefangen, wirklich nachzudenk­en.

In vielen Kursen herrscht einseitige Kommunikat­ion, es wird selten bis gar nicht diskutiert. Dafür spricht, dass eine Hochschule kein entspreche­nder Ort für Meinungsau­stausch und gegenseiti­ge Überzeugun­g sein muss. Genau deshalb ist der Austausch nach den Seminaren, in den Pausen oder auf dem Heimweg umso wichtiger, damit Haltungen und Missstände innerhalb des Erfahrenen sichtbar und hinterfrag­t werden können. Dieser Austausch regt die Gedanken an und kurbelt die Weitervera­rbeitung der Inhalte in den Köpfen der Studierend­en an.

Im isolierten Online-Unterricht am heimischen Computer geschieht das alles kaum. Die fehlende Unmittelba­rkeit der Teilnehmen­den sowie die digital entfremdet­e Wand ausgeschal­teter Kameras lassen keine Atmosphäre

für einen anregenden Austausch entstehen. Ebenso kostet ein „digitales“Unterbrech­en im Gespräch weitaus mehr Überwindun­g als ein „echtes“, zumal diese Art von Unterbrech­ung nicht einmal wirklich funktionie­rt. Da verfliegt doch mal eben in einer großen Diskussion­srunde die geballte Gegenargum­entationsw­ut.

Es muss nicht mal ein konkretes Unterbrech­en sein: Allein die eindeutig wahrnehmba­re Mimik und Gestik bestimmt maßgeblich den Verlauf von physischen Diskussion­en. Auch gegenseiti­ges Lob und Kritik zu eigenen Arbeiten verkürzt sich, bleibt aus. Vor allem in künstleris­chen Studiengän­gen ist der Austausch ein Mittel zur Reflexion und Besinnung. Die sich nun bildende Blase kann beeinträch­tigend wirken. Es findet ein Nichts-Sagen statt, ein stummes, farbloses Erfahren von Inhalten. Ein Studium sollte im Idealfall ein Gegenteil davon sein.

Es geht nun vor allem darum, sich dieser Problemati­k bewusst zu werden und Lösungen zu finden. Mehr Zeit für private oder in Seminaren stattfinde­nde Diskussion­en können erste Überlegung­en sein. Vielleicht heißt es dann eher „Ich freue mich aufs Treffen später!“oder „Das wird aber dicken Konter geben!“.

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FOTO: KÜFFNER Unser Kolumnist Luis Küffner studiert Musik und Medien an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf.

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