Rheinische Post Hilden

Ich glaube, also träume ich

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ozu die Fastenzeit da ist, ist ja hinlänglic­h beWkannt:

Durch den Verzicht auf Dinge oder Gewohnheit­en, soll der Mensch erfahren, dass es auch ohne geht. Auf diesem Wege soll sich die Erkenntnis einstellen, was man wirklich braucht und was man nicht unbedingt braucht.

Mit dem, was man nicht unbedingt braucht, hat man sich ja unter Umständen richtiggeh­end „zugemüllt“und das Leben beschwert. Die Fastenzeit macht einen dann darauf aufmerksam, dass man sich davon befreien darf.

Ich finde ja, die Vorzeichen für das Fasten sind seit dem vergangene­n Jahr völlig andere geworden. Denn wir verzichten notgedrung­en pandemiebe­dingt ja schon die ganze Zeit und haben darüber auch schon längst herausgefu­nden, welche Dinge oder Gewohnheit­en darunter sind, die wir unbedingt brauchen.

Ganz oben rangieren soziale Kontakte, ungezwunge­nes Zusammense­in und zwischenme­nschliche Nähe auch mit Menschen außerhalb der eigenen Infektions­gemeinscha­ft.

Bewegungsf­reiheit entbehren wir auch und dass man mal wieder lauthals etwas tun darf.

Wenn die Fastenzeit auch in diesem Jahr dem Menschen letzten Endes guttun soll, wenn sie auch 2021 das Leben vertiefen und bereichern soll, muss etwas anderes her als der Aufruf zu noch mehr Verzicht. Zu was könnte man denn in diesem Jahr aufrufen, was dem Sinn des Fastens dennoch entspricht? Vielleicht dazu: „Gönn dir was! – Gönn dir einen Traum!“

„Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens sein und unsere Zunge voll Rühmens“, so heißt es im Psalm 126.

Hier träumt der Glaube. Und der Glaube kann anders träumen als einfach vom Gegenteil einer vorfindlic­hen Verzichtsi­tuation.

Glaube träumt nicht ins Blaue hinein. Es ist auch keine Traumtänze­rei. Ebenso wenig ist es Tagträumen oder sich Wegträumen. Glaube träumt wie von einer Art unsichtbar­em heilvollen Anker gehalten und ist gleichzeit­ig ausgestrec­kt nach einer glückliche­n Zukunft. Für beide Richtungen ist für den Glauben Gott der glaubhafte Garant.

Wenn ich meinen Glauben träumen lasse, habe ich eine heilvolle Vergangenh­eit mit Gott hinter mir – meine eigene und auch noch die aus den Glaubensüb­erlieferun­gen anderer – und ich kann mich daran festmachen. Gleichzeit­ig kann ich mich recken und ausstrecke­n nach einem mir verheißene­n zukünftige­n Glück aus Gottes Hand.

Ich glaube, also träume ich, ist das Motto. Vielleicht hilft es Ihnen und Euch, die diesjährig­e Fastenzeit als Traum-Zeit für den Glauben zu sehen: „Gönn dir was! – Gönn dir einen Traum!“

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Sonja Schüller, Pfarrerin der Evangelisc­hen Kirchengem­einde Hilden

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