Rheinische Post Hilden

Reiche haben es auch nicht leicht

Im Züricher „Tatort“geht es auf den Millionärs­hügel – auch dort gibt es soziale Probleme.

- VON MARTINA STÖCKER

ZÜRICH Wer in der Schweiz mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wird, der hat ein „Schoggiläb­e“– ein Schokolade­nleben. Und das sogar im doppelten Sinn, wenn man Hans-Konrad Chevalier heißt und Spross einer Chocolatie­r-Familie ist. Leicht hat er es auf dem Zürichberg, dem Millionärs­hügel der größten Schweizer Stadt, trotzdem nicht: Die Verwandten haben seine Homosexual­ität nie akzeptiert. Seine Tochter, die aus dynastisch­en Gründen gezeugt worden war, wurde von ihm ferngehalt­en. Chevalier ist depressiv, seine Mutter sieht in ihm einen Schwächlin­g, und mit der Firma geht es auch bergab.

Dann wird er eines Tages angeschoss­en und erschlagen in seinem Wohnzimmer gefunden. Die Trauer um ihn hält sich in Grenzen. Die Tochter will das Unternehme­n neu aufstellen, die Mutter spricht

von einer „Erleichter­ung“– Gefühlskäl­te deluxe, die Reichen haben auch ziemliche Probleme. Die illegal beschäftig­te Haushälter­in, die keine Aufenthalt­sberechtig­ung hat, ist verschwund­en – was sie natürlich verdächtig macht. Zudem hat Chevalier vor seinem Tod einem mysteriöse­n Unbekannte­n in einem Hotel eine schwarze Tasche hinterlegt. Für die Züricher Ermittleri­n Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und ihre Partnerin Tessa Ott (Carol Schuler) gibt es genügend lose Enden zum Zusammenkn­üpfen.

Dabei haben beide private Probleme. Für Tessa Ott ist es eine Rückkehr in ihre Kindheit. Sie ist auf dem Millionenh­ügel aufgewachs­en und aus ihrer reichen Familie ausgebroch­en, um ein anderes Leben

zu führen. Isabelle Grandjean, die aus der französisc­hsprachige­n Schweiz stammt, hadert mit Zürich und fühlt sich dort nicht wohl. Außerdem kommen die beiden Frauen nicht gut miteinande­r aus. Das Tischtuch scheint zerschnitt­en, als Tessa Ott in einer bedrohlich­en Situation nicht in der Lage ist, die Waffe zu ziehen und zu schießen. Bei seinem Debüt kassierte das „Tatort“Duo schon Häme, weil Grandjean ihr Schulterho­lster falsch herum trug. So wäre es ihr unmöglich gewesen, ihre Waffe zu ziehen.

Auch in ihrem zweiten Fall gibt es eine handwerkli­che Schwäche. Grandjean spricht Französisc­h als Mutterspra­che, mit ihrem Sohn aber

Deutsch. Und als sie ihre Kollegin auffordert, auf einen Angreifer zu schießen, spricht sie authentisc­herweise Französisc­h. Übersetzt wird nichts. Und als die Spur zu einem ungarische­n Prostituie­rten führt, wird das Verhör auf Ungarisch und Deutsch mit Dolmetsche­rin geführt. Die deutschen Fragen werden vom Verdächtig­en immer verstanden, er spricht einzelne deutsche Sätze, dann seine Mutterspra­che, der Rest in Ungarisch wird übersetzt. Völlig lebensfrem­d und filmerisch inkonseque­nt umgesetzt.

Die Schweizer Filmemache­rin Viviane Andereggen („Simon sagt auf Wiedersehe­n zu seiner Vorhaut“) arbeitet mit interessan­ten Perspektiv­en,

die einen jedoch noch etwas ratlos zurücklass­en. So sprechen beide Protagonis­tinnen sowie Staatsanwä­ltin Anita Wegenast (Rachel Braunschwe­ig) in jeweils einer Szene frontal den Zuschauer an und reden über das Leid der Obdachlose­n, ein Geburtstag­sgeschenk zugunsten von Amnesty Internatio­nal und – in Tessa Otts Fall – über die Abstammung aus einer der reichsten Familien des Landes.

So ganz angekommen ist der Zuschauer in Zürich nicht. Aber er befindet sich ja auch noch in der Kennenlern­phase.

„Tatort: Schoggiläb­e“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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FOTO: SAVA HLAVACEK/ARD DEGETO/SRF/DPA Kommissari­n Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher, r.) und ihre Kollegin Tessa Ott (Carol Schuler) kommen in ihrem Fall „Schoggiläb­e“nicht besonders gut miteinande­r klar.

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