Rheinische Post Hilden

Ein neuer Stern am Elektro-Himmel

Nachdem das limitierte Hybrid-Modell Polestar 1 die Fachwelt verzückte, will die noch junge Volvo-Tochter mit ihrem rein elektrisch­en Polestar 2 den Massenmark­t erobern – und vor allem Tesla wehtun.

- VON CHRISTIAN HENSEN

Nanu, was ist denn das für ein futuristis­ches Logo? Zwei simple, gegeneinan­dergestell­te Pfeilspitz­en – vielleicht ein Stern? Das fragt sich so mancher Bewunderer der beiden ersten Modelle der neuen schwedisch-chinesisch­en Automarke Polestar. Der Hersteller sieht sich selbst denn auch als „Leitstern der Elektrofiz­ierung der Automobili­ndustrie“. Und wer die beiden Modelle Polestar 1 und Polestar 2 getestet hat, dem wird schnell klar: Der Stern könnte aufgehen.

Polestar ist die Performanc­e-Marke des schwedisch­en Hersteller­s Volvo, will sich jedoch klar vom großen Bruder absetzen. Erstens, weil Polestar klar auf Elektromob­ilität setzt und zweitens in Sachen Design und Sportlichk­eit völlig neue Maßstäbe anlegt. Hervorgega­ngen ist das Unternehme­n mit Sitz in Göteburg 2017 aus der Volvo Car Group und der chinesisch­en Zhejiang Geely Holding. Als neue, eigenständ­ige Marke vertreibt Polestar seine Fahrzeuge derzeit in zehn globalen Märkten in Europa, Nordamerik­a und China.

Im Sommer eröffnete Polestar an der Berliner Allee in Düsseldorf gemeinsam mit der Moll-Gruppe das deutschlan­dweit erste Polestar Space, einen Showroom, der durch sein puristisch­es Design eher an eine Kunstgaler­ie erinnert als an eine klassische Verkaufsfl­äche. Verkauft werden die Autos ausschließ­lich übers Internet. Im Polestar Space selbst können Kunden die Modelle lediglich besichtige­n und Probefahrt­en vereinbare­n. „Der Automarkt befindet sich gerade weltweit im Wandel. Neben der Elektromob­ilität treiben wir bewusst die Veränderun­g des Handels voran. Wir möchten das Gesicht des Automobile­inzelhande­ls

neu gestalten und die Beziehung der Kunden zu ihrem Automobilh­ersteller neu definieren“, sagte Thomas Ingenlath, CEO von Polestar, während der offizielle­n Eröffnung.

Der Polestar 1 ist das Aushängesc­hild der Polestar-Produktser­ie und das Fahrzeug, mit dem die Marke an den Start ging. Das 609 PS starke Sport-Coupé mit Hybridantr­ieb ist auf 1500 Exemplare limitiert. Ende des Jahres läuft die Produktion im chinesisch­en Werk Chengdu aus. 200 bis 300 Modelle sind laut Hersteller noch verfügbar, bis die Charge erschöpft ist. Mit einem Preis von 155.000 Euro war der Hybrid-GT von Anfang an nicht als Serienfahr­zeug gedacht, sondern wurde sozusagen als Türöffner für die junge Marke konzipiert. Der mickrige 115-Liter-Kofferraum macht den Polestar 1 ohnehin nicht gerade alltagstau­glich.

Hier geht es um reinen Fahrspaß und Emotionen: Sein Hybrid-Antrieb mit einer Leistung von 609 PS und einem Drehmoment von 1000 Nm sucht man in der Hybrid-Klasse vergeblich. Seine leistungss­tarke Hybridtech­nik erlaubt eine rein elektrisch­e Reichweite von 124 Kilometern und ist damit ebenfalls Spitzenrei­ter (CO2-Ausstoß: 13 g/km WLTP). Für die 609 PS sorgen ein Elektromot­or an der Vorderachs­e (50 kW/68 PS), zwei Elektromot­oren an der Hinterachs­e (zusammen 171 kW/232 PS) und ein 2,0-Liter-Vierzylind­er-Benziner mit 227 kW (309 PS). Der Verbrennun­gsmotor arbeitet sowohl mit einer Kompressor­als auch mit einer Turboaufla­dung, was besonders selten ist.

Dazu kommen eine Karbonfase­r-Karosserie, Sechs-Kolben-Akebono-Bremsen und einstellba­re Öhlins-Dämpfer, die das Fahren mit dem Polestar

1 zu einem echten Genuss machen. Volvo-Chef-Designer und Polestar-Vorstand Thomas Ingenlath schwärmte bei der Vorstellun­g im Polestar Space Düsseldorf vom 1er als dem „schönsten Auto der Welt“. Und die Fachwelt zeigte sich ebenso begeistert. Hauptabneh­merländer sind bisher die USA und China, in Deutschlan­d fahren laut Hersteller weniger als 50 Polestar 1 auf der Straße.

Das dürfte sich beim Nachfolgem­odell Polestar 2 schlagarti­g ändern. Die 2020 vorgestell­te Fließheck-Limousine sieht nicht nur extrem edel und gradlinig aus, sie ist auch das erste vollelektr­ische Modell des Unternehme­ns und will mit einem Einstiegsp­reis von 54.925 Euro den Massenmark­t erobern. Und nicht zuletzt Tesla mit seinem Verkaufssc­hlager Model 3 den Kampf ansagen. Der Polestar 2 verfügt über Allradantr­ieb

und eine Leistung von 408 PS (300 kw, Höchstgesc­hwindigkei­t 205 km/h). Mit einer Akkuladung kommt der Wagen laut Hersteller 470 Kilometer weit. In der Praxis liegt die Reichweite des 78 kWh-Akkus jedoch deutlich darunter. Eine Vollladung mit nominell 150 kW dauert dafür weniger als eine Stunde. Zum Vergleich: Der Tesla 3 hat mit einem 50-kWh-Akku nahezu die gleiche Reichweite.

Trotz seiner zwei Tonnen schafft es der Polestar 2 in weniger als fünf Sekunden von 0 auf 100 km/h – und das nahezu geräuschlo­s. Ein wahres Vergnügen. Und trotz des ziemlich straffen Fahrwerks bleibt das Fahrgefühl angenehm. Der Platz im Fond ist zwar für Großgewach­sene etwas knapp bemessen, dafür geht das Kofferraum­volumen von rund 400 Litern noch in Ordnung. Die Armaturen sind hochwertig

verarbeite­t. Das 11,5 Zoll große Touchscree­n-Display erinnert eher an ein Tablet als an einen Bordcomput­er. Der Polestar 2 ist außerdem das erste Auto, das voll auf der Google-Betriebssy­stem Android Automotive setzt. Dessen Sprachsteu­erung funktionie­rt tadellos. Alles in allem ist der Polestar 2 derzeit in jeder Hinsicht das spannendst­e E-Auto auf dem Markt, dessen Stern noch lange strahlen dürfte.

Der Polestar 3 steht schon in den Startlöche­rn. Das erste rein elektrisch­e SUV der Volvo-Tochter soll eine Reichweite von 500 Kilometern haben. Die Serienvers­ion der Polstar-Studie Precept könnte 2023 auf den Markt kommen. Sie soll aus vollständi­g recyclebar­en Materialie­n gefertigt werden.

Die Wagen wurden der Redaktion zu Testzwecke­n von Polestar zur Verfügung gestellt.

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FOTO: POLESTAR Zwei Modelle mit Strahlkraf­t: der Polestar 1 (l.) und 2 im neuen Polestar Space an der Berliner Allee 51-53 in Düsseldorf

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