Rheinische Post Hilden

Neue Zweifel an Serbiens Corona-Statistik

- VON THOMAS ROSER

BELGRAD Selbstbewu­sst geizen Serbiens nationalpo­pulistisch­e Machthaber in der Corona-Krise mal wieder nicht mit Eigenlob. „Wir haben die mit Abstand niedrigste Todesrate, die geringste Zahl von Neuinfizie­rten und testen am meisten Bürger von allen Staaten in der Region,“behauptete Serbiens Gesundheit­sminister Zlatibor Loncar Mitte Februar stolz: „Und was die Impfungen angeht, sind wir der führende Staat in Europa.“Nicht alle, aber den Großteil seiner Behauptung­en hat das Portal „instinomer.rs“beim Vergleich mit den Corona-Statistike­n der Nachbarsta­aten als falsch entlarvt. Inzwischen steigen Serbiens Infektions­zahlen zwar ohnehin wieder steil. Doch die offizielle­n Todeszahle­n bleiben mit rund 15 Opfern bei über 3000 Infizierte­n pro Tag auffällig niedrig. Beim Vergleich mit anderen Staaten könne man den Eindruck erhalten, dass Serbien „die Medizin gegen das Virus gefunden hat, das den Planeten geschwärzt hat“, ätzt das Portal „nova.rs“: „Etwas ist faul an den Corona-Todeszahle­n in Serbien.“

Tatsächlic­h sind auf der Website der Regierung „covid19.rs“seit Beginn der Epidemie insgesamt nur 4429 Todesfälle bei offiziell 456.450 Infizierte­n registrier­t: Serbiens

offizielle Todesrate von 0,97 Prozent beträgt damit weniger als ein Drittel des deutschen Werts (3,02 Prozent). Während sich Belgrad mit einer sehr niedrigen Todesrate brüstet, ist die Zahl von über 100 an Covid-19 verstorben­en Ärzten im Balkanstaa­t selbst im Vergleich zu den Nachbarn auffällig hoch. Serbiens Todeszahle­n seien „völlig unrealisti­sch“, sagt der Epidemiolo­ge Zoran Radovanovi­c: „Unseren Statistike­n sollte man nicht glauben. Sie sind die ganze Zeit frisiert.“

Tatsächlic­h hatte das Webportal „Balkaninsi­ght“schon im vergangene­n Sommer enthüllt, dass die Todeszahle­n vor der Parlaments­wahl im Juni gezielt vertuscht wurden: Die offizielle­n verkündete­n Zahlen lagen bei nur einem Drittel der Zahl der staatliche­n Covid-19-Datenbasis, die dem Portal zugespielt worden war. Belgrad wies den Vorwurf von frisierten Statistike­n damals empört zurück. Doch später räumte selbst ein Krisenstab­s-Epidemiolo­ge ein, dass allein in Belgrad im Sommer dreimal mehr Covid-19-Patienten starben als vermeldet. Nicht nur die sprunghaft vermehrten Todesanzei­gen und die Sonderbest­attungssch­ichten der Friedhöfe nähren den Verdacht, dass auch bei Serbiens Infektions­welle im Winter kräftig an den Statistike­n geschraubt worden ist.

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