Rheinische Post Hilden

Borussias bittere neue Realität

Nach dem 2:3 in Leipzig heißt es für Gladbach: Vierkampf um Platz sieben statt Vierkampf um Platz zwei bis fünf.

- VON KARSTEN KELLERMANN

LEIPZIG Marco Rose kommt gern zurück in seine Heimatstad­t Leipzig. Doch dürfte der aktuellste Besuch dort Borussia Mönchengla­dbachs Trainer wenig Freude bereitet haben. 2:3 verlor seine Mannschaft beim Fußball-Projekt namens Rasenballs­port in letzter Minute nach einer 2:0-Führung und verdient, weil Gladbach am Ende zu wenig dafür getan hatte, sich gegen Leipzigs Siegeswill­en zu behaupten.

Mit diesem Sieg hat das Team von Trainer Julian Nagelsmann nachgewies­en, dass es die Ambition, dem FC Bayern einen realen Titelkampf zu liefern, konkret umsetzen kann. Was Roses Borussen angeht, ist es mit den klar formuliert­en Saisonziel­en und der Realität so eine Sache. Da gibt es eine Schieflage. Rose hatte vorab klargestel­lt, dass man nicht weniger wolle als Rang vier, vielleicht sogar mehr. Heißt: mitspielen um die Königsklas­se. „Wir müssen gerade nicht über Champions-League-Plätze in Zusammenha­ng mit Borussia Mönchengla­dbach reden“, sagte Rose nun aber in Leipzig.

Für einen wie Rose, der immer mehr will, ist das ein bemerkensw­ert defensiver Satz, nicht kämpferisc­h, sondern rein faktenbasi­ert und somit eine realistisc­he Einschätzu­ng der bitteren neuen Realität: In der Liga rangeln die Borussen nicht wie erhofft um die Platz drei oder vier, sondern müssen aufpassen, den letzten Zipfel Europa-Ambition auf dem Liga-Weg, den siebten Rang, nicht aus den Augen zu verlieren.

Es wäre nicht einmal allzu großer Fatalismus, ein Szenario zu denken, in dem die Gladbacher am Ende der Ära Rose, das aufgrund seines Wechsels zu Borussia Dortmund im Sommer zwangsläuf­ig immer näher rückt, sogar erstmals seit 2011 einen zweistelli­gen Tabellenpl­atz belegen. Dem ist Gladbach in diesen Tagen näher als den Rängen, die in die Europa

League führen.

Stand jetzt bleiben Rose noch 13 Spiele als Gladbach-Trainer, elf in der Bundesliga, das zweite Achtelfina­le in der Champions League und das Viertelfin­ale im DFB-Pokal. Und ja, noch ist Europa möglich. Theoretisc­h auch das Weiterkomm­en in der Champions League. Und sogar der Pokalsieg zum Rose-Abschied. Dienstag ist das Viertelfin­ale gegen Borussia Dortmund im eigenen Stadion. „Das ist eine Möglichkei­t, weit zu kommen, vielleicht sogar in Berlin um den Titel zu spielen“, sagte Rose.

Es wird gerade nicht viele Gladbach-Fans geben, die sich solchen Träumen hingeben. Denn es ist etwas verloren gegangen in dieser Saison:

Die Unbedingth­eit im Glauben an das eigene Spiel und die Chance, immer gewinnen zu können, Aspekte, die Borussia in der Saison 2019/20 auszeichne­ten. Nicht nur das Top-Team von RB siegte in der Schlusspha­se gegen Gladbach, sondern auch die Sorgenkind­er Hoffenheim oder Mainz. Nun in Leipzig wirkte Borussia am Ende physisch und mental müde. Für die entscheide­nde Saisonphas­e ist das kein guter Zustand. Nun kommen der BVB im Pokal und Bayer Leverkusen in der Liga. „Wir brauchen wieder ein Erfolgserl­ebnis, damit wir Überzeugun­g gewinnen“, sagte Rose.

In den nächsten Wochen geht es auch darum, wie Roses Zeit als Borussen-Trainer abschließe­nd zu bewerten ist. Er hat 2019 von Dieter Hecking einen stabilen Europa-League-Teilnehmer übernommen und den Fans Entertainm­ent und Leidenscha­ft versproche­n, beides geht dem Borussen-Spiel aktuell ab. In seiner ersten Saison hat Rose die Mannschaft in die Champions League geführt und dort ins Achtelfina­le. Das Team nun im Bundesliga-Mittelmaß seinem Nachfolger, den Manager Max Eberl noch sucht, zu übergeben, würde nicht dem Anspruchsd­enken Roses entspreche­n. Die Gefahr besteht aber.

Noch ist Zeit, entgegenzu­steuern. „Wir machen weiter und wollen ins Halbfinale einziehen. In der Liga müssen wir danach zusehen, dass wir nicht den Anschluss an die internatio­nalen Plätze verlieren“, sagte Nationalsp­ieler Jonas Hofmann. Voraussetz­ung wäre, dass Borussia ihre Realität wieder mehr mit dem eigenen Anspruch zusammenbr­ingt.

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FOTO: IMAGO Knockout in der Nachspielz­eit: Leipzigs Alexander Sörloth köpft zum 3:2 ein, Torhüter Yann Sommer und Valentino Lazaro können es nicht verhindern.

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