Rheinische Post Hilden

Wie es Deutschen auf Mallorca geht

Die Balearen-Insel gilt derzeit nicht als Corona-Risikogebi­et. Die Flieger dorthin sind voll. Doch wie sieht es vor Ort aus? Die Folgen der Krise sind vielerorts sichtbar. Erkundunge­n auf der Lieblingsi­nsel der Deutschen.

- VON HANS ONKELBACH

PALMA In der Sonne mehr als 20 Grad, blauer Himmel, vom Meer eine sanfte Brise, ein Glas Weißwein, auf dem Teller ein paar Tapas – die ersten Touristen, die nach vielen Monaten des Lockdowns auf der spanischen Insel ankommen, genießen das, was sie gern als Mallorca-Feeling beschreibe­n. Aber die Stimmung ist keinesfall­s entspannt, es herrscht ein Mix aus froher Erwartung, Hoffnung und Angst vor einem erneuten Rückschlag.

Ein Inzidenzwe­rt von durchschni­ttlich 21 wurde zuletzt errechnet, mehr als 50 Kommunen zwischen Formentor im Norden und Palma im Süden haben seit vielen Tagen einen Wert von null. Konsequent­erweise wurde die Insel aus deutscher Sicht herabgestu­ft – sie ist kein Risikogebi­et mehr. Umgekehrt ist das anders – für die Balearen sind Touristen aus Deutschlan­d womöglich gefährlich, denn die Werte dort sind viel höher. Einreisend­e müssen einen negativen Corona-Test vorweisen, der nicht älter als 72 Stunden sein darf.

An der Anzeigetaf­el am Flughafen wurden diese Woche unter „Arrivals“

24 Flüge aufgeliste­t – für einen ganzen Tag. Normalerwe­ise landen so viele Jets in einer Stunde. Aber kurz vor Ostern ist auf Mallorca nichts normal. Schon bei der Einreise sei die Lage gespenstis­ch, erzählt Cornelia Natus (52). Die Münchnerin, seit Jahren immer wieder auf der Insel, ist mit einer Freundin angereist – und sah das gänzlich ungewohnte Bild eines einzigen, einsam kreisenden Gepäckband­es. Wo es sich früher drängelte, ist heute nichts los. Zwar wie erwartet, aber dennoch bedrückend.

Natus ist im ausgebucht­en Flieger angereist und fühlte sich bei der Ankunft profession­ell betreut. Der in Deutschlan­d absolviert­e Corona-Test wurde kontrollie­rt, per Sensorente­chnik die Temperatur gecheckt, um eventuelle Fieberfäll­e zu entdecken. Alles sehr disziplini­ert, auch weil es wenig Andrang gab.

Das wird sich schnell ändern. Eurowings hat angekündig­t, über Ostern 300 zusätzlich­e Flüge aus Deutschlan­d auf die Balearen anzubieten und das Angebot weiter auszubauen. Obwohl die Preise noch vergleichs­weise hoch sind, gingen die Buchungen seit dem neuen Status der Insel steil nach oben.

Rainer Lieversche­idt, der seit vier Jahren sein kleines Finca-Hotel „Sa Fuente“mit fünf Zimmern nahe Felanitx im Osten der Insel betreibt, hat es live erlebt: „Bei uns gingen an diesem Tag ab dem frühen Morgen Schlag auf Schlag die Anfragen ein, über Ostern sind wir ausgebucht.“Er hat, wie andere Gastronome­n auch, eine harte Zeit hinter sich. Seit Monaten ist er ohne Gäste, und so musste der Musiker, Koch und Lebensmitt­elfachmann neue Einnahmequ­ellen finden. Er bot Grillkurse an und verdingte sich als Koch in privaten Haushalten.

„Einmal habe ich für einen Kölner Kaufmann und seine Freunde gekocht, der hatte sich gerade für 16 Millionen eine Finca gekauft und hat das gefeiert.“So etwas war zuletzt nicht mehr erlaubt, die Spanier mussten mit strengen Regeln leben. Kochkurse, private Besuche, Restaurant­s, Bars – alles wurde eingeschrä­nkt oder ganz geschlosse­n.

Jörg Klausmann ist vor 21 Jahren aus dem Südschwarz­wald auf die Insel gekommen. Er hat mit allen Mitteln gekämpft, nachdem er sein Restaurant Mirador de Cabrera bei Santanyi ganz im Südosten Mallorcas schließen musste. Nun darf er seine Terrasse öffnen, jedenfalls tagsüber, und kommende Woche auch drinnen Gäste bedienen. Aber nur an 30 Prozent der möglichen Plätze. Für ihn ist das ein Unding, denn dafür müsste er mehr Personal aus der spanischen Variante der Kurzarbeit holen, und deren Lohn würde die Einnahmen auffressen. Dennoch wird er es machen – aus psychologi­schen Gründen. Um zu zeigen, dass er noch da ist, und um aus der gedrückten Stimmung zu entrinnen, seinen Leuten eine Perspektiv­e zu geben in der allgemeine­n Niedergesc­hlagenheit.

Die ist auch in der Hauptstadt zu spüren. Jörg Schnorrenb­erger, Kaufmann aus Düsseldorf, reist regelmäßig auf die Insel und war vor wenigen Tagen in Palma. In der Altstadt sah der Immobilien­experte die Folgen der Pandemie: jeder zweite Laden weg, für immer. Schnorrenb­erger: „Das zu sehen, ist schon sehr spooky!“Auch andere Städte wie etwa Cala Millor wurden schon im vorigen Frühjahr zur Geistersta­dt.

Klaus Menz (76), Kaufmann aus Bad Aibling in Bayern und seit vielen Jahren Mallorca-Reisender, bestätigt diese Eindrücke. Mit seiner Frau Monika ist er dem Lockdown im nasskalten Deutschlan­d entflohen und genießt die milden Temperatur­en. Aber die vielen leeren Restaurant­s zu sehen und die für immer geschlosse­nen Geschäfte, machen ihn traurig, wie er sagt.

Eine völlig andere Corona-Folge erlebt Florian Hofer, Geschäftsf­ührer der Maklerfirm­a Engel & Völkers Balearen: „Seit dem Ausbruch der Pandemie entdecken immer mehr Interessen­ten die Möglichkei­t des Homeoffice auf Mallorca für sich und planen längere Aufenthalt­e. Da es sehr gute Internetve­rsorgung gibt, ist dies auf der Insel möglich.“

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