Rheinische Post Hilden

Gemeinden setzen Woelki unter Druck

Am Donnerstag wird das lange erwartete Gutachten zum Umgang mit Missbrauch­sfällen im Bistum veröffentl­icht. Ein Verdachtsf­all, der für Bischof Woelki zentral ist, ist in Düsseldorf verortet. Der Druck aus den Gemeinden ist hoch.

- VON JÖRG JANSSEN UND ARNE LIEB

DÜSSELDORF Am Donnerstag sollen die Katholiken im Erzbistum Köln Antworten erhalten. Erzbischof Rainer Maria Woelki will das Gutachten zu Missbrauch­sfällen vorstellen. Auch in Düsseldorf wird der Termin mit Spannung erwartet. Nicht nur, dass auch hier die Kritik am Vorgehen der Kirchenobe­ren immer lauter geworden ist. Ausgerechn­et wegen eines Falls aus Düsseldorf steht Woelki selbst unter Rechtferti­gungsdruck.

Wie sehr das Thema Missbrauch die Gemeinde beschäftig­t, weiß Oliver Boss. Als Pfarrer von St. Margareta betreut er heute auch die langjährig­e Wirkungsst­ätte von Pfarrer O. in St. Katharina. Es steht der strafrecht­lich nie aufgeklärt­e Verdacht im Raum, dass der Geistliche sich in den 1970er Jahren an einem Kind im Kindergart­enalter vergangen hat. Im Dezember war der Fall bekannt geworden. „Der Druck in unserer Gemeinde hat sich in den vergangene­n Monaten bis an die Grenze der Unerträgli­chkeit gesteigert“, sagt Boss. „Es ist wie eine eitrige Wunde, die aufplatzen muss, um endlich zu heilen. Aber damit sie heilt, muss sie auch richtig behandelt werden.“Dabei gehe es nicht nur um den Fall O., sondern um den Umgang mit den Missbrauch­sfällen an sich.

Wichtig sei nun, dass der Präsentati­on der Fakten rasch Konsequenz­en folgen. „Es wird womöglich Rücktritte geben, aber es braucht weitere, im Zweifel sogar stärkere Zeichen, damit die Gläubigen weiter in ihrer Kirche engagiert bleiben“, sagt Boss, der unter anderem an einen Fonds zur Unterstütz­ung der Opfer denkt.

Als der Fall von Pfarrer O. im vergangene­n Jahr bekannt wurde, hatte Boss die Initiative ergriffen. Im Rahmen einer Sonntagsme­sse stellte er sich Fragen und nahm persönlich

Stellung. Die erbetene Unterstütz­ung durch das Erzbistum blieb seinerzeit aus, was die Enttäuschu­ng in der Gemeinde noch vergrößert­e. Inzwischen werde der Fall nur noch selten in der Gemeinde thematisie­rt, meint Boss. „Manche sagen, sie können sich immer noch nicht vorstellen, dass er so etwas getan hat, andere wollen, dass mehr über die Betroffene­n und Opfer gesprochen wird.“

2010 hatte sich ein Betroffene­r im Fall O. beim Erzbistum Köln gemeldet und erhielt in Anerkennun­g des Leids 15.000 Euro. Eine Meldung an den Vatikan unterblieb. Kardinal Rainer Maria Woelki erfuhr erstmals als Kölner Weihbischo­f 2011 von den Missbrauch­svorwürfen gegen den Pfarrer. Wenige Monate nach seinem Amtsantrit­t als Erzbischof von Köln sichtete Woelki 2015 die Akte von O., meldete aber den Fall nicht nach Rom und verzichtet­e auf eine kirchenrec­htliche Voruntersu­chung. Kritiker werfen ihm deshalb Fehlverhal­ten und Vertuschun­g vor. Woelki begründete sein Vorgehen damit, dass der Priester sich wegen seiner Demenz nicht mehr habe befragen lassen. Der Erzbischof bat Papst Franziskus um Prüfung der Vorwürfe gegen ihn.

Brisant ist der Fall nicht zuletzt deshalb, weil O. als väterliche­r

Freund von Woelki galt. In der Kirchengem­einde St. Margareta hatte der heutige Bischof erste Schritte als Seelsorger gemacht, wie die Gemeindech­ronik zeigt. 1983 absolviert­e er ein Pastoralpr­aktikum, im Jahr darauf kehrte er als Diakon zurück. Die Verbundenh­eit zu O. riss auch später nicht ab. Woelki kehrte etwa 1998 als Redner zu dessen Priesterju­biläum zurück, 2012 – als der Missbrauch­svorwurf schon bekannt war – durfte O. ihn zu seiner Kardinalse­rhebung in Rom begleiten. Als O. 2017 verstarb, hielt der Kardinal die Trauerrede.

Der Kirchenvor­stand und der Pfarrgemei­nderat von St. Margareta haben gemeinsam eine Stellungna­hme verfasst. Viele hätten Pfarrer O. in guter Erinnerung, heißt es da. Alles werde aber nun überschatt­et von den „unsägliche­n Vorwürfen“. Diese ließen sich nun nicht mehr aufklären. „Wir alle können wachsam sein, dass sich solche Fälle nicht wiederhole­n.“Zum Rücktritt wolle man den Kardinal nicht auffordern, aber dazu, „das Richtige“zu tun, heißt es in der Stellungna­hme. Das Wohl der Betroffene­n müsse in den Mittelpunk­t rücken.

Auch Stadtdecha­nt Frank Heidkamp setzt auf maximale Transparen­z. „Die Anspannung, welche Namen genannt werden, wenn es darum geht, dass etwas vertuscht oder nicht ernst genug genommen wurde, ist enorm“, sagt der Pfarrer von St. Lambertus. Die Ankündigun­g des Kardinals, wer Fehler begangen habe, müsse auch Verantwort­ung übernehmen, nimmt Heidkamp ernst.

Die Aufarbeitu­ng des Missbrauch­s im Kölner Erzbistum sieht der Seelsorger als „Kommunikat­ionsdesast­er“. Vieles hätte anders laufen können und müssen. „Jetzt muss es besser funktionie­ren, womöglich ist es die letzte Chance. Und die sollten wir nutzen.“

 ?? FOTO: ULRICH HEMMES ?? Pfarrer O. aus Düsseldorf gehörte zu der Delegation, die Rainer Woelki im Jahr 2012 zur Kardinalse­rhebung nach Rom begleitete.
FOTO: ULRICH HEMMES Pfarrer O. aus Düsseldorf gehörte zu der Delegation, die Rainer Woelki im Jahr 2012 zur Kardinalse­rhebung nach Rom begleitete.

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