Von der Pflegerin zur Klinikmanagerin
In der Gesundheitsbranche sind Frauen in Top-Positionen die Ausnahme. An der Paracelsus-Klinik hat Anne Schröer den Sprung geschafft.
GOLZHEIM Anne Schröer trägt nicht mehr Weiß. Und manchmal überrascht sie das auch selbst. Denn eigentlich wollte sie nie etwas anderes werden als Pflegerin. Menschen professionell zu helfen und beim Gesundwerden zu unterstützen, dabei Teil eines Teams zu sein: Davon träumte sie schon als Schülerin des Erzbischöflichen Gymnasiums Marienberg in Neuss. Dass nach einer Ausbildung zur Kranken- und Gesundheitspflegerin noch viele weitere Karriereschritte, gar Führungspositionen möglich sind, damit beschäftigte sie sich damals nicht. So wie die meisten Frauen, die sich für die Pflege entscheiden.
Mehr als 75 Prozent der Arbeitskräfte im Gesundheitswesen sind zwar Frauen, doch in Führungspositionen in der Branche sind sie unterrepräsentiert. Nur jede dritte Führungsposition ist in weiblicher Hand, in Top-Management-Positionen liegt der Anteil sogar nur noch bei 15 Prozent. Das sind die ernüchternden Ergebnisse der Studie „Frauen in der Gesundheitswirtschaft”, die die Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers 2019 veröffentlichte. Und: Obwohl nur jede fünfte Pflegekraft ein Mann ist, ist der Männeranteil in Führungspositionen überproportional hoch.
Dass Anne Schröer inzwischen Business-Kleidung trägt und nicht mehr die Arbeit am Krankenbett ausübt, ist eine der großen Ausnahmen. In nur wenigen Jahren hat die 38-Jährige den Sprung von der Pflegerin zur Klinikmanagerin der Paracelsus-Klinik in Golzheim geschafft, wo sie auch die Pflegedirektion in der urologischen Fachklinik inne hat. Über ihre bilderbuchhafte Karriere gibt sich Schröer bescheiden.
„Ich brenne immer für das, was ich tue”, sagt sie.
Über den eigenen fachlichen Tellerrand zu schauen, sich in neue Themen und Aufgaben einzuarbeiten, das sei immer ihr Antrieb gewesen. „Ich wollte mich immer weiterentwickeln, weiter lernen”, sagt sie. Nach ihrer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin am Dominikus-Krankenhaus in Heerdt (heute Schön-Klinik) startete sie 2005 als Pflegerin in Golzheim auf einer Pflegestation – und ihre Karriere nahm an Fahrt auf. Erst bildete sie sich nebenberuflich zur Pflegedienstleiterin weiter, dann zur Fachgesundheits- und Krankenpflegerin für Krankenhaushygiene, dann absolvierte sie sogar ein MBA-Studium, machte ihren Executive MBA-Abschluss in Health Care Management. „Dabei wollte ich anfangs eigentlich nur das sechsmonatige
Vertiefungsmodul Health Care Manager machen. Dann dachte ich mir: Jetzt bist du dabei, dann machst du es ganz fertig.“
Ihr Lebenslauf liest sich zwar wie ein akkurat geplanter Karriereplan. Doch das sei er nicht. Karriere zu machen und mehr Geld zu verdienen, sei eben nicht ausschlaggebend gewesen. Vielmehr sei es ihr immer darum gegangen, sich persönlich wie fachlich weiterzuentwickeln, etwa mehr auch über die vielen und teils komplizierten Rahmenbedingungen in einer Klinik zu erfahren, über Gesundheitswirtschaft, Abrechnungen, bauliche Fragen. Und so verlagerte sich ihre Arbeit in nur wenigen Jahren immer weiter weg von der direkten Arbeit am Krankenbett.
Ihre große Aufgabe sieht Anne Schröer aber noch immer darin, kranke Menschen beim Gesundwerden zu unterstützen. Und als Klinikmanagerin habe sie dafür „viele Fäden in der Hand”. Auch in Zeiten des akuten Fachkräftemangels die besten Mitarbeiter ins Haus zu holen und zu halten, Marketingmaßnahmen dafür zu entwickeln und umzusetzen, das Haus wirtschaftlich zu führen und damit seine Existenz zu sichern und seine Weiterentwicklung zu ermöglichen – das gehöre ebenso zu ihrem weiten Aufgabenfeld wie aktuell Fragen zum Design und Einrichten einer Wahlleistungsstation zu klären oder dafür zu sorgen, dass die Patienten genau die Speisen bekommen, die sie beim Gesundwerden unterstützen. Die Aufgaben seien sehr vielfältig, hätten aber immer das eine Ziel: Alles dafür zu tun, dass es dem Haus und damit Patienten wie Mitarbeitern gut geht.
Dass sie den großen Karrieresprung in einem Haus geschafft hat – „ich kenne es von der Pike auf“– bringe viele Vorteile, viel Wissen um die Arbeitsabläufe und Herausforderungen in den einzelnen Abteilungen. Das helfe ihr als Pflegedirektorin wie als Klinikmanagerin, in Meetings und bei Entscheidungsfindungen auf Augenhöhe zu sein. Das Gefühl, dass für sie karrieretechnisch Schluss sein müsste, nur weil sie eine Frau ist, habe sie nie gehabt. Innerhalb des Paracelsus-Konzerns
gebe es auch weitere Frauen in Führungspositionen. Ihr sei aber bewusst, dass traditionell Führung und Männer stark miteinander verbunden sind und dass es in vielen anderen Häusern im Land eben anders aussieht: „Manchmal hinkt das Gesundheitswesen noch etwas hinterher.“
Vor allem flexible Arbeitszeitenmodelle seien wichtig, meint die Klinikmanagerin, um Frauen nach der Familiengründung dabei zu unterstützen, in den Job zurückzukehren oder nach der Geburt der Kinder noch Karriere machen zu können. An der Paracelsus-Klinik in Golzheim muss der Frühdienst deswegen nicht um sechs Uhr beginnen, dann sind schließlich Kitas, Kindertagespflegestellen oder Schulen geschlossen. Doch Aufgaben wie etwa die Leitung einer Pflegedirektion, die würden einem eben auch nicht zufallen. Entscheidend sei auch der Wille, sich weiterentwickeln zu wollen. Deswegen hat Anne Schröer auch keine Frauen-Agenda. Sie will diejenigen, die die Motivation und die Fähigkeiten dafür mitbringen, fördern. Und „Frauenpower” in Führungspositionen gebe es auch vor Ort schon, etwa in der Stationsleitung.
Sie selbst habe inzwischen ihren Führungsstil gefunden und sich dabei gar nicht so sehr damit beschäftigt, wie sie ihre Führungsrolle als Frau ausfüllen will. Transparent und fair zu sein, gute Entscheidungen zu treffen und ihre Stärken auszuspielen, fachlich wie sozial: Das sei für sie der richtige Weg, das passe zum Haus und das passe zu ihr.
Anne Schröer trägt zwar kein Weiß mehr. Aber sie hat festgestellt, dass sie trotzdem immer noch das macht, was sie immer wollte: Menschen beim Gesundwerden zu helfen.