Rassismusvorwürfe am Schauspielhaus
Der Schauspieler Ron Ighiwiyisi Iyamu berichtet von mehreren rassistischen Vorfällen am Schauspielhaus. Intendant Wilfried Schulz spricht vom „Fehler, keine Konsequenzen gezogen zu haben“.
DÜSSELDORF Das Düsseldorfer Schauspielhaus wird von einem Rassismus-Skandal erschüttert. Ron Ighiwiyisi Iyamu (29) ist seit 2019 als Schauspieler fest am Theater der Landeshauptstadt engagiert. Er wurde als Sohn eines Nigerianers und einer Deutschen in Hannover geboren. Gegenüber dem WDR hat er jetzt über mehrere Vorfälle berichtet, bei denen er Diskriminierungen ausgesetzt war. Die Theaterleitung hat dies seinen Worten nach hingenommen und ihn nicht unterstützt.
Iyamu, der zum Ensemble des Jungen Schauspiels gehört, berichtet beispielsweise von einem Stück, in dem er einen Jugendlichen gespielt habe, der einer anderen Person mit Migrationshintergrund Drogen zustecken sollte. Als er später einen haitianischen Freiheitskämpfer, der ein ehemaliger Sklave war, darstellte, habe ihn der Regisseur während der Proben als „Sklave“bezeichnet. Daraufhin hätten auch andere rassistische Witze gemacht. Nach dem Dreh einer Folterszene, in der der 29-Jährige einen Henker spielte, sei ein Schauspieler zu ihm gekommen. „Er hatte ein echtes Cuttermesser in der Hand, hielt es mir an den Schritt und sagte sowas wie: ,Wann schneiden wir eigentlich dem ‚N-Wort‘ die Eier ab?’“Darüber sei dann gelacht worden.
Iyamu hat sich nun entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen. Als er 2019 nach Düsseldorf kam, war er frohen Mutes. Heute will er am Schauspielhaus nicht mehr bleiben. Der 29-Jährige, der auch Musiker ist und sich den Künstlernamen Ron Nox gegeben hat, spricht auf Facebook davon, dass rassistische und sexistische Strukturen am Düsseldorfer Schauspielhaus ein Dauerzustand seien. „Sie äußern sich in Besetzungen, Beleidigungen und einer Kultur des Schweigens.“
Er wisse von einer Mitarbeiterin, dass Intendant Wilfried Schulz im Juni 2020 über seine Rassismus-Erfahrungen aufgeklärt worden sei. „Ich habe einen Dialog mit Schulz angeboten, aber die Rückmeldung war Schweigen.“Schulz spricht im Fernsehen von einem „vollkommen unakzeptablen Vorgang“, es sei ein Fehler gewesen, keine Konsequenzen zu ziehen. Vielmehr fordere der Fall dazu auf, darüber nachzudenken, ob es andere Mechanismen innerhalb des Hauses brauche. Welche, ließ er offen. Er wolle kein „Meldesystem“. Schulz meint jedoch: „Ich will natürlich nicht, dass sowas passiert und ich will es auch wissen.“
Manfred Neuenhaus (FDP), der Vorsitzende des Kulturausschusses, stellt sich die Frage: „Wie divers ist der Düsseldorfer Kulturbetrieb?“Das Selbstbild des Theaters sei eindeutig anders als die Erfahrungen von Iyamu. Auf der Homepage werde das Theater als „Raum für diverse Positionen und gesellschaftliche Utopien“dargestellt, der zu einer Gesellschaft der Gleichberechtigung beitragen könne.
Tatsächlich wird das Schauspielhaus von der Kulturstiftung des Bundes für Bemühungen um Diversität gefördert. Guy Dermosessian und Veronika Gerhard sind damit betraut. Ihre Aufgabe ist es seit der Spielzeit 2019/´20, die Vielfalt von
Publikum, Programm und Mitarbeitenden auszubauen und die gegenseitige Wertschätzung im Auge zu behalten. Dermosessian sagte 2019 im Gespräch mit unserer Redaktion, er habe bereits viele Gespräche geführt, um auszuloten, wo nachgebessert werden müsse. „Auch an einem Theater mit seinen Hierarchien und einer manchmal temperamentvollen Arbeitsweise muss es möglich sein, Stopp zu sagen, wenn der Druck zu groß wird.“Das Duo wurde, um eingreifen zu können, an der Leitungsebene angesiedelt. Das sollte Gestaltungsspielraum schaffen. Ob es ihn gab und ob er genutzt wurde, ist unbekannt.
Neuenhaus rät „ohne jede Vorverurteilung der Leitung des Schauspielhauses dringend, sofort das ,Diversity Management’ zu ändern.“Es bedürfe klarer Regeln, wie solche Vorwürfe transparent aufgearbeitet wurden und es müssten auch Konsequenzen klar geregelt sein. Bei allen Vorwürfen, die sich bestätigen, müssten zwingend Konsequenzen gezogen werden. „Sonst führt sich das Haus selbst ad absurdum.“
Das Schauspielhaus gab am Sonntagabend eine Erklärung ab. Schulz und das Führungsteam entschuldigten sich. Die Ereignisse zeigten, dass man noch an den internen Strukturen arbeiten müsse, um Missstände zu erkennen und zu beseitigen. Es soll ein „Code of Conduct“eingeführt werden, der Haltung, Werte und Handeln des Theaters beschreibt. Es soll dann auch Ansprechpartner für Betroffene geben.