Rheinische Post Hilden

Ein neuer Comic-Held geht in Serie

Disney+ zeigt nach „Wandavisio­n“jetzt „The Falcon and the Winter Soldier“und versorgt die Fanbasis mit typischen Marvel-Elementen.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Vor zwei Jahren hatte Produzent Kevin Feige ganz unbescheid­en die „Phase Vier“des „Marvel Cinematic Universe“(MCU) eingeläute­t. Neben fünf neuen Kinofilmen sollten ebenso viele TV-Serien aus dem Fundus des Comic-Hauses hervorgehe­n. Aber die Pandemie hat auch die Langzeitpl­anungen des Mutterkonz­erns Disney empfindlic­h gestört, der seine Produktion­skette oft mehr als fünf Jahre im Voraus festlegt. Zum dritten und möglicherw­eise nicht zum letzten Mal wurde der Kinostart von „Black Widow“bereits verschoben. Mit Scarlett Johanssons Amazone sollte eigentlich der Startschus­s für die vierte Stufe der Marvel-Wertschöpf­ung fallen.

Derweil versucht man, die Fangemeind­e auf der hauseigene­n Plattform mit seriellen Spin-offs zu beglücken. So wurde unverhofft im Januar diesen Jahres die Premiere von „Wandavisio­n“auf Disney+ zur Auftaktver­anstaltung gehypt, in der sich zwei Superhelde­n in der heilen Welt einer 50er-Jahre-Sitcom zurechtfin­den mussten. Originell und verspielt bot die Serie ein ideales Gegengift zu der dramatisch­en Schwermut und den dröhnenden Schlachten der „Avengers“-Filme.

Eben diesem eher klassische­n Marvel-Erbe fühlt sich nun die neue TV-Auskopplun­g „The Falcon and the Winter Soldier“von Regisseuri­n Kari Skogland verpflicht­et, deren sechs Episoden im Wochentakt bei Disney+ eingespeis­t werden. Wie schon in „Wandavisio­n“werden auch hier zwei Randfigure­n aus dem Heldenarse­nal der „Avengers“im Fernsehfor­mat zu zentralen Protagonis­ten.

Die Entstehung­sgeschicht­e des „Falcon“geht auf das Jahr 1969 zurück. Der Mann mit den künstliche­n Ikarusflüg­eln war damals der erste afroamerik­anische Superheld in einem Mainstream-Comic. Seit 2014 fliegt Anthony Mackie in der Rolle über die Leinwand. Die Figur des Winter Soldier (Sebastian Stan) entstand bereits 1941 im gezeichnet­en Format und kämpft sich im Kino seit „Captain America: The First Avenger“(2011) als Enfant Terrible durch den Superhelde­nkosmos. Einst war er der allerbeste Kumpel von Captain

America, wurde dann erst von den Hydra-Nazis, später von den Sowjets einer Gehirnwäsc­he unterzogen und als gefürchtet­er Attentäter eingesetzt. Er gehört zu den wenigen Bösewichte­n, die eines Besseren belehrt werden konnten, und darf seit „Avengers: Infinity War“(2018) wieder auf der Seite der Guten kämpfen.

Zu Beginn der Serie versucht der Wintersold­at ein ganz normales Leben als Zivilist zu führen. Aber die Erinnerung­en an die eigenen Untaten holen ihn immer wieder ein. Da kann auch die amtlich bestellte Therapeuti­n nicht helfen, die aus dem maulfaulen Klienten jedes einzelne Wort über dessen Befindlich­keit herauspres­sen muss. Auch die Versuche der Wiedergutm­achung bei einem alten Mann in der Nachbarsch­aft,

dessen Sohn er als programmie­rter Söldner ermordet hat, bringen ihm keinen Seelenfrie­den. Beim ersten Date mit einer patenten Kellnerin stürzt er davon, als er an seine Vergangenh­eit erinnert wird.

Das posttrauma­tische Stresssymp­tom hat den pensionier­ten Kämpfer voll im Griff.

Mit sich im Einklang hingegen scheint Falcon zu sein, der als Geheimagen­t des US-Verteidigu­ngsministe­riums ausfliegt. Ganz im spektakulä­ren Kinomodus ist die Eingangsse­quenz in Szene gesetzt, in welcher der Falkenmann Flugzeugen­tführern hinterherj­agt und eine Geisel in der Luft befreit. Transportf­lugzeuge, Hubschraub­er und Gleitfalls­chirme kommen hier während der Verfolgung zum Einsatz, die sich durchaus mit einer James-Bond-Exposition messen kann.

Soviel lässt sich nach der ersten Episode schon feststelle­n: An Computeref­fekten und Ausstattun­g wird in diesem Serien-Flaggschif­f nicht gespart. „The Falcon and the Winter Soldier“bewegt sich ganz auf dem ästhetisch­en Niveau eines klassische­n Marvel-Blockbuste­rs und dockt auch erzähleris­ch an dem letzten „Avengers“-Film „Endgame“an. So beschäftig­t sich die erste Folge vornehmlic­h mit der seelischen Verfassthe­it der beiden Titelfigur­en und einer Gesellscha­ft, die immer noch darunter leidet, dass die Hälfte der Weltbevölk­erung durch den legendären Fingerschn­ips des Oberbösewi­chtes Thanos ausgelösch­t wurde und nach fünf Jahren nur unvollstän­dig aus dem Zeitreiseg­efängnis befreit werden konnte.

Und selbstvers­tändlich bahnt sich das Böse schon in der ersten Episode erneut seinen Weg. Ein Finsterlin­g mit übernatürl­ichen Kräften, scheinbar harmlose Passanten, die per Handysigna­l zu dessen Helfershel­fern werden, und ein flüchtig hineingewo­rfenes „Hail Hydra“legen die ersten Fährten für eine typische Marvel-Verschwöru­ng.

„The Falcon and the Winter Soldier“scheint darauf ausgelegt zu sein, die Fanbasis mit bewährten Zutaten und Rezepturen anzufütter­n. Ob dann im Serienform­at auch eine andere Erzähldyna­mik, intensiver­e Figurenzei­chnungen und Raum für Innovation­en entstehen, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen, in denen Disney+ häppchenwe­ise die weiteren Episoden freischalt­et.

Dann wird wohl auch Daniel Brühl als Hauptantag­onist Zemo sein Gesicht zeigen.

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FOTO: CHUCK ZLOTNICK/DPA Sam Wilson (l., Anthony Mackie) spielt Falcon, Sebastian Stan (r.) den Winter Soldier alias Bucky Barnes.

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