Schon jetzt mehr Insolvenzanträge als 2020
Eine Gesetzesänderung hat die Zahl der Anträge auf Privatinsolvenz in Haan in die Höhe schnellen lassen. 20 gab es allein im Januar.
HAAN In den ersten Wochen des neuen Jahres haben gut 20 Klienten der Caritas-Schuldnerberatung in Haan einen Antrag auf Verbraucherinsolvenz gestellt, im Volksmund auch Privatinsolvenz genannt – das sind mehr als im gesamten vergangenen Jahr.
Wer jetzt aber glaubt, die Zahlen seien durch die Corona-Pandemie in die Höhe geschnellt, liegt falsch, wie Schuldnerberater Heinrich Beyll berichtet: „Deren Auswirkungen erwarten wir erst noch“, sagt der Caritas-Experte, der in der Breidenhofer Straße 1 sein Büro hat.
Er hat eine Gesetzesänderung als eigentlichen Grund für den plötzlichen Anstieg ausgemacht: „Das Insolvenzrecht hat sich zum 1. Januar dieses Jahres verändert. Jetzt müssen nur noch drei Jahre in einem Verbraucherinsolvenzverfahren vergehen, bis der Antragsteller von allen Restschulden befreit werden kann.“Bisher seien es sechs Jahre gewesen – „wir reden also tatsächlich über eine Halbierung der Laufzeit“. Deutschland greife damit einer europaweiten Regelung vor, die für Mitte des Jahres angekündigt sei.
„Ich weiß, dass viele Schuldner das letzte Halbjahr 2020 ihren Antrag bewusst zurückgehalten haben, damit sie die neue Regelung für sich nutzen konnten“, sagt Beyll. Daher der Anstieg im Januar.
Gleichzeitig zu den zum Jahreswechsel in Kraft getretenen Erleichterungen hat der Gesetzgeber allerdings die Hürden für ein zweites Insolvenzverfahren erhöht: „Wer eine Restschuldbefreiung in seinem ersten Verfahren erhalten hat, muss künftig elf statt wie bisher zehn Jahre warten, ehe er einen erneuten Antrag stellen kann“, erläutert der Berater. Auch dürften demnächst Lottogewinne oder Geschenke in die Schuldentilgung einbezogen werden – bisher durfte darauf nicht zugegriffen werden: „Es wird also keineswegs attraktiver, Schulden zu machen, nur weil sich eine Frist verkürzt hat.“
Bevor ein privates Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, sind ohnehin diverse Schritte zu durchlaufen. Zunächst müssen Schuldner einen außergerichtlichen Einigungsversuch mit ihren Gläubigern unternehmen. Dabei unterstützt sie die Caritas. Scheitert die Einigung, weil die Gläubiger sich nicht auf den Kompromiss einlassen, kann die Beratungsstelle eine Bescheinigung ausstellen. Die müssen Schuldner dann vorweisen, wenn Sie beim Insolvenzgericht einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens stellen.
Dann beginnt die sogenannte Wohlverhaltensphase, in der strenge Regeln befolgt werden müssen. Unter anderem sind Betroffene verpflichtet, zumutbare Arbeiten auszuüben. Erst nach dieser Phase kann die Restschuld erlassen werden.
Neben der Unterstützung bei den diversen Behördenkontakten hilft Heinrich Beyll vor allem dabei, Einnahmen und Ausgaben der Ratsuchenden gegenüberzustellen. Manchmal, so sagt er, könne man durch günstigere Verträge bei der Energieversorgung sparen oder erreichen, dass Raten gestundet werden.
Dennoch bleibe festzuhalten: „Die Miete ist und bleibt meist der weitaus größte Ausgabeposten. Sie lässt den Betroffenen meistens kaum noch finanziellen Spielraum.“Die Klientel in der Beratungsstelle an der Breidenhofer Straße setzt sich aus allen Bildungsschichten zusammen.
Hilfesuchende können in aller Regel binnen zwei Monaten einen Termin bei der Caritas bekommen – kreisweit ein Topwert, betont Heinrich Beyll, der allerdings davon ausgeht, dass es im Laufe des Jahres noch deutlich mehr Andrang geben wird: „Ich bin überzeugt, dass die Corona-Krise uns schon bald eine Pleitewelle bescheren wird.“