Rheinische Post Hilden

Städte halten an Öffnung fest

Die Zahl der Kreise und kreisfreie­n Städte, die eigentlich die Corona-Notbremse ziehen müssten, steigt. Bis auf wenige Ausnahmen wollen die Kommunen aber eine Sonderrege­l ziehen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, MAXIMILIAN PLÜCK UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Die Zahl der Kommunen, die nach der Corona-Schutzvero­rdnung auf die strengeren Maßnahmen von Anfang März zurückfall­en würden, ist am Montag noch einmal gestiegen. Nach Angaben des Landeszent­rums für Gesundheit lagen die Kreise Viersen und Unna sowie die Stadt Bonn mindestens drei Tage in Folge über einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100. Viersen und Bonn wollen beide von der Testoption Gebrauch machen, wonach einschränk­ende Maßnahmen etwa im Handel oder bei Museen mit einem tagesaktue­llen Schnelltes­t für Besucher aufgehoben werden können. Mehrere Kreise, die bereits seit Sonntag von der Notbremse betroffen sind – wie Gütersloh, Steinfurt und Düren –, erklärten am Montag, ebenfalls diese Testoption zu ziehen.

Damit gestatten 31 Notbremsen-Kommunen – zwei von ihnen mit einer Inzidenz über 200 – Öffnungen mit Schnelltes­ts, vier verhängen die vorgesehen­en Maßnahmen, in fünf stand eine Entscheidu­ng bis zum Druck dieser Zeitung noch aus. Mehrere Kommunen, die knapp unter der 100er-Inzidenz liegen, wie der Rhein-Kreis Neuss und Mönchengla­dbach erklärten, man werde die Testoption ziehen. Düsseldorf hielt sich bedeckt, sieht sich aber „im Bereich Testmöglic­hkeiten sehr gut aufgestell­t“.

Helmut Dedy, Geschäftsf­ührer des Städtetags NRW, sagte, wenn NRW es den Kommunen ermögliche, schon bestehende Lockerunge­n an Negativtes­ts zu knüpfen, sei nachvollzi­ehbar, dass sie diese Option auch nutzten. „Bis zu welcher Grenze diese Form der Notbremse plus Teststrate­gie unter welchen Bedingunge­n verantwort­bar ist, muss die Landesregi­erung allerdings definieren“, forderte Dedy. „Denn wenn sich die Lage zuspitzt, kommt ein Punkt, an dem die Notbremse auch vollständi­g greifen muss.“

Am Vorabend hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) bei der Talkshow „Anne Will“den laxen Umgang mit der Notbremse kritisiert und von einem „Verstoß gegen die Beschlüsse“von Bund und Ländern gesprochen. NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) sagte dagegen, die Vorgehensw­eise sei im Einklang mit den Beschlüsse­n erfolgt.

Laschets Koalitions­partner FDP übt dem Vernehmen nach hinter den Kulissen Druck aus, um die „Notbremse light“in NRW möglichst weitgehend durchzuset­zen. Aus informiert­en Kreisen verlautete, dass es sehr im Sinne der Partei sei, nach dem Tübinger Modell mithilfe von

Tests auch in NRW zu mehr Lockerunge­n zu kommen. FDP-Fraktionsc­hef Christof Rasche sagte, die FDP begrüße ausdrückli­ch die neugeschaf­fene Testoption der Coronaschu­tzverordnu­ng. Dadurch könnten die sozialen und wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie zumindest leicht abgefedert werden.

„Man fragt sich schon, wer da eigentlich die Feder führt. Und warum NRW regelmäßig gegen die Bund-Länder-Beschlüsse verstößt“, sagte dagegen SPD-Opposition­schef Thomas Kutschaty unserer Redaktion. Immer wieder heiße es auch im Landtag, die Landesregi­erung setze die Beschlüsse ,eins zu eins‘ um. „Und dann gibt es doch irgendeine Sonderklau­sel, weil ihm vermutlich die FDP Druck macht“, so Kutschaty. Es wirke manchmal so, als ob die FDP ihre Opposition­spolitik im Bund als Regierungs­partei in NRW umsetzen wolle. „Laschet braucht die FDP, schließlic­h hat er nur eine Stimme Mehrheit. Darauf kann die Kanzlerin aber keine Rücksicht nehmen“, sagte Kutschaty.

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