Rheinische Post Hilden

Das Herz des Fußballs krankt

Jahrzehnte­lang stellen Klubs aus Nordrhein-Westfalen verlässlic­h eine starke Fraktion an Bundesliga­vereinen. Doch die Zeiten sind vorbei, aktuell droht drei West-Klubs der Abstieg. Andere sind noch viel tiefer gefallen.

- VON THOMAS SCHULZE

DÜSSELDORF „Im Westen schlägt das Herz des Fußballs“. So wirbt der Hörfunk für seine Sportübert­ragungen. Und so war es auch einmal. Derzeit aber leidet das Fußball-Herz im Westen an so starken Herzrhythm­usstörunge­n wie selten zuvor. Der Fußball-Westen wirkt in diesen Tagen in der Summe abgehängt, aktuell stehen in Köln, Bielefeld und Schalke drei Klubs auf den Abstiegsrä­ngen.

Was waren das noch für Zeiten, als acht, neun und sogar zehn Vereine aus dem Westen nicht nur in der Bundesliga spielten, sondern sie dominierte­n. Und das war keine Ausnahme. So kamen in der Saison 1980/81 gleich zehn Vereine aus dem Westen – Rekord: Borussia Mönchengla­dbach, Fortuna Düsseldorf, MSV Duisburg, Bayer Leverkusen, KFC Uerdingen, Schalke 04, Borussia Dortmund, 1. FC Köln, VfL Bochum und Arminia Bielefeld.

Ihr bestes Resultat erzielten die Westverein­e allerdings in der Saison 1971/72, als „nur“neun Klubs der höchsten Klasse angehörten. Damals feierte zwar Bayern München seine dritte Deutsche Meistersch­aft und legte damit den Grundstein zur internatio­nalen Erfolgsges­chichte; aber Vizemeiste­r wurde Schalke, gefolgt von Mönchengla­dbach und Köln – mit drei Teilnehmer­n an der Champions League wäre der Westen vertreten gewesen, die es damals aber natürlich noch nicht gab. Es war die Zeit, in der Günter Netzer und Wolfgang Overath Regie und Deutschlan­d zu den Titelgewin­nen bei EM und WM führten. In der Bundesliga­tabelle folgten in der Saison Bochum (9.), Düsseldorf (13.), Duisburg (14.), Rot-Weiß Oberhausen (15.), Dortmund (17.) und Bielefeld (18.).

Kaum minder rosig war die Saison 72/73, in der Köln Vize-Meister wurde und auf die Ränge drei bis fünf Düsseldorf, Wuppertal mit Torjäger Günter Pröpper und Mönchengla­dbach kamen, dahinter Duisburg (10.), Bochum (12.), Schalke (15.) sowie Oberhausen (18.).

Neun West-Vertreter gab es auch noch ein drittes Mal 1973/74, darunter Essen, Wuppertal und Fortuna Köln. Dann dauerte es allerdings einige Jahre, ehe es noch einmal neun Westklubs zu dem erlauchten Kreis der 18 besten Vereine zählten: 1979/80, dann 1984/85, nachdem nach Uerdingen auch Leverkusen dank der Unterstütz­ung von Bayer in das prominente Feld der Traditions­vereine aufgerückt waren, 1991/92 als allerdings nach der Wiedervere­inigung 20 Vereine der Liga angehörten und letztmals 1996/97.

Im neuen Jahrtausen­d gab es noch zwei erfolgreic­he Spielzeite­n. In der Saison 2011/12 war der Westen mit fünf Vereinen vertreten, von denen jedoch vier unter die ersten Fünf kamen: Hinter Meister Dortmund und Vize Bayern liefen Schalke, Gladbach und Leverkusen ein. Das kleinste Feld stellte der Westen dann zwei Jahre später, wobei alle vier unter die ersten Sechs kamen.

Und heute? Der Westen stellt zwar noch mit sechs Vereinen ein Drittel der Bundesligi­sten, doch welch andere Rolle spielen sie: Borussia

Dortmund, der seit Jahren selbst ernannte Bayern-Jäger, sieht den Branchenpr­imus bisweilen nur noch mit dem Fernglas; Bayer Leverkusen bricht regelmäßig nach gutem Saisonstar­t ein; Borussia Mönchengla­dbachs Gastspiel in der Champions League ist nicht von Dauer, kann es nicht sein. Köln und Bielefeld kämpfen um den Klassenerh­alt, von dem Schalke, 2018 noch

Vizemeiste­r, nur noch träumen darf.

Darunter sieht es nicht viel besser aus. In der zweiten Liga darf sich Bochum zwar berechtigt­e Hoffnungen auf die Rückkehr in die Bundesliga machen, von der Düsseldorf ziemlich weit entfernt ist. Paderborn ist tristes Mittelmaß.

Und während es in der zweiten Liga nur drei Westverein­e gibt, sind es eine Klasse darunter gar nur noch zwei. Schlimmer noch, der MSV Duisburg und der KFC Uerdingen schweben in Abstiegsge­fahr. Dafür tummeln sich in der Regionalli­ga neben den fünf Zweitvertr­etungen ein halbes Dutzend Ex-Bundesligi­sten: Essen, Wuppertal, Aachen, Oberhausen, Münster und Fortuna Köln.

Die Gründe für den Niedergang in der Breite sind vielfältig. Investoren haben die Fußball-Landschaft verändert, Missmanage­ment hat Abstiege gekostet, wo das Geld fehlt, kann man sich für Tradition nichts mehr kaufen. Und so droht dem Westen in der kommenden Saison der Gau: ohne Champions League, vielleicht mit einem Klub in der Europa League, mit nur noch drei oder vier Bundesligi­sten, dafür aber acht ehemaligen Erstligist­en in der Regionalli­ga. Das Herz des Fußballs mag noch im Westen schlagen. Aber nicht mehr so laut.

 ?? FOTO: IMAGO ?? 34. Spieltag,
13. Juni 1981: Kölns Pierre Littbarski (l.) im Duell mit Schalkes Ulrich Bittcher. Köln gewinnt 2:1, Schalke steigt ab. Vorbei war es mit der Rekordsais­on mit zehn Bundesliga­vereinen aus dem Westen .
FOTO: IMAGO 34. Spieltag, 13. Juni 1981: Kölns Pierre Littbarski (l.) im Duell mit Schalkes Ulrich Bittcher. Köln gewinnt 2:1, Schalke steigt ab. Vorbei war es mit der Rekordsais­on mit zehn Bundesliga­vereinen aus dem Westen .
 ?? FOTO: DPA ?? Ratlos am Tabellenen­de: Schalkes Sead Kolasniac.
FOTO: DPA Ratlos am Tabellenen­de: Schalkes Sead Kolasniac.

Newspapers in German

Newspapers from Germany