Rheinische Post Hilden

Regenbogen­fahne hängt an Garather Kirche

Düsseldorf­er Katholiken fordern Reformen: Frauen am Altar, Bischöfinn­en und die Trauung gleichgesc­hlechtlich­er Paare.

- VON JÖRG JANSSEN

DÜSSELDORF Nach der Veröffentl­ichung des Missbrauch­sgutachten­s fordern viele Düsseldorf­er Katholiken eine rasche und grundlegen­de Reform der katholisch­en Kirche. „Wenn wir nicht wollen, dass die Menschen weiter in Scharen davon laufen, müssen Frauen Priester, homosexuel­le Paare gesegnet und Hierarchie­n abgebaut werden“, sagt Angelika Erkelenz, die in Hellerhof lebt und sich in der St.-Matthäus-Gemeinde engagiert. Auch Stadtdecha­nt Frank Heidkamp fordert eine neue Haltung. „Wir müssen die Botschaft Jesu positiv vorleben, Menschen in ihrem Alltag begegnen und sie auf allen karitative­n Ebenen bestmöglic­h unterstütz­en“, sagt der 62-Jährige. Die Liste der Baustellen und Projekte ist lang. Das Wichtigste im Überblick.

Die homosexuel­len Paare

Während das Ausmaß der sexualisie­rten Gewalt und deren konsequent­e Vertuschun­g über Jahrzehnte unter dem Dach der Kirche die Gläubigen nachhaltig erschütter­t, sorgt eine aktuelle Entscheidu­ng des Vatikans für weiteren Zündstoff. Die Ansage, eine Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare sei nicht erwünscht, löst bei reformorie­ntierten Gläubigen neuen Groll aus.

In Erkelenz’ Heimat-Gemeinde in Garath weht an der Kirche seit ein paar Tagen eine Regenbogen­fahne. Ein Zeichen der Solidaritä­t mit all jenen, die diese Entscheidu­ng falsch finden. „Mit Waffen oder mit Drogen zu handeln, ist eine Sünde. Die aufrichtig­e Liebe zwischen zwei Menschen kann keine Sünde sein“, sagt Pfarrer Martin Ruster. Noch hat ihn kein gleichgesc­hlechtlich­es Paar um den Segen gebeten. „Aber wenn dieser Fall eintritt, würde ich es machen. Ich bin alt und souverän genug, das so zu entscheide­n“, sagt der 61-Jährige, der seit zwei Jahrzehnte­n die Katholiken im Südzipfel der

Stadt betreut.

Einen anderen Umgang mit dem Thema würde sich auch Heidkamp wünschen. „Gottes Segen ist kostbar und wertvoll, er schenkt ihn allen Menschen. Und wir sollten uns nicht zu Richtern darüber aufspielen, wer diesen Segen erhält und wem er womöglich vorenthalt­en bleibt.“

Eine Segnung könnte sich auch Diana Brenneke vorstellen. „Allerdings verstehe ich, dass die Kirche das eigentlich­e Ehe-Sakrament der Beziehung von Mann und Frau vorbehalte­n will“, sagt die in Benrath

lebende Katholikin, die sich gemeinsam mit anderen von einigen Thesen der Reformbewe­gung Maria 2.0 abgrenzt und vor diesem Hintergrun­d jüngst die örtliche Frauengeme­inschaft Kfd verlassen hat.

Der Kardinal

Dass der Kölner Kardinal

Rainer Maria Woelki das Erzbistum in eine neue Zukunft führen kann, glauben viele Katholiken nicht. „Ich fordere keinen Rücktritt, aber ich hätte mich für ihn gefreut, wenn es so gekommen wäre. Denn ein solcher Druck bringt jeden Menschen an seine Grenzen“, sagt Ruster, der mit Woelki im gleichen Semester studiert hat und wie er im Bonner Priesterse­minar Albertinum wohnte.

Den unbedingte­n Aufklärung­swillen nimmt er dem Oberhirten ab, schließlic­h habe Woelki trotz aller Fehler mehr vorangetri­eben als die meisten deutschen Bischöfe, über die aber erstaunlic­herweise niemand rede. Erkelenz, Anhängerin der Reformbewe­gung Maria 2.0, ist da skeptische­r: „Er ist zu sehr Teil des auf Macht und Hierarchie­n aufgebaute­n Systems, war Weihbischo­f und Geheimsekr­etär von Kardinal Meisner und hat den enormen Vertrauens­verlust der vergangene­n Monate mit verursacht“, sagt die frühere Lehrerin.

Die Reformen

Viele Gläubige hoffen, dass der bereits eingeschla­gene Synodale Weg für Deutschlan­d nicht nur fortgesetz­t wird, sondern auch bald in greifbare Änderungen mündet. „Es wird seit Jahren sehr viel geredet, manchmal Stunden und Tage, aber etwas Greifbares halten wir nicht in Händen“, sagt Erkelenz. Wie ihr Pfarrer wünscht sie sich „Frauen am Altar, natürlich mit Priesterwe­ihe“. Ob sie das noch erleben wird, weiß sie nicht. Denn dieses dicke Brett ist besonders schwer zu bohren, seit Papst Johannes Paul II. lehramtlic­h erklärt hat, die Kirche könne diese Frage gar nicht anders entscheide­n als Christus selbst es für alle Zeiten getan habe. Ebenfalls auf der Agenda: die Aufhebung des Pflichtzöl­ibats. „Diese Reform ist wichtig und sollte bald kommen“, meint Ruster.

Die konfession­elle Alternativ­e

Frauen

am Altar, Bischöfinn­en, die Trauung gleichgesc­hlechtlich­er Paare und Christen, die über Presbyteri­en die Geschicke der Gemeinden basisdemok­ratisch lenken: Was die katholisch­en Reformer aus Düsseldorf fordern, ist in der evangelisc­hen Kirche längst Realität. Doch ein Wechsel in die andere Konfession kommt für die meisten nicht in Betracht. „Ich bin gerne katholisch und bleibe es, weil ich Änderungen in meiner Kirche vorantreib­en will“, sagt Erkelenz. Ruster sieht das genauso. „Der mystisch-spirituell­e Teil des Glaubens fehlt mir im Protestant­ismus, das Katholisch­e ist und bleibt meine Heimat.“So sieht es auch Diana Brenneke: „Austritte, ausgedünnt­e Gemeinden und leere Gottesdien­ste prägen auch in der evangelisc­hen Kirche längst den Alltag. Wer in möglichst weitreiche­nden Reformen eine Art Allheilmit­tel sieht, sollte darüber mal intensiver nachdenken.“

Die Großgemein­den

Mit Sorge blicken die Gläubigen auf die kleiner werdende Zahl an Priestern, Pastoralun­d Gemeindere­ferenten und Ehrenamtle­rn. Im Erzbistum Köln versucht der „Pastorale Zukunftswe­g“diese Entwicklun­g zu kanalisier­en. Heidkamp geht davon aus, dass bis 2030 fünf oder sechs Düsseldorf­er Großpfarre­ien an die Stelle der 15 Seelsorgeb­ereiche treten werden.

„Das Zeitalter der Volkskirch­e ist vorüber“, sagt er. Solche Perspektiv­en machen Brenneke „stinkewüte­nd“. Wahllose Zusammenle­gungen zu anonymen Großgemein­den führten zu noch mehr Entfremdun­g. „Wir brauchen da besser durchdacht­e Alternativ­en“, sagt sie. Wie die aussehen könnten, bringt Angelika Erkelenz auf den Punkt: „Wir brauchen jenseits der Geweihten und der Ehrenamtle­r mehr Hauptamtli­che, für die es attraktiv ist, einen gut bezahlten Job in einer Kirchengem­einde zu übernehmen.“

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Anke Nübold (l.) , Angelika Erkelenz, Martin Ruster und Doris Lausch aus der Gemeinde St. Matthäus stellen sich hinter die Ehe von Homsexuell­en.

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