Neviges – die Stadt der Pilger
Kontaktbeschränkungen, Lockdown und Schließungen – normale Freizeitaktivitäten, viele Hobbys und Kurztrips sind momentan nicht so richtig möglich. Unser Vorschlag: Machen Sie aus der Not eine Tugend und lernen Sie den Kreis Mettmann besser kennen. Heute:
NEVIGES Velbert und seine Stadtteile Neviges und Langenberg könnten unterschiedlicher kaum sein. Während Velbert selbst als Einkaufsstadt punktet, lockt Langenberg mit historischen Fachwerkhäusern, prachtvollen Villen und verwinkelten Gassen. Ein beliebtes Ausflugsziel ist aber Neviges. Besucher erleben auf ihrem Weg eine architektonische Zeitreise vom Wasserschloss aus dem 13. Jahrhundert bis hin zur Wallfahrtskirche in moderner Architektur.
Los geht es am
das in unmittelbarer Nähe des Pilgerparkplatzes liegt. Lange wurde das einstige Wasserschloss am Hardenberger Bach den Herren von Hardenberg zugeschrieben. Bauforschungen aus dem Jahr 2005 zeichnen ein anderes Bild. So ließen die Herren von Hardenberg wohl Mitte des 13. Jahrhunderts in der Nähe des Schlosses eine Höhenburg erreichten. Das Schloss hingegen stammt aus dem Ende des 15. Jahrhunderts und wurde von der Familie von Gevertshagen gebaut.
Im Laufe der Jahre sah das Haus viele Besitzer und wurde mehrfach umgebaut. Zum Ensemble gehören heute das Schloss mit Vorburg, die – wenn es nicht gerade die Corona-Schutzbestimmungen verbieten – für kulturelle Zwecke genutzt wird, Wehrtürme und eine Mühle. Denkmalpfleger bescheinigten dem Schloss im Jahr 2003 eine Besonderheit: Die Wehrtürme waren durch Kasemattengänge verbunden. Ein Teil dieser Gänge wurde inzwischen restauriert. Besucher gehen zwischen Schloss und Vorburg hindurch und überqueren auf einer Brücke die S-Bahn-Gleise und biegen gleich dahinter links ab.
Vorbei geht es am Kreuzberg, der bereits ein Stück Nevigeser Pilgergeschichte erzählt. Als Ursprung der Wallfahrt gilt eine Marienerscheinung des Franziskaners Antonius Shirley. Ein Marienbild soll ihn im Jahr 1680 gebeten haben: „Bring mich nach Hardenberg.“Und so geschah es. Bis heute pilgern jedes Jahr Tausende Christen nach Neviges, um das Gnadenbild zu sehen. Umso größer war der Schrecken, als das Marienbild im Februar vor fünf Jahren gestohlen wurde. Doch der Dieb hatte wohl ein mächtig schlechtes Gewissen und legte es eine Woche später vor der Klosterpforte wieder ab.
Nur wenige Meter weiter erhebt sich der Der Bau im Stil des Brutalismus, entworfen von dem Architekten Gottfried
(1), Schloss Hardenberg Mariendom (2).
Böhm, war von Anfang an nicht unumstritten. Bereits bei dem Architekturwettbewerb sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen, heißt es. Obwohl Böhm den Wettbewerb nicht gewann, begann der Bau nach seinen Entwürfen im Jahr 1964. Vier Jahre später war das neue Gotteshaus fertig und bietet Platz für rund 6000 Menschen. Derzeit ist der
Dom nicht in seiner ganzen Pracht zu bewundern. Er wird saniert. Einen Kontrast zum puristischen Betonbau bietet das Rosenfenster, das den Innenraum des Doms auch bei trübem Wetter in geheimnisvolles Licht taucht.
Vorbei am Dom geht es halb rechts durch die Alte Gasse in den
Rund um die evangelische Kirche schmiegen sich dicht an dicht Fachwerk- und Schieferhäuser und bilden ein idyllisches Ensemble, dessen Ursprung bis ins Jahr 1220 zurückreichen. Der Platz, so wie er heute ist, ist weitgehend aus dem 18. Jahrhundert erhalten. Ein Durchgang führt auf den Platz Im Orth und auf die Elberfelder Straße.
Wer ein weiteres historisches Kleinod besichtigen will, folgt der Elberfelder Straße rund zehn Minuten vorbei an herrschaftlichen Häusern mit Jugendstilfassaden bis zu einem Kreisverkehr und biegt zunächst rechts in die Straße Waldschlösschen und wieder rechts in die Lukasstraße ab.
Dort thronen über der Stadt die
und das benachbarte Kutscherhaus. Der Textilfabrikant David Peters ließ sie 1877 am
historischen Stadtkern (3). Villa Petershall (4)
Rand eines Parks als Wohnhaus erreichten. Seine Fabrik stand gleich gegenüber. Nach einem Umbau zum Bürogebäude in den 1990er Jahren dient sie heute wieder ausschließlich Wohnzwecken.
Nun geht es die Elberfelder Straße zurück zum Ausgangspunkt des Spaziergangs. An der Kreuzung zur Klosterstraße kommen Wanderer an der ursprünglichen Wallfahrtskirche
vorbei. Anna von Bernsau ließ 1670 die Kirche errichten. Nachdem ein Großteil ihrer Untertanen zum reformierten Glauben übergetreten war, holte sich die Freifrau Unterstützung von den Franziskanern. Sie sollten die Abtrünnigen missionieren. Sie legten auch den Grundstein für das angrenzende
Die Kirche selbst war schon bald für die Pilgerströme zu klein. Also wurde sie im Jahr 1728 deutlich erweitert. Die Franziskaner zeigten sich durchaus rebellisch. Als Preußen 1875 die Schließung aller Klöster verfügte, weigerten sie sich strikt. Und siehe da, die preußische Regierung knickte ein und die Franziskaner durften bleiben. 340 Jahre lang waren sie fester Bestandteil von Neviges, bis sie im Januar 2020 endgültig aus Neviges verabschiedet wurden.
Schräg gegenüber des Klosters erzählt der ein Stück Stadtgeschichte. 1847 gebaut, stammt er aus der Zeit der ersten deutschen Eisenbahnstrecken, mit der Prinz-Wilhelm-Eisenbahn, die die Städte Essen und Wuppertal verband. Das denkmalgeschützte Haus wird heute als Restaurant genutzt, hat derzeit aber geschlossen.
Von hier aus geht es unter den Gleisen durch zur Bernsaustraße. Wer jetzt noch Lust hat, entdeckt auf der rechten Seite der Straße einen Weg, der zum hinaufführt. In Windungen verläuft er an 15 Stationen vorbei den gesamten Berg hinauf. Auf der höchsten Stelle erreichen die Pilger einen Versammlungsplatz vor der Marienkapelle. Auch Wanderer suchen den Ort gerne auf, um zwischen Rhododendronbüschen, alten Bäumen und Bänken Ruhe zu finden.
Von hier aus sind es nur noch ein paar Meter bis zum Ausgangspunkt, dem Pilgerparkplatz an der Bernsaustraße.
(5) Kloster (6). Alte Nevigeser Bahnhof (7) Marienberg (8)
Andrea Bindmann
Stadtspaziergänge bisher: Hilden, Heiligenhaus, Monheim, Wülfrath, Mettmann, Erkrath, Gruiten, Ratingen, Langenfeld. rp-online.de/mettmann