„Jugendliche sollen auf die Kanzel kommen“
Superintendent Frank Weber aus Haan will die Kraft der evangelischen Kirche stärken. Ein Gespräch.
Was bedeutet Ostern 2021 für die evangelische Kirche im Kreis Mettmann?
FRANK WEBER Ostern ist für uns Christen das Fest der Hoffnung. Diese Botschaft ist in diesem Jahr angesichts der Pandemie besonders aktuell und wichtig. Ja, die Infektions-Zahlen steigen wieder. Aber es steigt auch der Wille, bald wieder selbstbestimmt leben zu können. Hierzu gehört auch der Wunsch, unbeschwert in eine Kirche gehen zu können um „aufzutanken“. Digitale Gottesdienstformate sind gut und richtig. Aber nicht alle haben oder finden den Zugang dazu. Wir müssen also neue Wege finden, um auf die Menschen zuzugehen.
Kirche ist ein Gemeinschaftserlebnis. Und das ist jetzt viele Monate lang entfallen. Wie reagieren die Menschen darauf?
FRANK WEBER Da war und ist viel Einsamkeit. Viele, vor allem ältere Menschen, haben uns angerufen und gesagt: „Die Kirche kümmert sich gar nicht mehr um uns!“Deshalb haben wir viele Telefonaktionen angestoßen. Die Diakonie hat Hausbesuche und Lebensmittel-Bringedienste organisiert. Das sind kleine, ganz praktische Hilfen. Dennoch fühlen sich viele Menschen sehr allein gelassen und hilflos. Ich habe gerade eine Studie gelesen, wonach sich auch junge Menschen wieder unmittelbare Kontakt wünschen – und nicht bloß digitalen Austausch, über die sozialen Plattformen.
Wie versucht die evangelische Kirche im Kreis Mettmann, die Jugendlichen anzusprechen?
FRANK WEBER Wir sollten weniger sprechen, als vielmehr zuhören. Das ist die Haltung, die wir versuchen einzunehmen. Jugendliche wollen nicht mit Papieren abgespeist werden, sondern sie wollen mit ihren Zukunftsthemen ernst genommen werden. Deshalb haben wir vor zwei Jahren die Jugendlichen-Synode gegründet, die der Synode der Erwachsenen konkrete Themenvorschläge macht.
Durch Fridays für Future haben wir gelernt, dass es dabei um sehr wichtige, ernste Themen geht. Reicht das?
FRANK WEBER Nein. Ich wünsche mir, dass Jugendliche auch zu uns auf die Kanzel kommen und dort das Wort ergreifen; in den Kirchen, sobald Gottesdienste dort wieder möglich sind. Wir sollten das machen, was unser neuer Präses, Johannes Latzel, anregt – nämlich Ungewöhnliches auszuprobieren. Dies wollen wir aufnehmen.
Nun ist Ostern sehr überlagert von kommerziellen Angeboten. Es gibt das Ei und Hasen in jeder Form. Wie schwer hat es die evangelische Kirche, in diesem Rummel ihre Botschaften zu platzieren?
FRANK WEBER Wir werden das nicht mit tief theologischen Themen und Texten schaffen. Sondern wir müssen eine Übersetzungsarbeit für die Osterbotschaft leisten. So wollen wir nach Ostern den Gedanken des Bundespräsidenten aufgreifen und an die vielen Corona-Toten erinnern, in einer öffentlichen Seelsorge. Und gemeinsam mit unseren Nachbarkirchenkreis wollen wir Bäume pflanzen oder etwas Vergleichbares machen. Es geht mir darum, die Osterbotschaft, die Hoffnung, nicht nur in Worten, sondern ganz konkret auch durch Handlungen zu transportieren.
Wie realistisch ist solch eine Absicht angesichts der nachlassenden Bindewirkung von Kirche. Wie wollen sie es schaffen, die Menschen wirklich zu fesseln?
FRANK WEBER Vor allem müssen wir uns den jungen Menschen noch stärker zuwenden als bisher. Die entscheidenden Bindungen passieren im Alter zwischen 10, 14 und 18 Jahren. Wir planen in diesem Jahr die Neuaufstellung unseres Jugendreferates: ein Jugendbüro soll es werden. Unsere Synode muss zwar noch überzeugt werden, das mitzufinanzieren. Aber mir ist sehr wichtig, diesen Versuch zu unternehmen.
Warum?
FRANK WEBER Nach Corona werden wir nicht einfach zu dem zurückkehren, wo wir früher waren. Auch wenn viele Menschen das insgeheim hoffen – das wird nicht passieren. Um so wichtiger ist es, jetzt neue Impulse zu setzen.
Zurzeit reagieren viele Menschen rasch sehr gereizt. Gibt es da etwas, was man aus dieser Corona-Zeit an Positivem für sein weiteres Leben ziehen kann?
FRANK WEBER Das nehme ich auch wahr: Die Haut ist oftmals sehr, sehr dünn. Das stimmt. Aber diese Sensibilität für die anderen sollten wir uns bewahren. Und dann ist das eine Zeit, in der Klartext geredet wird, in der man schneller als früher zum Punkt kommt. Das finde ich gut. Und wir haben gerade gelernt, wie kostbar gemeinsam verbrachte Zeit ist. Wir in der evangelischen Kirche haben gelernt, unsere Gremiensitzungen zu verkürzen und in der so gewonnenen Zeit über ein wirklich wichtiges Thema miteinander zu reden. Und nicht bloß irgendwelche Tagesordnungen abzuarbeiten. Wenn wir das schaffen, finden wir gemeinsam zu mehr Gelassenheit, glaube ich.
Was haben Sie sich ganz persönlich für die Ostertage vorgenommen? FRANK WEBER Ich werde meine Mutter besuchen, die seit drei Jahren in einem Altenheim lebt. Und im vergangenen Jahr war das für mich sehr schlimm, als ich sie am 12. April nicht besuchen konnte. Das war Ostersonntag und ihr Geburtstag, den sie dann allein verbringen musste. Das war im ersten Lockdown. Und neben den Gottesdiensten möchte ich einen Osterspaziergang machen.
Wo wird der entlangführen?
FRANK WEBER Ich werde vermutlich an der Düssel entlang gehen – von Gruiten nach Hochdahl. Das ist einer meiner Lieblingswege, an der Gaststätte „Zum kühlen Grunde“vorbei.