Soll der Bund, oder soll er nicht?
Gesundheitspolitiker kritisieren, es fehlten Vorschläge für ein Corona-Gesetz.
BERLIN Nimmt man Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim Wort, bleiben ihr noch vier Tage Zeit, um bei der Corona-Bekämpfung von Bund und Ländern einen schlagkräftigen Plan vorzulegen. „Ich werde jetzt nicht tatenlos 14 Tage zusehen, und es passiert nichts, was eine Trendumkehr verspricht“, hatte Merkel bei Anne Will vor rund eineinhalb Wochen gesagt. Merkel zog in Erwägung, das Infektionsschutzgesetz zu ändern und mehr Kompetenzen an den Bund zu ziehen. Passiert ist seitdem wenig.
Am Mittwoch ließ die Kanzlerin mitteilen, dass die Bundesregierung einen „kurzen einheitlichen Lockdown“befürwortet. Ein gemeinsames, bundeseinheitliches Vorgehen sei wichtig. Einen konkreten Plan gibt es jedoch nicht. Stattdessen erneutes Abwägen: Ob und in welchem Umfang zusätzliche bundeseinheitliche Vorgaben notwendig seien, sei „Gegenstand laufender Beratungen“. Diskutiert wird auch über die Testpflicht von Geimpften. Personen mit vollständigem Impfschutz könnten so behandelt werden wie Menschen, die über ein tagesaktuell negatives Testergebnis verfügten, heißt es in einer Empfehlung
des Bundesgesundheitsministeriums.
Gesundheitspolitiker verschiedener Couleur kritisierten, dass es an konkreten Vorschlägen der Bundesregierung für ein Corona-Bundesgesetz fehle. „Viele Ankündigungen haben sich in Luft aufgelöst“, sagte FDP-Gesundheitsexperte Wolfgang Ullmann. Die FDP-Fraktion sei zwar dazu bereit, „über einen sinnvollen Vorschlag zu diskutieren“, forderte jedoch ein eigenes Gesetz. „Die Änderungen zum Infektionsschutzgesetz via Änderungsantrag an ein laufendes Gesetzesverfahren anzukoppeln, wäre nicht angemessen“, sagte Ullmann. Die parlamentarische Beratung bliebe auf der Strecke, Experten könnten nicht mehr angehört werden. Auch die Grünen kritisierten, dass den Worten der Kanzlerin bislang keine Taten gefolgt seien. „Es gibt keinen Gesetzentwurf der Bundesregierung,
der eine Grundlage für ein einheitliches und rechtsstaatliches Vorgehen des Bundes schaffen würde“, sagte Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink.
Innerhalb der Unionsfraktion herrscht Uneinigkeit, ob eine bundesgesetzliche Lösung praktikabel ist. Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) zeigte sich skeptisch, eine schnelle Lösung zu finden. Der Bundestag könne sich zwar jederzeit zu einer Sondersitzung treffen. „Allerdings spricht nicht viel dafür, dass man ein solches Gesetz ohne Zustimmung des Bundesrates erreichen kann“, sagte Frei. Die nächste reguläre Plenarsitzung des Bundesrates findet am 7. Mai statt. „Deswegen ist es schwierig, das zügig umzusetzen“, sagte der CDU-Politiker. Laut dem Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel (CDU), wäre der Bund bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen. „Die Länder müssen dafür einen Teil ihrer Kompetenzen dann aber auch bewusst abgeben, damit kein kontraproduktives Kompetenzgerangel entsteht“, so Rüddel. Die Vorsitzende des Innenausschusses, Andrea Lindholz (CSU), sprach sich klar für eine Gesetzesänderung aus. Sie halte es für richtig, „die Regeln verbindlicher, verständlicher und einheitlicher auszugestalten“.