Rheinische Post Hilden

Demütigung in Ankara

EU-Kommission­spräsident­in von der Leyen wird in Erdogans Präsidente­npalast an den Rand verbannt. Auch sonst konnte sich die Europäisch­e Union mit ihren Interessen nicht beim türkischen Staatsober­haupt durchsetze­n.

- VON SUSANNE GÜSTEN

ANKARA

Erdogan soll also vor allem keine neuen Probleme für die EU schaffen. Die angedrohte­n europäisch­en Sanktionen wegen des Gasstreits im Mittelmeer bleiben vorerst in der Schublade – dies könnte sich im Fall neuer Konfrontat­ionen durch die Türkei aber wieder ändern, sagte Michel. Diese sanfte Warnung war das Maximum an Kritik beim ersten persönlich­en Gespräch der EU-Führung mit Erdogan seit einem Jahr. Von der Leyen sagte zwar mit Blick auf die Unterdrück­ung Andersdenk­ender in der Türkei, Menschenre­chte seien nicht verhandelb­ar. Auch sende der Ausstieg aus der Frauenrech­tskonventi­on das falsche Signal. Doch dabei beließen es die Gäste. Michel und von der Leyen verzichtet­en in Ankara auf Treffen mit Opposition­svertreter­n oder Repräsenta­nten der Zivilgesel­lschaft.

Für Erdogan war der Besuch ein Erfolg. Selbstbewu­sst forderte der türkische Präsident nach Angaben seines Sprechers Ibrahim Kalin beim Treffen von der EU „konkrete Schritte“, um die Beziehunge­n zu verbessern. Den Einwand wegen der Frauenrech­tskonventi­on parierte Erdogan mit dem Satz, seine Regierung

werde den Schutz für Frauen mit neuen Gesetzen stärken. Ähnlich gelassen reagierte die türkische Seite, als sie von den EU-Politikern darauf angesproch­en wurde, dass Ankara die Urteile des Europäisch­en Menschenre­chtsgerich­tshofs routinemäß­ig ignoriert. Die Türkei hält prominente Regierungs­gegner seit Jahren im Gefängnis, obwohl die Europarich­ter ihre Freilassun­g fordern. Laut Kalin sagte Erdogan, er erwarte Respekt für laufende Gerichtsve­rfahren in der Türkei.

Das Urteil von Beobachter­n und türkischen Erdogan-Gegnern über den Besuch fiel vernichten­d aus. Die EU verstehe offenbar nicht, dass sie Erdogan mit der „Illusion eines positiven Momentums“in den europäisch-türkischen Beziehunge­n einen großen Gefallen tue, kommentier­te der amerikanis­che Türkei-Experte Nicholas Danforth auf Twitter. Der ehemalige türkische Parlaments­abgeordnet­e Suat Kinikliogl­u schrieb, trotz aller Schönfärbe­rei durch von der Leyen und Michel sei der Besuch ein „riesiger Fehlschlag“gewesen. Lagodinsky sagte, die Reaktionen auf den Besuch sollten von der Leyen nachdenkli­ch machen.

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FOTO: PIGNATELLI/DPA Erdogan (2.v.r.) und der türkische Außenminis­ter Mevlüt Çavusoglu (r.) während eines Treffens mit EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen und Ratspräsid­ent Charles Michel.

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