Corona beschränkt politischen Diskurs
Um Sitzungen in Pandemie-Zeiten kürzer zu halten, wird in den Ausschüssen des Rates bei Anfragen auf eine mündliche Debatte verzichtet. Der Infektionsschutz legt das nahe. Warum es trotzdem problematisch sein könnte.
DÜSSELDORF Sie gehören zum Markenkern der politischen Auseinandersetzung und Meinungsbildung: Anfragen zu drängenden oder wichtigen Themen im Stadtrat und seinen Ausschüssen. „Dieses Instrument darf nicht stumpf werden, indem man diesen Bereich komplett verschriftlicht“, sagt FDP-Ratsherr Mirko Rohloff. Doch genau das geschieht zur Zeit. Fragen, beispielsweise zum Corona-Management oder zu umstrittenen Verkehrsprojekten, werden zurzeit ausschließlich schriftlich beantwortet. Auch Nachfragen zu eben dieser Antwort der Verwaltung können – anders als sonst – nur schriftlich gestellt werden. Und werden dann wiederum in Schriftform beantwortet. Das kann dauern – im Zweifel bis zur nächsten Sitzung zwei Monate später.
Entschieden hat das der Ältestenrat, in dem die Spitzen aller Ratsfraktionen vertreten sind. „Grund ist die Corona-Pandemie, häufig hat das Prozedere rund um die Anfragen Sitzungen einfach zu sehr in die Länge gezogen. Das halten wir mit Blick auf einen konsequenten Infektionsschutz für kontraproduktiv“, sagt Norbert Czerwinski, Sprecher der Grünen-Ratsfraktion. In diesem Punkt sei sich der Ältestenrat im Übrigen einig.
Unumstritten ist die Entscheidung trotzdem nicht. Das Unbehagen der Politiker war in einigen Ausschuss-Sitzungen zuletzt deutlich spürbar. So setzte sich Andreas-Paul Stieber, christdemokratischer Ratsherr und Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, bei der vorletzten Sitzung des Gremiums
über die Empfehlung des Ältestenrats hinweg. Und ließ mündliche Nachfragen ausdrücklich zu. Auch Bürgermeisterin Klaudia Zepunkte (SPD) sowie die liberale Ratsfrau Christine Rachner, die sich beide in der Gesundheits- und Sozialpolitik engagieren, hatten zuvor erkennen lassen, dass ihnen eine kurze, dafür aber tagesaktuelle mündliche Debatte wichtig ist. Tenor: Warum soll ein Gesundheitsausschuss nicht über eine aktuelle Anfrage zur Pandemie reden dürfen, wenn die vorgegebene Sitzungsdauer von maximal zwei Stunden ohnehin unterschritten wird.
Auch im Gleichstellungsausschuss hatte es Stirnrunzeln gegeben, weil es bei gerade einmal drei relevanten Tagesordnungspunkten (jenseits der Regularien) keinen Austausch über die Fortschritte bei der Benennung von Straßen und
Plätzen nach Frauen geben konnte. Trotzdem hielt sich das Gremium an die Vorgabe.
Doch für ihre Entscheidung, die Debatte mit Hilfe der mündlichen Nachfragen offen zu halten, ernteten Ausschussvorsitzende, die zuletzt so entschieden, Kritik. Dabei liegt die letzte Entscheidung tatsächlich bei ihnen. Denn der Ältestenrat kann an diesem Punkt nur eine dringende Empfehlung aussprechen, wie auch Czerwinski einräumt.
„Ich dachte, es sei gut und vertretbar, der Demokratie an dieser Stelle wieder mehr Raum zu geben“, sagt Stieber. Trotzdem folgt er nun der Ansage der Fraktionsspitzen. „Ich bin Demokrat und als solcher auch bereit, einer parteiübergreifenden Bitte Folge zu leisten“, sagt er. Nach Einschätzung einiger Ratsleute zielt die Streichung mündlicher Nachfragen vor allem auf den Umgang kleinerer Fraktionen mit diesem Instrument. So hätten zuletzt Sitzungen mit zahlreichen Nachfragen, beispielsweise aus den Reihen von Tierschutz/Freie Wähler, Ratssitzungen unverhältnismäßig in die Länge gezogen und damit die im Moment erwünschte Beschleunigung verhindert.
„Das Instrument der mündlichen Nachfragen ist nicht abgeschafft und wird auch wieder Standard sein“, sagt Czerwinski. Bis es so weit ist, könnte nach Einschätzung Stiebers eine andere Maßnahme helfen, den demokratischen Austausch unter Wahrung des Infektionsschutzes zu erhalten. „Ich würde hybride Online-Sitzungen befürworten, aber leider steht der gesetzliche Rahmen dem bislang entgegen.“