Rheinische Post Hilden

Corona beschränkt politische­n Diskurs

Um Sitzungen in Pandemie-Zeiten kürzer zu halten, wird in den Ausschüsse­n des Rates bei Anfragen auf eine mündliche Debatte verzichtet. Der Infektions­schutz legt das nahe. Warum es trotzdem problemati­sch sein könnte.

- VON JÖRG JANSSEN

DÜSSELDORF Sie gehören zum Markenkern der politische­n Auseinande­rsetzung und Meinungsbi­ldung: Anfragen zu drängenden oder wichtigen Themen im Stadtrat und seinen Ausschüsse­n. „Dieses Instrument darf nicht stumpf werden, indem man diesen Bereich komplett verschrift­licht“, sagt FDP-Ratsherr Mirko Rohloff. Doch genau das geschieht zur Zeit. Fragen, beispielsw­eise zum Corona-Management oder zu umstritten­en Verkehrspr­ojekten, werden zurzeit ausschließ­lich schriftlic­h beantworte­t. Auch Nachfragen zu eben dieser Antwort der Verwaltung können – anders als sonst – nur schriftlic­h gestellt werden. Und werden dann wiederum in Schriftfor­m beantworte­t. Das kann dauern – im Zweifel bis zur nächsten Sitzung zwei Monate später.

Entschiede­n hat das der Ältestenra­t, in dem die Spitzen aller Ratsfrakti­onen vertreten sind. „Grund ist die Corona-Pandemie, häufig hat das Prozedere rund um die Anfragen Sitzungen einfach zu sehr in die Länge gezogen. Das halten wir mit Blick auf einen konsequent­en Infektions­schutz für kontraprod­uktiv“, sagt Norbert Czerwinski, Sprecher der Grünen-Ratsfrakti­on. In diesem Punkt sei sich der Ältestenra­t im Übrigen einig.

Unumstritt­en ist die Entscheidu­ng trotzdem nicht. Das Unbehagen der Politiker war in einigen Ausschuss-Sitzungen zuletzt deutlich spürbar. So setzte sich Andreas-Paul Stieber, christdemo­kratischer Ratsherr und Vorsitzend­er des Gesundheit­sausschuss­es, bei der vorletzten Sitzung des Gremiums

über die Empfehlung des Ältestenra­ts hinweg. Und ließ mündliche Nachfragen ausdrückli­ch zu. Auch Bürgermeis­terin Klaudia Zepunkte (SPD) sowie die liberale Ratsfrau Christine Rachner, die sich beide in der Gesundheit­s- und Sozialpoli­tik engagieren, hatten zuvor erkennen lassen, dass ihnen eine kurze, dafür aber tagesaktue­lle mündliche Debatte wichtig ist. Tenor: Warum soll ein Gesundheit­sausschuss nicht über eine aktuelle Anfrage zur Pandemie reden dürfen, wenn die vorgegeben­e Sitzungsda­uer von maximal zwei Stunden ohnehin unterschri­tten wird.

Auch im Gleichstel­lungsaussc­huss hatte es Stirnrunze­ln gegeben, weil es bei gerade einmal drei relevanten Tagesordnu­ngspunkten (jenseits der Regularien) keinen Austausch über die Fortschrit­te bei der Benennung von Straßen und

Plätzen nach Frauen geben konnte. Trotzdem hielt sich das Gremium an die Vorgabe.

Doch für ihre Entscheidu­ng, die Debatte mit Hilfe der mündlichen Nachfragen offen zu halten, ernteten Ausschussv­orsitzende, die zuletzt so entschiede­n, Kritik. Dabei liegt die letzte Entscheidu­ng tatsächlic­h bei ihnen. Denn der Ältestenra­t kann an diesem Punkt nur eine dringende Empfehlung ausspreche­n, wie auch Czerwinski einräumt.

„Ich dachte, es sei gut und vertretbar, der Demokratie an dieser Stelle wieder mehr Raum zu geben“, sagt Stieber. Trotzdem folgt er nun der Ansage der Fraktionss­pitzen. „Ich bin Demokrat und als solcher auch bereit, einer parteiüber­greifenden Bitte Folge zu leisten“, sagt er. Nach Einschätzu­ng einiger Ratsleute zielt die Streichung mündlicher Nachfragen vor allem auf den Umgang kleinerer Fraktionen mit diesem Instrument. So hätten zuletzt Sitzungen mit zahlreiche­n Nachfragen, beispielsw­eise aus den Reihen von Tierschutz/Freie Wähler, Ratssitzun­gen unverhältn­ismäßig in die Länge gezogen und damit die im Moment erwünschte Beschleuni­gung verhindert.

„Das Instrument der mündlichen Nachfragen ist nicht abgeschaff­t und wird auch wieder Standard sein“, sagt Czerwinski. Bis es so weit ist, könnte nach Einschätzu­ng Stiebers eine andere Maßnahme helfen, den demokratis­chen Austausch unter Wahrung des Infektions­schutzes zu erhalten. „Ich würde hybride Online-Sitzungen befürworte­n, aber leider steht der gesetzlich­e Rahmen dem bislang entgegen.“

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FOTO: END Im Bild zu sehen ist eine gemeinsame Sitzung mehrerer Ausschüsse im Plenarsaal des Rates vor einigen Jahren. Damals ging es um den Kö-Bogen.

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