Corona: Vereine in die Strategie einbinden
Landessportbund-Präsident Stefan Klett sieht den Sport als Teil der Lösung in der Pandemie.
KREIS METTMANN Das erste seiner zunächst vier Amtsjahre hatte sich Stefan Klett „natürlich nicht“so vorgestellt. Im Januar 2020 war er zum Präsidenten des Landessportbundes (LSB) gewählt worden, dann kam Corona und warf alle Pläne über den Haufen. „Da ging es dann vor allem darum, Vereinen bei der Umsetzung der Coronaschutzverordung zu helfen und zu versuchen, die besondere Rolle des Sports zu verdeutlichen“, sagt der 53-Jährige.
Letzteres sei mit Beginn dieses Jahres mit dem Stufenplan zur schrittweisen Öffnung im Sport dann auch gelungen – also fast ein Jahr nach Beginn der Pandemie. Ist das nicht frustrierend, dass es so lange braucht, bis die Politik den Wert des Sports verstanden hat? „Darum ging es ja nicht“, antwortet Klett. „Am Wert des Sports gab es keinen Zweifel. Es war aber wichtig, klarzustellen, dass Sport in seiner Art eine Sonderrolle hat. Wir können in unseren Vereinen die Nachvollziehbarkeit gewährleisten und können inzwischen sagen, dass es keinen Corona-Hotspot in einem unserer 18.000 Vereine in NRW gegeben hat. Wir bieten eine große Sicherheit, und Sport ist mit Blick auf die Gesundheit Teil der Lösung.“
Nun sind es nach rund einem Jahr Pandemie aber eben keine 18.000 Vereine mehr. Seit 2020 ist die Zahl um 238 Klubs gesunken, es sind nur noch 17.865. Die Gesamtzahl der Mitglieder im LSB ist erstmals seit 2004 wieder unter fünf Millionen gesunken: 4.918.079 Menschen weist die Statistik von 2021 aus, im Vorjahr waren es noch 207.868 mehr (5.125.947). Das war zugleich der generelle Höchststand. Die Entwicklung ist im Kreissportbund Mettmann (KSB) dieselbe: Zu 2020 gibt es ein Minus von sieben Vereinen (aktuell 416) und von 9542 Mitgliedern (aktuell 112.428). Der Höchststand war 2013 mit 127.941.
Stellvertretend für Großvereine sagt Marion Weißhoff-Günther als Vorsitzende des TV Ratingen und stellvertretende Vorsitzende des KSB: „Wir haben Mitgliederzahlen wie vor elf Jahren. Die Arbeit der letzten zehn Jahre hat Corona in die Luft geblasen. Der Brocken ist weg, das holt man frühestens in fünf Jahren wieder auf.“
Zwar gehen die Zahlen seit Jahren kontinuierlich ein wenig nach unten, das aktuelle Minus auf Kreisund Landesportbund-Ebene ist aber eindeutig corona-gemacht. „Vorher hatten wir eine normale Fluktuation und lagen stabil bei rund fünf Millionen Mitgliedern“, sagt der LSBChef. „Die Pandemie hat aber nun dafür gesorgt, dass es keine Kompensation durch Neueintritte gegeben hat. Insgesamt sehen wir zwar nur einen Mitgliederverlust von drei Prozent von 5,1 Millionen, aber die Großvereine trifft es besonders. Da gibt es Verluste von 13 Prozent und mehr“, sagt Klett mit Blick auf Klubs wie den TV Ratingen, die SG Langenfeld, den TSV Hochdahl oder Mettmann-Sport. „Diese Großvereine sind von ihren Betriebskosten ganz anders aufgestellt als kleinere
Klubs, immerhin sorgen sie ja auch für viel Infrastruktur in ihren Kommunen. Darum müssen wir sie auch mit Blick auf ihre höheren Mitgliederverluste unterstützen. Wir setzen uns dafür ein, dass Trainer gefördert werden, es Betriebskostenzuschüsse gibt oder einen Förderanreiz für neue Mitglieder.“
200.000 Euro hat der LSB aus seinen eigenen Mitteln für die Großvereine ausgewiesen, zusätzlich zu der Summe von 1,25 Millionen Euro für die Kampagne „#trotzdemSPORT“. Diese Mittel sind „zunächst erschöpft“, sagt Klett, betont aber auch: „Es muss ein Gesamt-Kraftakt werden. Wenn es gelingt, mithilfe der Kommunen, der Vereine und des LSB wieder Sport zu ermöglichen, ist viel gewonnen. Das muss eine abgestimmte, gemeinschaftliche Aktion sein. Der Verein vor Ort muss in der Lage sein, seinen Mitgliedern
etwas bieten zu können.“Ins Spiel bringt Klett dabei eine Idee, die – wenn sie nicht an behördlichen Bedenken scheitert – pragmatisch sein kann: „Wir könnten doch die Vereine in die Teststrategie miteinbeziehen, mit den Gesundheitsämtern,
und so weiter. Wenn die Vereine in der Lage wären, ihre Mitglieder vor dem Zutritt auf das Vereinsgelände testen zu lassen oder sich einen frischen negativen Test vorzeigen lassen könnten, wäre das doch besser als der aktuelle Stand.“
Zwar betont der LSB-Präsident, dass es „eine der Ideen ist, die ich persönlich verfolge“und keine Absichtserklärung seines Sportbundes, aber diese Idee könnte – so sie denn auch finanzierbar ist – etwas bieten, dass Vereinen und Sportwilligen derzeit fehlt: eine Perspektive.
Die ist dann auch der Wunsch, den Klett formuliert: „Selbst wenn noch zehn, 14 Tage ein harter Lockdown sein müsste, würden wir das mittragen, aber danach sollte der Stufenplan schnellstmöglich umgesetzt werden. Es muss eine Perspektive da sein, die einhergeht mit einer Impf- und Teststrategie.“Bei der die Vereine möglicherweise helfen könnten. Bereit dazu wären sie sicher, denn sie begreifen sich als Teil der Lösung. Die kann zwar nur gesamt-gesellschaftlich erfolgen, aber Sportvereine bilden eine Gesellschaft eben nicht nur ab – sie sind ein Teil davon.