Kinderärzte und Apotheker wollen impfen
Im Sommer steigt die Zahl der Impfdosen pro Praxis und Woche auf 300. Dann könnte die Logistik zum Problem werden. Apotheken stehen bereit mitzuimpfen – sie haben bereits Erfahrung bei der Grippe.
DÜSSELDORF Mit der Einbeziehung der Hausärzte nimmt die Impfkampagne Fahrt auf. Inzwischen werden bundesweit täglich 458.000 Menschen gegen das Coronavirus geimpft. Und bald ist nicht mehr der Impfstoff das Problem, dann könnte es die Logistik sein. Entsprechend fordern nun Kinderärzte und Apotheker eine Einbeziehung in die Impfkampagne.
„In dieser und der nächsten Woche gibt es im Schnitt 24 Dosen pro Praxis. Ab der 17. Kalenderwoche gibt es bereits 40 Dosen pro Praxis, in der 18. Kalenderwoche sogar 70 Dosen“, rechnet Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, vor. Mehr noch: „Im Sommer können es dann sogar etwa 300 Dosen pro Woche und Praxis sein. Die Frage ist, ob die Praxen das überhaupt noch verimpfen können, zumal der normale Praxisalltag ja weitergeht.“
In wenigen Wochen werde man mehr als genug Impfstoffe zur Verfügung haben. „Die Gefahr besteht, dass dann Impftermine in Arztpraxen und Impfzentren so begehrt sein werden wie jetzt die Impfstoffe“, so Preis weiter. Deshalb müssten dann im ersten Schritt auch Betriebsärzte und privat tätige Ärzte mit in die Kampagne einbezogen werden. „Das Ziel muss sein, dass am Ende der Woche keine Impfdosen mehr in den Kühlschränken verbleiben dürfen, alles muss sofort verimpft werden“, so Preis.
Man sollte auch kreativ sein bei der Suche nach Räumen, fordert der Apothekerverbands-Chef. Erfreulicherweise böten Pfarrgemeinden aus dem Bistum Köln bereits Pfaarsäle an, in die niedergelassene Ärzte ausweichen können. Zudem schlägt Preis vor: „In einem weiteren Schritt sollte man darüber nachdenken, auch Apotheker einzubeziehen.“Schon jetzt hätten sich Apotheker bei der Durchführung von Corona-Tests als wichtiger Dienstleister in der Pandemie-Bekämpfung erwiesen und hierfür oft Räumlichkeiten außerhalb der Betriebsräume genutzt. „Wenn es im Laufe
des Sommers ein Überangebot an Impfstoffen gibt, müsste man überlegen, die Apotheken in das Impfgeschehen mit einzubeziehen“, so Preis. „So könnte die Impfkampagne schneller voran schreiten.“Bis jetzt seien bereits 250 Apotheker im Rheinland für die Durchführung von Grippeschutzimpfungen ausgebildet. „Bis zum Sommer haben wir das Ziel, diese Zahl auf 500 bis 1000 in NRW zu erhöhen – auf diesen Erfahrungen können wir aufbauen.“
Dass nicht nur Ärzte impfen, ist in anderen Ländern bereits üblich. „Auch in Ländern wie Großbritannien, Dänemark, Frankreich, der Schweiz und den USA sind Apotheker bereits in die Corona-Impfungen einbezogen“, so Preis. Die USA und Großbritannien sind beim Impfen ihrer Bevölkerung besonders weit.
Bislang impfen in den deutschen Praxen vor allem Hausärzte und Gynäkologen. Aber auch Kinderärzte wollen einbezogen werden. „Kinderund Jugendärzte müssen ebenso impfen können wie die Erwachsenenmediziner. Wir müssen unsere jugendlichen Patienten, ihre Eltern, Großeltern und weitere Bezugspersonen impfen können, hoffentlich bald dann auch Kinder unter 16 Jahren
mit geeigneten Impfstoffen“, sagte Thomas Fischbach, Chef des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ).
Bislang liefert der Hersteller Biontech den einzigen Impfstoff für Jugendliche, er darf ab 16 Jahren gegeben werden. Zudem sind Biontech-Studien für Kinder ab zwölf Jahren vielversprechend. „Impfstoffe, die ab dem Alter von 16 Jahren zugelassen sind, sollten sofort an alle Jugendlichen ab 16 mit schweren chronischen Erkrankungen verimpft werden“, fordert Fischbach. „Die bisherige Corona-Politik von Bund und Ländern hat weder das Grundrecht unseres Nachwuchses auf Bildung noch auf körperliche Unversehrtheit angemessen im Blick. Entwicklungschancen einer ganzen Generation werden leichtfertig gefährdet.“Das müsse sich ändern. Eltern und Bezugspersonen chronisch kranker Kinder müssten analog zu den Kontaktpersonen von Schwangeren prioritär geimpft werden.
Aktuell werden in Deutschland drei Impfstoffe gespritzt: von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca. Bald kommt Johnson & Johnson (J&J) hinzu. Der US-Konzern hat am Montag mit der Auslieferung an die Europäische Union begonnen. Er hat sich verpflichtet, bis Ende Juni 55 Millionen Dosen an die EU zu liefern. Der Charme dieses Impfstoffes besteht darin, dass er mit einer Dosis auskommt. Wie Astrazeneca ist das Mittel von J&J ein Vektorimpfstoff. Auch hier untersucht die Europäische Arzneiagentur einen möglichen Zusammenhang mit seltenen Thrombosen.
„Das Vertrauen in den Astrazeneca-Impfstoff ist durch das Hin und Her von Politik und Behörden bei zu vielen Menschen zerstört worden. Er kann jetzt ohne langwierige Beratung nicht verimpft werden. Er eignet sich aber hervorragend zur freiwilligen Impfung in den Impfzentren“, sagt Thomas Preis. Er rät, dass niedergelassene Ärzte nur Biontech verimpfen, langwieriger Beratungen entfielen, das erhöhe die Geschwindigkeit.