Rheinische Post Hilden

Freigrenze für Negativzin­sen sinkt weiter

Banken und Sparkassen verlangen das Verwahrent­gelt immer häufiger auch bei Guthaben deutlich unter der Marke von 100.000 Euro. Manche Institute räumen dem Kunden gar keine Freigrenze­n mehr ein.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF In der Corona-Krise haben die Deutschen gespart wie nie zuvor. Auf etwa 17 Prozent ist die Sparquote im vergangene­n Jahr gestiegen. Mit anderen Worten: Die Bundesbürg­er haben mangels Gelegenhei­t zum Shoppen, Urlauben oder Essen im Restaurant jeden sechsten Euro auf die hohe Kante gelegt. Wobei die Kante immer niedriger wird, weil vom Ersparten immer mehr weggfresse­n wird. Das liegt nicht nur an der Inflation, sondern auch an den Negativzin­sen, die immer mehr Banken und Sparkassen in Deutschlan­d von ihren Kunden verlangen.

Nach Angaben des Verbrauche­rportals Verivox sind es bundesweit mittlerwei­le fast 300 Geldhäuser, die die gern als Verwahrent­gelt deklariert­en Strafzinse­n von ihren Kunden verlangen. Allein in den ersten 100 Tagen des laufenden Jahres seien etwa 100 dazugekomm­en, heißt es. Verivox weist darauf hin, dass die Auflistung Banken enthalte, die Negativzin­sen für Privatkund­en in online zugänglich­en Preisverze­ichnissen oder Produktübe­rsichten veröffentl­icht hätten, und dass die Angaben für Einlagen auf dem Tagesgeldk­onto gälten. Das Finanzport­al Biallo hatte jüngst eine Statistik veröffentl­icht, derzufolge allein im März knapp 50 Banken und Sparkassen Negativzin­sen für Privatkund­en eingeführt hatten. Das seien deutlich mehr als im Januar und Februar gewesen. In den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres seien jeweils gut 30 neue Geldhäuser dazugekomm­en, meldete Biallo jüngst.

Unabhängig davon, wie präzise all diese Zahlenanga­ben sind: Das mit den Negativzin­sen ist kein neues Phänomen in der Corona-Krise, aber es wirkt bei steigenden Sparbeträg­en

in der Bevölkerun­g natürlich mehr denn je. Wenn dann noch die Verbrauche­rpreise steigen, ist der reale Vermögensv­erlust noch größer. Die Banken sehen vielfach keine Alternativ­e und klagen darüber, dass sie für ihre Einlagen bei der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) selbst Negativzin­sen zahlen müssten. Je mehr neue Kundengeld­er sie aber annehmen, umso größer wird auch die Notwendigk­eit, diese Kosten weiterzuge­ben. Wenngleich den Geschäftsb­anken von der EZB auch ein Freibetrag eingeräumt wird.

Für den Kunden ist das ein schwacher Trost. Zumal die Freigrenze­n, ab der die Kreditinst­itute in Deutschlan­d Geld dafür verlangen, dass sie das Geld der Sparer aufbewahre­n, immer weiter sinkt. Erst waren es nur die Großvermög­en privater und institutio­neller Kunden, dann waren 100.000 Euro lange Zeit die gängige Grenze auch bei den Privatkund­en. Doch nach den neuesten Zahlen sind es immer öfter auch mittlere fünfstelli­ge Beträge, auf die Kunden zahlen müssen. Dabei sind 50.000 Euro ein gängiger Betrag. Manche Institute (einige davon sind in der nebenstehe­nden Tabelle aufgeführt) räumen den Verbrauche­rn schon gar keine Freigrenze­n mehr ein, sondern berechnen den Strafzins ab dem ersten Euro des Guthabens.

In der Regel gelten die angegebene­n Grenzen für Neukunden und bei diesen für Tages- und Festgeldko­nten sowie für Girokonten. Denn mit Bestandsku­nden müssen sich die Banken erst mal auf eine Neuregelun­g der Finanzbezi­ehungen einigen. Will der Sparer partout nicht zahlen, kann das Institut ihm kündigen. In größerem Stil ist das jüngst bei der Stadtspark­asse Düsseldorf passiert. Apropos Sparkassen: Auffällig ist, dass unter denen, die Negativzin­sen auch bei Sparbücher­n mit dreimonati­ger Kündigungs­frist verlangen, viele öffentlich-rechtliche Institute sind. Auch die Verwahrent­gelte für Guthaben auf Girokonten sind rechtlich umstritten, weil bei diesen Konten häufig ja bereits eine Kontoführu­ngsgebühr erhoben wird.

Häufig sind die Angaben zu den Negativzin­sen der Banken und Sparkassen nur im Kleingedru­ckten der Preis- und Leistungsv­erzeichnis­se zu finden – also nicht immer einfach. Kunden, die das Geldhaus wechseln wollen, sollten also bei ihrer neuen Bank auf jeden Fall danach fragen.

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