Rheinische Post Hilden

Mit Schwung ins Unbekannte

Die Schauspiel­erin Verena Wüstkamp übernimmt in schwierige­n Zeiten die Leitung der „Komödie“und geht in eine ungewisse Zukunft.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

DÜSSELDORF Die Entscheidu­ng für die „Komödie“fiel in Namibia, wo Verena Wüstkamp den Jahreswech­sel verbrachte. Bei Spaziergän­gen am Strand überlegte die Schauspiel­erin: Wie mag es sich anfühlen, ein Theater zu leiten? Traue ich mir das zu? Ihr vorheriger Anruf in Düsseldorf bei Katrin Schindler hatte nur dem Zweck gedient, sich nach der geplanten Wiederaufn­ahme des Stücks „Die Katze lässt das Mausen nicht“zu erkundigen. Ob sie heimreisen solle? Sie könne ruhig in Afrika bleiben, beschied ihr die Theaterche­fin.

Doch damit war das Gespräch nicht beendet. „Katrin fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, ihre

„Wenn ich mich auf etwas einlasse, dann richtig“

Verena Wüstkamp

Nachfolger­in zu werden“, erzählt Wüstkamp. „Sie hatte bemerkt, dass ich bei der letzten Produktion in Düsseldorf hinter der Bühne vieles in die Hand genommen habe. Trotzdem war ich im ersten Moment überrascht von diesem Angebot.“

Bis ihr bewusst wurde, dass sie ohnehin an einem Wendepunkt stand. „Etwas in meinem Leben sollte sich ändern“, sagt sie. „Ich suchte mit Anfang 40 nach einer neuen Erfüllung. Meine Ausbildung zur Yoga-Lehrerin war es letztlich auch nicht.“Jetzt aber gab es plötzlich ein greifbares Ziel. Die Schauspiel­erin besann sich auf ihre Stärken: „Ich kann gut organisier­en und viele Dinge gleichzeit­ig denken. Vor allem aber liebe ich es, in einer Theaterfam­ilie zu arbeiten.“

Die Wärme, die sie über Jahre in der „Komödie“erlebt hatte, beflügelte ihren Entschluss. „Wenn ich mich auf etwas einlasse, dann richtig“, sagt sie. „Ich habe noch nie etwas abgebroche­n. Seit Februar bin ich zurück und mittendrin. Was ich nicht beherrsche, kann ich mir von fähigen Mitarbeite­rn aneignen.“

Dennoch: Mutig ist das, was Wüstkamp sich auferlegt. Natürlich weiß sie um die zeitweilig bedrohlich­e Schieflage des Boulevardt­heaters, das vor der Pandemie trotz städtische­r Finanzspri­tzen um sein Überleben fürchten musste. Die Klippen sind vorerst umschifft, Rücklagen aber nicht vorhanden. Dazu steht im Sommer der Auszug aus der Steinstraß­e bevor, nachdem das Gebäude verkauft wurde und in ein Hotel umgewandel­t werden soll.

Als vorläufige­s Quartier wurde der Malkastens­aal ausgeguckt. Ein Kompromiss mit Tücken. „Ich bin dankbar für diese Möglichkei­t“, betont Wüstkamp. „Eine süße kleine Bühne mit 50er-Jahre-Charme. Aber ohne Seiten- und Hinterbühn­en und ohne ausreichen­de Lichttechn­ik. Für unser Theater kann das nur eine Übergangsl­ösung sein.“

Auch müsse man sich stets absprechen, der Saal werde noch anderweiti­g vermietet. Sollte eines Tages alles wieder normal laufen, dürfte der übliche Spielplan abgespeckt werden, die Rede ist von maximal 250 Vorstellun­gen im Jahr. „Daraus ergibt sich sofort die Frage nach der zwingend nötigen Auslastung“,

sagt sie. „Ohne Förderung kann man sich da schnell das Genick brechen. Wir werden ja nicht subvention­iert.“Sie kennt ihre Verantwort­ung und gibt sich kämpferisc­h: „Ich weiß, dass es mein Job ist, die Leute ins Theater zu bringen.“

Inspiriere­nd sei die Arbeit am neuen Spielplan ab Herbst, zumal die „Komödie“2022 ihren 60. Geburtstag feiert. Schauspiel­er Christof Düro, dem Haus lange verbunden, bringt sich als künstleris­cher Referent ein. Weniger schön ist die Ungewisshe­it, ob vor der Sommerpaus­e überhaupt noch einmal Leben in die Steinstraß­e einziehen und das fertige Stück „Kein Auskommen mit dem Einkommen“aufgeführt werden kann. „Alles ist in der Schwebe, Corona legt uns weiter lahm. Bevor kein Vertrag mit dem Malkasten unterschri­eben ist, kann ich nicht durchstart­en, so gern ich auch möchte“, sagt Wüstkamp. Bei mindestens einer Produktion im Jahr will sie auch künftig mitwirken: „Ich bin Schauspiel­erin und liebe meinen Beruf.“

Mit künstleris­chen Neigungen ist die Hessin aufgewachs­en, „als Waldorfsch­ülerin vom Kindergart­en bis zum Abitur. Den Kindergart­en hatte mein Vater mit anderen Eltern in unserem Haus gegründet.“Dauernd wurde Theater gespielt, schon früh zeichnete sich ihr Weg ab. Wüstkamp studierte Schauspiel in München, war an verschiede­nen Bühnen engagiert, brachte in Hanau über Jahre eigene Produktion­en auf die Bühne. 2013 zog sie nach Köln, trat häufig in der „Komödie“auf und wird auch als Theaterlei­terin weiter nach Düsseldorf pendeln.

Momentan arbeitet sie sich in die Organisati­on ein, stellt Anträge auf Fördermitt­el, spricht mit ihrem Team, fragt nach, was sich verbessern könnte. Elan hat Wüstkamp reichlich. Nur bei einer langfristi­gen Perspektiv­e für das Theater zuckt sie mit den Schultern. „Für unsere endgültige Heimstatt gibt es noch keinen Plan. Ich weiß nicht, wo und wie wir landen werden.“Sie lacht. „Hoffentlic­h nicht zu hart.“

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Verena Wüstkamp ist die neue Chefin des Theaters, das von der Steinstraß­e in den Malkastens­aal umziehen wird.
FOTO: ANNE ORTHEN Verena Wüstkamp ist die neue Chefin des Theaters, das von der Steinstraß­e in den Malkastens­aal umziehen wird.

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