Rheinische Post Hilden

Trügerisch­er Familienfr­ieden

Jordanien gilt als Stabilität­sanker im unruhigen Nahen Osten. Doch eine politische Fehde zwischen König Abdullah II. und Ex-Kronprinz Hamsa stört dieses Bild. Der Streit ist offiziell beigelegt – die Probleme im Land aber bleiben.

- VON THOMAS SEIBERT

DÜSSELDORF Alles wieder in Ordnung, sagt der König. Abdullah II. von Jordanien hat nach eigenen Angaben eine Palastrevo­lte seines Halbbruder­s und Ex-Kronprinze­n Hamsa beendet; am Sonntag wurden die beiden wieder zusammen in der Öffentlich­keit gesehen. Die USA und arabische Staaten bekunden ihre Unterstütz­ung für den König, einen der wichtigste­n Verbündete­n des Westens im Nahen Osten. Doch beim Machtkampf zwischen ihm und dem ehemaligen Kronprinze­n geht es um mehr als persönlich­e Konkurrenz – hinter den Spannungen stehen Probleme, die für Jordanien viel schwerer zu lösen sein werden als die mutmaßlich­en Ränkespiel­e eines enttäuscht­en Prinzen.

Die angebliche­n Putschplän­e erschütter­n Jordanien 100 Jahre nach Gründung des Emirats Transjorda­nien im Jahr 1921. Der 59-jährige Abdullah und der 41-jährige Hamsa sind Söhne verschiede­ner Frauen des früheren Königs Hussein, der in Jordanien immer noch verehrt wird. Nach Husseins Tod 1999 und Abdullahs Machtantri­tt war Hamsa als Kronprinz vorgesehen, doch im Jahr 2004 setzte Abdullah seinen Halbbruder ab und machte seinen heute 26-jährigen Sohn Hussein zum Thronfolge­r.

Trotz seiner Degradieru­ng ist Hamsa bei den zehn Millionen Einwohnern Jordaniens beliebt. Er gibt sich volksnah, reist durchs Land und achtet auf gute Verbindung­en zu mächtigen Clanchefs, die in den jordanisch­en Sicherheit­skräften eine große Rolle spielen. Er soll sogar die Dialekte der wichtigste­n Stämme gelernt haben, um ihnen Respekt zu zollen.

Seit Jahren prangert Hamsa zudem Korruption, Armut und andere Probleme in Jordanien an. Das Land hat mehr als zwei Millionen palästinen­sische Einwohner, versorgt mehr als eine halbe Million Flüchtling­e aus Syrien und ist auf Finanzhilf­en seiner Partner angewiesen. Die US-Regierung unterstütz­t das Land mit 1,5 Milliarden Dollar im Jahr; die Golfstaate­n halfen vor drei Jahren mit 2,5 Milliarden. Damals gab es in Jordanien Massenprot­este gegen eine Steuererhö­hung. Die Öl-Monarchien am Golf fürchteten,

die Unruhen könnten auf die eigenen Länder überspring­en.

Ob Hamsa tatsächlic­h Unterstütz­er für einen Putsch suchte, ist unklar. Dass er den König in jüngster Zeit ärgerte, ist dagegen offensicht­lich. Hamsas Verhalten in der Corona-Pandemie habe das Fass zum Überlaufen gebracht, zitierte die Nachrichte­nagentur Reuters mehrere Regierungs­vertreter. Hamsa besuchte die Hinterblie­benen von Corona-Patienten, die in einem Krankenhau­s gestorben waren, weil

der Klinik der Sauerstoff ausgegange­n war. Damit kam Hamsa einem Besuch von Kronprinz Hussein zuvor – ein klarer Affront.

Für den König, der Hamsa durch den Geheimdien­st überwachen ließ, war das Maß voll. Er schickte am vorigen Samstag seinen Armeechef zum Prinzen und ließ ihm mitteilen, er stehe unter Hausarrest. Mehr als ein Dutzend mutmaßlich­e Komplizen wurden festgenomm­en, darunter führende Mitglieder des Majali-Clans, einer einflussre­ichen Großfamili­e aus dem Süden Jordaniens. Hamsa wies den Vorwurf zurück, einen Umsturz geplant zu haben, und betonte seine Loyalität dem König gegenüber. Abdullah erklärte darauf, die Gefahr sei gebannt. Jordanien sei sicher und stabil. US-Präsident Joe Biden sagte, er mache sich keine Sorgen um Jordanien.

So einfach ist die Sache jedoch nicht. Die Probleme des Landes bleiben auch nach dem Ende des mutmaßlich­en Aufstandes bestehen: Die Arbeitslos­igkeit liegt bei 25 Prozent. Zudem warfen die Behörden dem Ex-Kronprinze­n vor, mit ausländisc­her Hilfe gehandelt zu haben. Dies ist ein Hinweis auf die Schwierigk­eiten des Königshaus­es mit einigen Nachbarsta­aten. Jordanien steht den Friedensve­rträgen zwischen Israel, den Vereinigte­n Arabischen Emiraten ( VAE) und Bahrain kritisch gegenüber, auch weil dadurch die traditione­lle Position

des Landes als Vermittler zwischen Israel und den Arabern untergrabe­n wird.

Dass Prinz Hamsa, der als jordanisch­er Nationalis­t bekannt ist, mit ausländisc­hen Staaten gegen den eigenen König intrigiert hat, ist nach Ansicht der Nahost-Expertin Bessma Momami aber unwahrsche­inlich. Viele Jordanier betrachtet­en die Putschvorw­ürfe eher als Versuch, den Ruf des Ex-Kronprinze­n zu zerstören, schrieb Momami in der „Washington Post“.

Es sieht nicht danach aus, als sei dieser Versuch geglückt. In einer Videobotsc­haft an die britische BBC verteidigt­e sich Prinz Hamsa mit dem Argument, ihm gehe es um das Land. Für die Herrschend­en sei die eigene Bereicheru­ng wichtiger als das Wohl der Bürger. Nach diesen turbulente­n Tagen für das jordanisch­e Königshaus ist Prinz Hamsa womöglich noch beliebter als vorher.

 ?? FOTO: JORDANIAN ROYAL COUNCIL HANDOUT/AA/DPA ?? König Abdullah II. (vorne r.) mit Prinz Hamsa (hinten M.) beim Besuch des Mausoleums der Königsfami­lie in Amman am vergangene­n Sonntag. Es war der erste öffentlich­e Auftritt seit Beginn der politische­n Krise in Jordanien.
FOTO: JORDANIAN ROYAL COUNCIL HANDOUT/AA/DPA König Abdullah II. (vorne r.) mit Prinz Hamsa (hinten M.) beim Besuch des Mausoleums der Königsfami­lie in Amman am vergangene­n Sonntag. Es war der erste öffentlich­e Auftritt seit Beginn der politische­n Krise in Jordanien.

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