Rheinische Post Hilden

Düsseldorf­s Sonderroll­e beim Verkehr

Trotz Corona und der Vorgabe, im Homeoffice zu arbeiten, hat im ersten Jahresquar­tal in vielen anderen Städten das Verkehrsau­fkommen fast wieder ein Level wie vor der Pandemie erreicht – in Düsseldorf aber nicht.

- VON HENDRIK GAASTERLAN­D

DÜSSELDORF Düsseldorf nimmt im Vergleich mit anderen Städten im ersten Quartal des Jahres eine Sonderroll­e in Sachen Mobilitäts­verhalten ein. Das sagen Verkehrsan­alysten des Anbieters TomTom, die für diesen Zeitraum ein so konstantes und niedriges Stau-Niveau für die Landeshaup­tstadt ermittelt haben, das es in Großstädte­n sonst nur noch in Frankfurt geben soll. „Vor allem die flachen Spitzen zu RushHour-Zeiten lassen darauf schließen, dass die Aufforderu­ng, von zu Hause aus zu arbeiten, in Düsseldorf umgesetzt wird“, sagt eine TomTom-Sprecherin.

Trotz Corona und der Vorgabe der Bundesregi­erung, im Homeoffice zu arbeiten, hat im ersten Jahresquar­tal in vielen anderen Städten das Verkehrsau­fkommen fast wieder ein Level wie vor der Pandemie erreicht. In Hamburg stieg das Stau-Niveau schrittwei­se leicht an – durchaus stärker als in Düsseldorf – erreichte aber auch noch nicht die Werte des Vorjahres. Berlin und München zeigten zunächst ähnliche Entwicklun­gen. Das Stau-Niveau stieg stetig, kam jedoch spätestens im März wieder an die Werte von 2020 vor der Pandemie heran beziehungs­weise übertraf diese sogar. Frankfurt zeigte eine vergleichb­are Entwicklun­g wie Düsseldorf.

In der NRW-Landeshaup­tstadt waren Spitzen, sogenannte Peaks, in den Hauptverke­hrszeiten im ersten Quartal 2021 – völlig untypisch – kaum zu erkennen, da das Stau-Niveau den ganzen Tag über auf einem ähnlichen Level blieb. Es gab beim Verkehrsfl­uss kaum Unterschie­de zwischen Rush Hour und „normalen“Tageszeite­n. In Düsseldorf als Pendlersta­dt sind eigentlich Peaks im Berufsverk­ehr am Morgen gegen 8 Uhr und nachmittag­s zwischen 16 und 18 Uhr die Regel.

Dass es ab dem 8. März Lockerunge­n

für den Einzelhand­el gab, ausgewählt­e Geschäfte wieder öffnen und nach einer vorherigen Terminverg­abe Kunden empfangen durften, rief auch keine wesentlich­en Veränderun­gen im Stau-Niveau hervor. Die TomTom-Sprecherin berichtet lediglich von einem „leichten Anstieg der Zahlen“. Die Öffnungen von Schulen und Kitas hatten ebenfalls keine Auswirkung­en auf den Verkehr.

Am wenigsten los auf Düsseldorf­er Straßen war bisher in diesem Jahr an Neujahr sowie an den Sonntagen am 3. Januar, 10. Januar und 14. März. An diesen Tagen lag das Stau-Niveau bei sieben Prozent. Je niedriger dieser Wert ist, desto schneller fließt der Verkehr. Die meiste Zeit im Auto wurde am Montag, 8. Februar, mit einem Stau-Niveau von 43 Prozent verloren – und das ist erklärbar. Zu Beginn der zweiten Februar-Woche hatten die Düsseldorf­er bis Mittwochvo­rmittag mit Schneefall und Glatteis zu kämpfen. Dieser Wetterumsc­hwung wirkte sich negativ auf das Stau-Niveau aus und ließ die Werte steigen. Auf den glatten Straßen verlängert­e sich die Reisezeit und die durchschni­ttlich gefahrene Geschwindi­gkeit sank. Diese Winterwoch­e im Februar mit einem Stau-Level von 22 Prozent war aber ein absoluter Ausreißer, denn ansonsten blieb das Niveau konstant und stieg nur in den letzten beiden März-Wochen etwas mehr um zwei bis drei Prozent an. „Vergleicht man die Wochenwert­e von 2021 mit den Werten aus dem ersten Quartal 2020, das zu einem Großteil noch nicht von Pandemie-Maßnahmen betroffen war, sehen wir, dass das Stau-Niveau in 2021 vor allem in den ersten Wochen des Jahres deutlich unter dem des Vorjahres liegt“, sagt die TomTom-Sprecherin.

Die Politik in Düsseldorf würde es begrüßen, wenn das Homeoffice-Modell, das hier offensicht­lich für ein geringeres Verkehrsau­fkommen sorgt, auch nach der Corona-Zeit eine Alternativ­e bleibt. Norbert Czerwinski (Grüne), Vorsitzend­er des Verkehrsau­sschusses, sieht darin nicht nur für Arbeitgebe­r wegen des weniger benötigten Büroraums deutliches Einsparpot­enzial, sondern hat auch die Verkehrswe­nde im Blick, die mit weniger Pendlern leichter umzusetzen sei. Czerwinski sagt, wenn 20 Prozent der Autofahrer in Zukunft zu Hause arbeiteten, sei dies einfacher, als wenn 20 Prozent der Autofahrer auf einmal auf den ÖPNV umstiegen, wofür schlichtwe­g die Kapazitäte­n fehlten. Andreas Hartnigk (CDU) glaubt ebenfalls, dass sich das Homeoffice in Zukunft positiv auf die Mobilität auswirkt: „Fünfmal wird man zwar nach der Pandemie auch nicht mehr von zu Hause arbeiten, aber wenn es nur ein Tag pro Woche wäre, wäre es schon eine Reduzierun­g von 20 Prozent.“

Sollte die Pandemie Auslöser für eine Trendwende im Mobilitäts­verhalten sein, dann sieht die Naturschut­zorganisat­ion BUND darin die Chance, „die Stadt endlich menschenfr­eundlich umzugestal­ten“, sagt Geschäftsl­eiter Dirk Jansen. Die Verkehrswe­nde sei nun zaghaft angestoßen worden und müsse mit politische­n Entscheidu­ngen und entspreche­ndem Verwaltung­shandeln mit einer Umverteilu­ng des öffentlich­en Raums – weg vom Auto und hin zum Fuß- und Radverkehr – beschleuni­gt werden. „Für diejenigen, die nicht mehr täglich auf das Auto angewiesen sind, muss ein attraktive­s ÖPNV-Angebot geschaffen werden. Insgesamt muss Düsseldorf viel mehr Tempo bei der Mobilitäts­wende machen. Bislang ist es leider so, dass im Konfliktfa­ll stets dem Autound Lkw-Verkehr Vorrang eingeräumt wird, siehe Umweltspur­en oder Protected Bike Lane im Reisholzer Hafen“, so der Geschäftsl­eiter.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Ein hohes Stauaufkom­men wie hier an Fischer- und Kaiserstra­ße vor Ausbruch der Corona-Pandemie sieht man in Düsseldorf kaum noch.

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