Düsseldorfs Sonderrolle beim Verkehr
Trotz Corona und der Vorgabe, im Homeoffice zu arbeiten, hat im ersten Jahresquartal in vielen anderen Städten das Verkehrsaufkommen fast wieder ein Level wie vor der Pandemie erreicht – in Düsseldorf aber nicht.
DÜSSELDORF Düsseldorf nimmt im Vergleich mit anderen Städten im ersten Quartal des Jahres eine Sonderrolle in Sachen Mobilitätsverhalten ein. Das sagen Verkehrsanalysten des Anbieters TomTom, die für diesen Zeitraum ein so konstantes und niedriges Stau-Niveau für die Landeshauptstadt ermittelt haben, das es in Großstädten sonst nur noch in Frankfurt geben soll. „Vor allem die flachen Spitzen zu RushHour-Zeiten lassen darauf schließen, dass die Aufforderung, von zu Hause aus zu arbeiten, in Düsseldorf umgesetzt wird“, sagt eine TomTom-Sprecherin.
Trotz Corona und der Vorgabe der Bundesregierung, im Homeoffice zu arbeiten, hat im ersten Jahresquartal in vielen anderen Städten das Verkehrsaufkommen fast wieder ein Level wie vor der Pandemie erreicht. In Hamburg stieg das Stau-Niveau schrittweise leicht an – durchaus stärker als in Düsseldorf – erreichte aber auch noch nicht die Werte des Vorjahres. Berlin und München zeigten zunächst ähnliche Entwicklungen. Das Stau-Niveau stieg stetig, kam jedoch spätestens im März wieder an die Werte von 2020 vor der Pandemie heran beziehungsweise übertraf diese sogar. Frankfurt zeigte eine vergleichbare Entwicklung wie Düsseldorf.
In der NRW-Landeshauptstadt waren Spitzen, sogenannte Peaks, in den Hauptverkehrszeiten im ersten Quartal 2021 – völlig untypisch – kaum zu erkennen, da das Stau-Niveau den ganzen Tag über auf einem ähnlichen Level blieb. Es gab beim Verkehrsfluss kaum Unterschiede zwischen Rush Hour und „normalen“Tageszeiten. In Düsseldorf als Pendlerstadt sind eigentlich Peaks im Berufsverkehr am Morgen gegen 8 Uhr und nachmittags zwischen 16 und 18 Uhr die Regel.
Dass es ab dem 8. März Lockerungen
für den Einzelhandel gab, ausgewählte Geschäfte wieder öffnen und nach einer vorherigen Terminvergabe Kunden empfangen durften, rief auch keine wesentlichen Veränderungen im Stau-Niveau hervor. Die TomTom-Sprecherin berichtet lediglich von einem „leichten Anstieg der Zahlen“. Die Öffnungen von Schulen und Kitas hatten ebenfalls keine Auswirkungen auf den Verkehr.
Am wenigsten los auf Düsseldorfer Straßen war bisher in diesem Jahr an Neujahr sowie an den Sonntagen am 3. Januar, 10. Januar und 14. März. An diesen Tagen lag das Stau-Niveau bei sieben Prozent. Je niedriger dieser Wert ist, desto schneller fließt der Verkehr. Die meiste Zeit im Auto wurde am Montag, 8. Februar, mit einem Stau-Niveau von 43 Prozent verloren – und das ist erklärbar. Zu Beginn der zweiten Februar-Woche hatten die Düsseldorfer bis Mittwochvormittag mit Schneefall und Glatteis zu kämpfen. Dieser Wetterumschwung wirkte sich negativ auf das Stau-Niveau aus und ließ die Werte steigen. Auf den glatten Straßen verlängerte sich die Reisezeit und die durchschnittlich gefahrene Geschwindigkeit sank. Diese Winterwoche im Februar mit einem Stau-Level von 22 Prozent war aber ein absoluter Ausreißer, denn ansonsten blieb das Niveau konstant und stieg nur in den letzten beiden März-Wochen etwas mehr um zwei bis drei Prozent an. „Vergleicht man die Wochenwerte von 2021 mit den Werten aus dem ersten Quartal 2020, das zu einem Großteil noch nicht von Pandemie-Maßnahmen betroffen war, sehen wir, dass das Stau-Niveau in 2021 vor allem in den ersten Wochen des Jahres deutlich unter dem des Vorjahres liegt“, sagt die TomTom-Sprecherin.
Die Politik in Düsseldorf würde es begrüßen, wenn das Homeoffice-Modell, das hier offensichtlich für ein geringeres Verkehrsaufkommen sorgt, auch nach der Corona-Zeit eine Alternative bleibt. Norbert Czerwinski (Grüne), Vorsitzender des Verkehrsausschusses, sieht darin nicht nur für Arbeitgeber wegen des weniger benötigten Büroraums deutliches Einsparpotenzial, sondern hat auch die Verkehrswende im Blick, die mit weniger Pendlern leichter umzusetzen sei. Czerwinski sagt, wenn 20 Prozent der Autofahrer in Zukunft zu Hause arbeiteten, sei dies einfacher, als wenn 20 Prozent der Autofahrer auf einmal auf den ÖPNV umstiegen, wofür schlichtweg die Kapazitäten fehlten. Andreas Hartnigk (CDU) glaubt ebenfalls, dass sich das Homeoffice in Zukunft positiv auf die Mobilität auswirkt: „Fünfmal wird man zwar nach der Pandemie auch nicht mehr von zu Hause arbeiten, aber wenn es nur ein Tag pro Woche wäre, wäre es schon eine Reduzierung von 20 Prozent.“
Sollte die Pandemie Auslöser für eine Trendwende im Mobilitätsverhalten sein, dann sieht die Naturschutzorganisation BUND darin die Chance, „die Stadt endlich menschenfreundlich umzugestalten“, sagt Geschäftsleiter Dirk Jansen. Die Verkehrswende sei nun zaghaft angestoßen worden und müsse mit politischen Entscheidungen und entsprechendem Verwaltungshandeln mit einer Umverteilung des öffentlichen Raums – weg vom Auto und hin zum Fuß- und Radverkehr – beschleunigt werden. „Für diejenigen, die nicht mehr täglich auf das Auto angewiesen sind, muss ein attraktives ÖPNV-Angebot geschaffen werden. Insgesamt muss Düsseldorf viel mehr Tempo bei der Mobilitätswende machen. Bislang ist es leider so, dass im Konfliktfall stets dem Autound Lkw-Verkehr Vorrang eingeräumt wird, siehe Umweltspuren oder Protected Bike Lane im Reisholzer Hafen“, so der Geschäftsleiter.