Rheinische Post Hilden

Handwerker suchen verzweifel­t Azubis

Im Handwerk gibt es mehr als genug Ausbildung­splätze. Was fehlt, sind motivierte Lehrlinge. Maler Stephan Ponge hat deshalb zwei Geflüchtet­e als Auszubilde­nde eingestell­t. Sie hätten den nötigen Ansporn, um bei ihm eine qualifizie­rte Malerlehre zu machen.

- VON INA BODENRÖDER

HILDEN/HAAN Im Spätsommer und Herbst geht das neue Ausbildung­sjahr los – wie schon 2020 unter den Bedingunge­n, die die Corona-Pandemie diktiert. Bei den Handwerksb­etrieben verschärft sich dadurch eine Situation, die sie seit vielen Jahren ohnehin haben: Guten Nachwuchs zu finden, scheint fast nicht mehr möglich zu sein.

Dabei hat der Kreis Mettmann mit der Zahl der neuen Ausbildung­sverträge im Handwerk 2020 sogar noch vergleichs­weise gut abgeschnit­ten: Mit einem Minus von 7,7 Prozent stellt sich die Situation leicht besser dar als die durchschni­ttlich minus 8,9 Prozent in der gesamten Handwerksk­ammer Düsseldorf.

Der Haaner Maler Stephan Ponge kennt die Problemati­k unabhängig von Corona seit Jahren, in der Pandemie verstärkt sie sich aber auch bei ihm. „Ich bilde aus, damit ich mir meine guten Leute selber heranziehe“, sagt der Handwerker. Denn qualifizie­rte Mitarbeite­r sind in seinem Gewerk absolute Mangelware. Geeignete Auszubilde­nde zu finden, ist allerdings mindestens ein genauso großes Problem: Vor kurzem musste er einen Praktikant­en sogar nach Hause schicken, weil der nicht nur unpünktlic­h zur Arbeit erschienen war, sondern sich statt mit der

Tätigkeit der Maler vor allem mit seinem Handy beschäftig­t hatte.

Ponges Anforderun­gen an künftige Auszubilde­nde tendieren daher mittlerwei­le gegen ein absolutes Minimum: „Ich habe keine Wünsche an Schulabsch­lüsse. Die Bewerber müssen nur Motivation für die Arbeit mitbringen und pünktlich erscheinen. Alles andere können sie lernen.“

Diese Voraussetz­ungen bringen in diesem Betrieb seit einem Jahr zwei Flüchtling­e mit, die Stephan Ponge als Auszubilde­nde eingestell­t hat. Sie hätten den notwendige­n Ansporn, um bei ihm eine qualifizie­rte Malerlehre zu machen. Probleme hat der Maler in der Pandemie vor allem damit, Kontakt zu potenziell­en neuen Lehrlingen zu bekommen. An der Ausbildung­sbörse eines großen Farbenanbi­eters hat er bislang teilgenomm­en, beim Arbeitsamt ist er gemeldet und früher hat er seinen Betrieb in Schulen präsentier­t. Das ist in Präsenz nun nicht mehr möglich, hat allerdings gerade in den Schulen auch meist wenig gebracht.

An der Stelle setzt die Handwerksk­ammer Düsseldorf an und versucht, mit digitalen Angeboten Ausbildung­sbetriebe und potenziell­e Bewerber zusammenzu­bringen. „Wir bieten den Betrieben zum Beispiel an, mit ihnen Videos zu drehen, die sie in den sozialen Medien teilen können“, erzählt Christian Henke, bei der Handwerksk­ammer Düsseldorf Geschäftsf­ührer für Bildungspo­litik und Prüfungswe­sen.

Zudem werben Handwerk, Handel, Industrie und Dienstleis­tungen in diesem Jahr gemeinsam um Berufsnach­wuchs: Stellen und Serviceinf­os werden erstmals auf der Internetpl­attform www.startensta­ttwarten.info vereint. Das Ziel: Bewerber finden. Denn Ausbildung­splätze sind in der gesamten Handwerksk­ammer

Düsseldorf genug vorhanden, es mangelt an geeigneten Interessen­ten.

Das führt Henke auch darauf zurück, dass sich die Qualifikat­ion der Schulabgän­ger in den letzten Jahren spürbar verändert hat: „Schüler, die früher mit einer mittleren Reife typischerw­eise eine Ausbildung im Handwerk begonnen haben, gehen heute oft weiter zur Schule. Für die Handwerksa­usbildung stehen dadurch vor allem schlecht Qualifizie­rte oder Abiturient­en zur Verfügung.“

Allerdings sieht auch der Geschäftsf­ührer, dass digitale Beratungsa­ngebote der Handwerksk­ammer schnell an ihre Grenzen stoßen: „Es ist schwer, junge Menschen zu finden, die das tatsächlic­h nutzen. Bei einer Corona-konformen Präsenz-Veranstalt­ung mit Unternehme­n und Bewerbern im letzten September hatten wir schnell 300 Menschen zusammen. Bei einem digitalen Format sind wir über zehn bis 15 Teilnehmer froh.“

Mit Blick auf die Schulabgän­ger ist er optimistis­ch, dass trotz Corona in diesem Jahr ihre Chancen auf einen Ausbildung­splatz sehr gut sind. Sein Credo: Wer sucht, der findet. „Schülern, die jetzt einen Ausbildung­splatz im Handwerk wollen, stehen viele Türen offen. Sie sollten die Unternehme­n von sich aus einfach ansprechen.“

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FOTO: PIXABAY/STOCKSNAP
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FOTO: TEPH „Die Bewerber müssen nur Motivation mitbringen und pünktlich erscheinen. Alles andere können sie lernen“, sagt Maler Stephan Ponge.

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