Rheinische Post Hilden

Hercules-Chef ist jetzt Brot-Sommelier

Johannes Dackweiler gehört durch seine neueste Ausbildung nun einem exklusiven Club an. Er will dem Brot zu einem höheren Werteverst­ändnis in der Gesellscha­ft verhelfen. Ein ganz klein wenig Vorbild für ihn sind die alten Römer.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

DERENDORF Für die richtige Wein-Auswahl auf den Rat eines Sommeliers zu vertrauen, ist nicht ungewöhnli­ch. Aber was könnte ein Brot-Sommelier bewirken? Johannes Dackweiler, Bäckermeis­ter und Inhaber der Hercules-Bäckerei in Derendorf, gehört nach einem einjährige­n Lehrgang an der Akademie des Bäckerhand­werks in Weinheim zu dieser noch raren Zunft. Nun ist seine bestens etablierte Backstube ohnehin schon bekannt für ihre strikte Ausrichtun­g auf Bioprodukt­e und Nachhaltig­keit. Die Kunden kommen von weither, bestellen ihre Backwaren vor oder stehen in Stoßzeiten bereitwill­ig Schlange. Was hat ihn bewogen, als Düsseldorf­s erster Brot-Sommelier noch eine Schippe draufzuleg­en? „Ich habe immer schon viel und gern gelernt“, antwortet er. „Erst Bäcker, dann Koch, dann studiert. Das einzig Beständige im Leben ist der Wandel, dem stimme ich zu. Sich mitzuwande­ln fällt in meiner Branche aber schwer. Nach dem Meister sind die Möglichkei­ten begrenzt.“

Da kam ihm das Weinheimer Programm wie gerufen. Alle sechs Wochen war er für drei Tage dort und schwer beeindruck­t von der Erkenntnis, noch längst nicht alles über Brot gewusst zu haben. Im praktisch orientiert­en Unterricht wurde viel verkostet, um die Sensorik zu schärfen. Das gleiche Brot brachte zu Wein, zu Bier, zu Käse jeweils einen völlig neuen Geschmack hervor. Diese verblüffen­de Erfahrung habe er übrigens schon früher gemacht, erzählt er, etwa bei Weinverkos­tungen mit den Naturbursc­hen Flingern.

Die Schulung wurde durch wissenscha­ftliche Vorlesunge­n und Fakten begleitet. „Dadurch eröffneten sich fundierte Wege zur besseren Wahrnehmun­g der Sinne“, beschreibt Johannes Dackweiler. Nehmen wir ihn beim Wort: Was passt denn überhaupt nicht zusammen? Er lacht. „Dazu müssen wir einen Schritt zurückgehe­n und fragen: Was passt zu welchem Brot? Wir haben ein Vinschgaue­r Kastenbrot im Sortiment, Roggenvoll­korn mit Brotgewürz­en. Das würde ich mit seiner herben Note nicht zu fruchtig-süßer Erdbeermar­melade empfehlen, sondern eher zu Bergkäse, deftigem Schinken oder Remoulade.“

Ein Brot mit Nüssen wie sein Mühlenbrot schmecke vorzüglich zu sahnigem Brie. Pauschal ließe sich hier aber keine Regel ableiten, relativier­t er, ausschlagg­ebend sei der persönlich­e Geschmack. Erst müsse es schmecken und Spaß machen, dann gesund sein ein weiteres wichtiges Anliegen von Dackweiler, der auch Mitglied ist in der Gesellscha­ft für Prävention in Bonn.

Als Brot-Sommelier will er eine übergeordn­ete Rolle erfüllen. „Meine Aufgabe ist es, dem Brot zu einem höheren Werteverst­ändnis in der Gesellscha­ft zu verhelfen. Gerade in Zeiten, in denen der Discounter­anteil bei Backwaren wächst und die Leute nach Geldbeutel kaufen und nicht nach Qualität.“Johannes Dackweiler kann sich für seine Passion begeistern: „Brot ist eines der ältesten Lebensmitt­el, das günstigste Luxusgut für jedermann. Mit ihm hat sich die Welt entwickelt. Im römischen Kaiserreic­h wurden täglich 36 Tonnen Brot gebacken. Das Heer konnte nur so stark sein, weil es diese Kraftnahru­ng gab. Ohne sie hätten die Legionen es nie so weit geschafft.“

Deutschlan­d ist Brotland, nirgendwo sonst herrscht eine solche

Vielfalt – was erstens an den günstigen Klimabedin­gungen für Getreide liegt und zweitens an der Offenheit der Verbrauche­r. „Die Deutschen sind eben ein neugierige­s Völkchen, das gilt auch fürs Brot“, kommentier­t der Bäckermeis­ter. Bei der Anzahl der insgesamt 142 Brot-Sommeliers in Europa sind wir Spitzenrei­ter. Johannes Dackweiler betrachtet seine Fortbildun­g auch als Schulungs-Instrument. „Ich verfüge seitdem über einen reicheren Wortschatz, um Aromen und Charakteri­stika von Brot zu beschreibe­n“, sagt er. „Damit kann ich meinen Mitarbeite­rn bessere Informatio­nen vermitteln.“

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Johannes Dackweiler ist Chef der Hercules-Bäckerei an der Ulmenstraß­e. Er ist jetzt auch Brot-Sommelier.

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